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CeGrudke CeGrudke ist männlich
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Parkesen City, Wayside V:

Mr. Miller war sauer. Seit dem Verlust von Captain Churin, der durch damals unbekannte Kräfte getötet wurde, und dem Verschwinden des psychisch umgepolten Anton Bramert waren die meisten Operationen hier auf Wayside V schief gegangen. Sie hatten versucht, Colonel Germaine Danton und Herzog Mikado zu vergiften, aber bevor die Lieferung überhaupt in die Nähe der beiden hochrangigen Persönlichkeiten gelangen konnte, war der Lieferant von Unbekannten angegriffen, komplett ausgeraubt und schließlich bewusstlos in einer Gasse zurückgelassen worden. Miller hatte ihn natürlich beseitigen lassen, aber so langsam gingen ihm die Optionen und vor allem die Geldmittel aus. Und wenn er Smith von seinem Versagen erzählte, würde dieser ihm bestimmt alle Mittel streichen – und dann seine Exekution befehlen. Smith war ein guter Arbeitgeber, aber er war ebenso gnadenlos und so etwas wie Versagen existierte in seinem Wortschatz nicht. Darum war er auch einer der gefährlichsten Vermittler für Attentäter und Terroristen der Inneren Sphäre und Peripherie zusammen.
Nun hatte Miller aber ein weiteres Problem. Seit sechs Jahren befand sich die Organisation von Mr. Smith bereits in einem verdeckten Kleinkrieg mit einer Gruppe ehemaliger LNC-Agenten, die sich jetzt angeblich Heimdall angeschlossen hatten. Diese Agenten, alles ausgebildete Mitglieder der Spezialeinheit Loki, gehörten zu den gefährlichsten Feinden der Organisation Smith, vor allem, weil sie wussten, wie Smith und seine Leute dachten, und es sich anscheinend zum Ziel gemacht hatten, diese Operationen zu unterbinden. Dazu standen ihnen auch noch die Geldmittel Heimdalls zur Verfügung, dieser lyranischen Untergrundorganisation, die gegen den Archon opponierte und gerüchteweise sogar so mächtige Leute wie Morgan Kell oder Oberstleutnant Daniel Allard von den Kell Hounds in ihren Führungsreihen haben sollte.
Miller hatte jetzt erfahren müssen, dass eben diese Loki-Gruppe für Churins Tod und Bramerts Verschwinden verantwortlich war. Miller konnte sich zunächst nicht erklären, was diese Leute von jemanden wie Bramert wollten, bis er über eine Kontaktperson in der Lyranischen Allianz von Bramerts eigentlicher Ausbildung bei Loki erfuhr. Das war nicht gut. Und seine Untergebenen auf Wayside hatten noch nicht einmal herausgefunden, wo sich die Loki-Agenten inzwischen befanden, ja, schlimmer noch, einer von ihnen war selbst verschwunden. Damit war jedes Versteck, das Miller auf Wayside aufgebaut hatte, nicht mehr sicher, denn er musste befürchten, dass Loki seinen Mann gefangen und alle Informationen aus ihm herausgequetscht hatte. Das war auch einer der Gründe, warum er sauer war, denn es kostete viel Zeit, Geld und Arbeit, ein neues Versteck zu finden und entsprechend einzurichten – vom Abtransport ihrer Ausrüstung ganz zu schweigen. Zum Glück hatte er einen Transportfahrer der Wayside-Miliz bestechen können, sodass dieser ihm heimlich sein Fahrzeug zur Verfügung stellte. Natürlich würde der Fahrer am Ende sterben müssen, aber solange Miller noch Nutzen an ihm fand, konnte er am Leben bleiben. Er war gerade dabei, mit einem seiner Untergebenen die Ausrüstung zu verpacken, als er draußen ein leises Klirren hörte. Er richtete sich auf, versuchte herauszufinden, woher das Geräusch kam, konnte aber die Richtung nicht genau definieren. Sie befanden sich am Stadtrand von Parkesen City, nicht gerade in einer feinen Gegend und natürlich gab es auch hier Rowdies und anderes Gesindel. Wahrscheinlich hatte irgendwo jemand einfach ein Fenster eingeschlagen oder mit einem Stein eingeworfen. Er machte sich keine weiteren Gedanken und schloss den Koffer, in den er gerade mehrere Kilo Sprengstoff gelegt hatte.

Nur ein Haus weiter verhielten sich Anton, McArthur und die anderen sechs Loki-Agenten still und warteten darauf, ob jemand das unglückliche Klirren des Fensters gehört hatte, das sie aufbrachen, um in das Haus einzusteigen. Als keine Reaktion zu hören war, nickte McArthur seinen Teammitgliedern zu und sie alle setzten ihre Kapuzen auf und verschlossen die Visiere. Dadurch war ihnen auch in der Dunkelheit eine gute Sicht garantiert und zudem hatten sie jetzt Luftfilter, die es ihnen gestattete, potentielle Gefahren durch Gas ohne Probleme zu ignorieren. Durch interne Kommunikationsgeräte konnten sie außerdem miteinander sprechen, ohne sich anschreien zu müssen. McArthur ging mit Oberleutnant Peter Obermann den Einsatzplan noch einmal durch. „Also Oberleutnant, Sie gehen mit dem Gros des Teams durch die Vordertür rein. Hauptfeldwebel Zumke mit einem Mann hinten. Bramert geht mit mir, wir schleichen uns über das Obergeschoss in das Gebäude. Ist OG Relois in Position?“
„Ja, Herr Kommandant“, lautete die Antwort von Obermann. McArthur nickte, obwohl man das durch das Visier nicht sehen konnte. „Sehr gut. Dann wollen wir beginnen. Bramert, zu mir!“
Anton kniete sich neben seinen Vorgesetzten. „Sir?“
„Anton, wir beide unternehmen eine kleine Kletterpartie. Ich hoffe, Sie können mit mir mithalten.“
Anton, dem man dank seiner Kleidung und dem dunklen Visier vor dem Gesicht seine Unsicherheit nicht anmerken konnte, gab sich gespielt selbstbewusst. „Dasselbe wollte ich Ihnen auch gerade sagen, Sir.“
McArthur lachte zynisch. „Gut, dann ist ja alles klar. Wir legen los.“
Die beiden Loki-Agenten schlichen sich über das geöffnete Fenster wieder aus dem Gebäude und an der Wand entlang, bis sie an einer Feuerleiter angelangt waren. McArthur machte den Anfang, während Anton die Umgebung absicherte. Als der Kommandant durch ein Klicken in der Komverbindung zu erkennen gab, dass Bramert nachkommen konnte, angelte dieser sich ebenfalls an der Feuerleiter hoch. Dabei berührten seine Füße nicht einmal die Sprossen der Leiter, da diese sonst ziemlich laut zu erkennen gegeben hätte, dass sich jemand auf der Feuerleiter befand. Er hangelte sich bis zum Dach hoch und wurde dort von McArthur erwartet. Die beiden Agenten nahmen nun Nylonseile, sicherten sich ab und kletterten langsam an der Wand herunter, bis sie direkt neben einem der Fenster zum Stehen kamen. McArthur warf einen kurzen Blick hinein, dann flüsterte er in die Komverbindung. „Eine Person ist im Raum. Relois, können Sie sie sehen?“
„Bestätige, Sir.“, antwortete der Scharfschütze ebenso leise, der etwa dreihundert Meter weiter auf dem Dach eines anderen Gebäudes lag und über das Zielfernrohr eines Scharfschützengewehrs in das andere Gebäude sehen konnte. McArthur holte einen Glasschneider hervor, setzte ihn an die Scheibe und schnitt einen Kreis von vielleicht zehn Zentimetern Durchmesser aus der Scheibe. Nachdem er den Schneider zusammen mit dem ausgeschnittenen Glasstück aus der Scheibe gezogen hatte, sagte er zu Relois. „Ausschalten!“
Der Scharfschütze nahm die Zielperson ins Visier und drückte sanft den Abzug durch. Das Scharfschützengewehr bockte kurz auf, die Kugel fand aber sicher ihr Ziel und die Zielperson fiel mit einem Poltern zu Boden, der Kopf nur noch eine breiige Masse aus Blut und Gehirn.

Ein Stockwerk tiefer sah Miller erneut auf, als er das Poltern über sich hörte. Aber wahrscheinlich war nur jemandem was runtergefallen. Nichts, was ihm Sorgen bereiten musste, vor allem, weil sich im Obergeschoss noch drei weitere Personen befanden, die notfalls nachschauen konnten, was los war. Er nahm das Lasergewehr weiter auseinander und packte die einzelnen Teile in einen anderen Koffer, dann wandte er sich der nächsten Waffe zu.

Anton öffnete das Fenster vorsichtig und folgte McArthur dann in den Raum hinein. Der Kommandant holte seine MP mit Schalldämpfer hervor, während Bramert sein Vibroschwert zog. Gerade, als McArthur dem Rest des Teams melden wollte, dass sie ins Gebäude eingedrungen waren, öffnete sich die Tür und ein Mann mit einer Laserpistole in der Hand tauchte auf. McArthur wollte gerade auf ihn zielen, als Anton auch schon vorschnellte, den Mann in den Raum zog und ihm den Knauf des Vibroschwerts ans Kinn schlug. Der Gegner wollte schmerzhaft aufschreien, aber Anton hielt ihm schon den Mund zu, während er mit der anderen Hand die Tür schloss. Dann hielt er dem Mann die Klinge des Vibroschwerts zwischen die Beine. „Ein Mucks von dir“, flüsterte er böse, „und ich sorge dafür, dass du im Knabenchor singen kannst, verstanden?“
Der Bedrohte nickte und in seinen Augen konnte man deutlich die Angst davor, entmannt zu werden, erkennen. Anton zog den Mann von der Wand weg und McArthur nahm dessen Platz ein. Er öffnete die Tür einen Spalt weit und warf einen Blick nach draußen, dann gab er Anton das Zeichen dafür, das alles ruhig wäre. Anton erwiderte mit ausgestrecktem Daumen, das er verstanden hatte und McArthur sprach in sein Kom. „Team Eins, wir sind im Gebäude. Team Zwei und Drei, bitte Statusmeldung.“
„Team Zwei, sind in Position“, hörte er die Antwort von Oberleutnant Obermann. Kurz darauf erfolgte die Meldung von Hauptfeldwebel Zumke. „Team Drei, alles bereit.“
McArthur sah ihren Gefangenen an. „Wie viele Leute befinden sich im Gebäude?“
„Sieben“, antwortete der Gefragte, nachdem er einen Blick auf die Leiche seines Kameraden geworfen hatte. „Neben mir noch zwei hier oben, dazu vier im Erdgeschoss.“
McArthur lächelte hinter seinem Visier. „Team Zwei und Drei, Sie haben es voraussichtlich mit vier potentiellen Zielen zu tun. Seien Sie trotzdem vorsichtig. Zugriff nach eigenem Ermessen.“
Die beiden Teamführer bestätigten und Anton sah seinen Vorgesetzten an. „Was machen wir mit dem hier, Sir?“
McArthur überlegte, aber es war zu gefährlich, ihn bei sich zu behalten. „Er muss ausgeschaltet werden, Feldwebel“, entgegnete er darum. Anton ließ sich nicht lange bitten, zog seinen Nadler und schoss dem Gefangenen einmal in den Kopf. Dieser kippte zur Seite, wurde von Anton aber aufgefangen und sanft auf den Boden gelegt. Dann ging Anton zur Tür. Er hatte seinen Nadler wieder eingesteckt und stattdessen das Vibroschwert erneut aus der Schwertscheide gezogen. McArthur öffnete die Tür jetzt so weit, dass sie herausschlüpfen konnten, als es im Erdgeschoss zweimal laut knallte. Sofort stürzten zwei Bewaffnete aus dem Raum gegenüber. McArthur erschoss einen von ihnen, während der zweite dem brummenden Vibroschwert von Anton zum Opfer fiel, der seinen Gegner in zwei Teile schnitt.

Miller hörte das laute Knallen an der Vordertür, dicht gefolgt von einem Knall an der Hintertür. Er griff sofort nach seiner Waffe, als zwei dunkelgekleidete Personen, deren Gesichter von Visieren verdeckt waren, mit angelegten Lasergewehren den Raum betraten. Einer der beiden erwischte Millers Begleiter durch einen Kopftreffer, während der andere Miller am linken Arm traf. Dieser ließ vor Schmerz reflexartig die Waffe los und wollte sich gerade eine andere schnappen, als ein Lasergewehr direkt auf sein Gesicht zielte. „Greif nach der Waffe und ich verwandle dein Gehirn in Toast!“, knurrte ihn eine durch das Visier verzerrte Stimme an. Miller ließ die Hand sinken und der Sprecher murmelte etwas in sein Kom. Miller wusste, das er endgültig versagt hatte. Von diesem Haus konnten nur die Loki-Agenten wissen. Wenn Smith ihn hätte ausschalten wollen, dann wäre er längst tot und nicht gefangengenommen worden.

Der Einsatz war für das Loki-Team ein voller Erfolg. Sie hatten keinen Verlust erlitten und sogar jemanden gefangen nehmen können. Für McArthur war aber noch viel wichtiger, dass Feldwebel Anton Bramert sich im Einsatz bewährt hatte. McArthur war skeptisch gewesen, aber Bramert hatte ihn überzeugt, dass er wieder voll eingesetzt werden konnte. Die beiden Agenten kamen ins Erdgeschoss, um den Gefangenen zu verhören. Dieser saß gefesselt auf einem Stuhl und schaute McArthur und Bramert, der in diesem Moment sein Schwert in die Schwertscheide zurückschob und den Blick nicht bemerkte, trotzig entgegen, als die beiden den Raum betraten. „Ich wusste, dass Sie Bramert mitgenommen haben, McArthur. Aber glauben Sie bloß nicht, dass Sie aus mir irgendetwas rausbekommen. Ich bin schon ein toter Mann, das hier ist bloß noch eine Formalität.“
McArthur lächelte bösartig. „Ich freue mich auch, Sie wiederzusehen, Miller. Seit unserem letzten Treffen auf Rasalgethi haben Sie sich kein Stück verändert. Und keine Sorge, ich bekomme schon die Antworten von Ihnen, die ich haben will.“
Miller erwiderte das Grinsen und sah dabei sogar noch bösartiger aus. „Das glauben Sie vielleicht, McArthur. Aber Sie sollten niemals zu vorschnell urteilen!“
Auf einmal hatte er sich, wie auch immer, von seinen Fesseln befreien können, hatte ein Messer in der Hand und stürzte sich auf McArthur. Bramert reagierte aber noch schneller, stellte sich zwischen seinen Vorgesetzten und den Gefangenen und fühlte auf einmal einen ziemlichen Schmerz im Gesicht, dann hatte er Miller gepackt, verdrehte ihm die Hand, sodass das Messer zu Boden fiel, drehte noch ein Stück weiter, bis er ein befriedigendes Knacken und den Schmerzenschrei Millers hörte, dann ließ er den Gefangenen los, der zu Boden fiel und sich schmerzverzerrt sein gebrochenes Handgelenk hielt. McArthur sah Bramert erschrocken an. „Oh Gott, Bramert! Sani!“

Anton wusste gar nicht, was das Problem war, bis er sich über das Gesicht wischte. Sein Handschuh war auf einmal verfärbt und nass. Dann sah er zu Boden und bemerkte eine kleine Blutlache, die an seiner Kleidung herunterlief und den Boden verunstaltete. Der Sanitäter des Teams tauchte auf und sah sich Antons Verletzung an. „Heilige Scheiße“, machte Feldwebel Kurtz, dann suchte er wie wild nach Verbandsmaterial und ähnlichem. Anton musste sich auf einen anderen Stuhl setzen, während Kurtz ihn verarztete. Währenddessen führte McArthur die Befragung Millers fort, erhielt aber keine gescheiten Antworten mehr. Miller wimmerte nur vor Schmerz oder verfluchte McArthur oder Anton. Anton hatte noch nie solche Ausdrücke gehört, zu denen unter anderem sexuelle Praktiken gehörten, die für einen Menschen anatomisch gar nicht möglich waren. McArthur gab irgendwann schließlich auf und ließ den Gefangenen in der Obhut zweier Agenten zurück, dann trat er an Anton und den Sanitäter heran. „Wie schaut es aus, Kurtz?“
„Die Wunde ist zum Glück nicht sonderlich tief, Herr Kommandant, aber es wird eine unschöne Narbe zurückbleiben.“
Anton hatte gerade ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen und befand sich im glückseligen Rausch der Betäubung, darum bekam er kaum mit, worüber McArthur und Kurtz sprachen. McArthur holte schließlich einen kleinen Spiegel hervor. „Hier, Anton. Schauen Sie sich das Dilemma einmal selbst an.“
Anton sah in den Spiegel und sah einen Schnitt, der quer über sein Gesicht lief, beginnend an der linken Schläfe, über die Nase und die Wange bis zum Kinn hinunter. Durch das Beruhigungsmittel berauscht musste er lachen. „Wenigstens erkennt mich so erst mal keiner wieder“, lallte er, dann fiel er in eine glückselige Ohnmacht und spürte nichts mehr.

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A rose by any other name is still a rose

Ein Narr ist eine gefährliche Waffe im Haus der Vernunft

Tu as dèjá le baton fleurdelisé dans ta giberne

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20.01.2011 20:54 CeGrudke ist offline E-Mail an CeGrudke senden Beiträge von CeGrudke suchen Nehmen Sie CeGrudke in Ihre Freundesliste auf
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Wie oft hatte er diese Szene schon erlebt? Germaine konnte es nicht mehr sagen. Das gesammelte Team kurz davor, die Landungsschiffe für den bevorstehenden Start zu bemannen, das Material verpackt, und jedermann bereit für einige Wochen auf engstem Raum miteinander auskommen zu müssen. Er erinnerte sich an viele tausend Stunden Bordzeit, an die Schwerelosigkeit, die Sprünge, die Enge und die winzigen Quartiere. Die kostbaren Stunden auf den Gravdecks der Sprungschiffe, und die zittrige Erwartung, die ein ganzes Landungsschiff befiel, wenn es kurz davor stand, irgendwo anzudocken oder zu landen, was mehr Platz bedeutete.
Eines war gewiss: Ein Landungsschiff war weder etwas für Klaustrophobiker, noch für Misantrophen.
Er erinnerte sich aber auch an lustige Pokerrunden irgendwo auf festgezurrten Containern, weil sie den einzigen Platz an Bord für eine illegale Pokerpartie boten. An die eine oder andere Affäre, die im Rausch, jederzeit entdeckt zu werden, Sex an eigentlich unmöglichen Orten bedeutet hatte. Und er erinnerte sich daran, dass mit zunehmender Bordzeit selbst die Ausgeglicheneren an Bord dazu neigten, irgendwann griffiger zu werden.
Es gab keine Parade beim Einschiffen. Ein kurzes Antreten, man vergewisserte sich, dass das Material verstaut war, und dann wurde an Bord marschiert. Anschließend hob man ab, mit der beruhigenden Gewissheit, zu sechzig Prozent wieder zurückzukehren.

Germaine Danton sah das U, welches die angetretenen Chevaliers bildeten. Über die Hälfte der Männer und Frauen waren ehemalige Husaren und würden es wieder werden; letztendlich hatte ihre Integration funktioniert, ohne zu größeren Problemen zu führen, wenn man mal vom Tode Hollers absah. Es war beinahe Schade, dass dieses Arrangement aufgebrochen werden würde, denn zwischen alten und neuen Chevaliers entwickelte sich eine verlässliche Chemie. Was nicht zuletzt an den fähigen Offizieren der Husaren lag, die Danton übernommen hatte. Männer und Frauen wie Copeland und McAllister, aber auch Unteroffiziere wie Master Sergeant Shepard und Sergeant Major Sharpe, die sich gut mit den Chevaliers-Dienstgraden ergänzten. Überraschend gut ergänzten, wenngleich Germaine noch nicht überzeugt war, dass Sharp Jara bereits im Griff hatte. Oder umgekehrt. Wer von den beiden letztendlich Oberwasser haben würde, stand noch in weiter Ferne.
Sein Blick ging zu Captain Sleijpnirsdottir. War es eine gute Idee gewesen, ihre beiden Stukas und damit auch sie, die Staffelführerin, auf den Leopard zu setzen? Waren Stukas für eine Vorhut tatsächlich gut geeignet? Andererseits würde ihre Feuerkraft gebraucht, wenn Nelissens entgegen aller Erwartungen - und das war das Credo jedes Konflikts - in die Scheiße rutschte. Und ein Luft/Raumjäger, der einen Leopard beschützte, musste nicht zwangsläufig schneller sein. Aber gut bewaffnet und gut gepanzert. So gesehen war es keine dumme Entscheidung. Auch wenn man bedachte, dass die große schlanke Blondine Nelissens von seinem Ärger mit der Situation, in die er von den LAS getrieben worden war, ablenken würde. Germaine hatte ihr ein paar entsprechende Hinweise gegeben, dass sie es bei Nelissens und seinen Leuten um Zivilisten handelte, nicht um Soldaten. Um störrische Zivilisten. Doch die Pilotin hatte nur gelächelt und erwidert, sie würde mit kleinen Jungs gut umgehen können.

Ein ganz anderes Kaliber war die eskalierte Untersuchung zum möglichen Mord an Lieutenant Holler, die den Stützpunkt erschüttert und bisher zwei weitere tote Wayside-Eagles gekostet hatte. Eigentlich war er froh, dass sie Wayside für ein paar Wochen oder gar Monate nicht mehr sehen würden. So sehr er damit zufrieden war, dass ein Bluthund wie Torgeir am Fall dran war - seinen Atem während einer mehrwöchigen Untersuchung ständig im Nacken zu spüren wäre eine sehr unangenehme Erfahrung gewesen.
Dieses Privileg hatte nun Ace, jedenfalls so lange wie er noch auf seiner eigenen Welt bleiben konnte. Bald würden die Novakatzen kommen, loyale draconische Truppen. Sie würden die Eagles ablösen, und diesen Planeten so sicher machen wie vor der Invasion durch die Husaren.
Eine merkwürdige Geschichte, alles in allem. Ace hatte schon angedeutet, das er sich wahrscheinlich vor der Söldnerkontraktkommission verantworten würden müsse, weil er die Husaren offen zum Vertragsbruch aufgefordert hatte. Wenn alles schlecht lief, konnte er auf Jahre von einem Kommando enthoben werden, egal wie immer das aussah. Seine Zentrale auf Towne war ihm dann ebenso verschlossen wie die Büros seiner Eagles in Harlech, Outreach. Dann musste er wirklich eine verdammt lange Zeit den Herzog von Wayside spielen. Ohne die Chance zu haben, seine Frau zu sich zu holen, die als seine Stellvertreterin die Scherben hinter ihm auffegen musste.
Wenn alles besser lief als erwartet, würde er mit einer Geldstrafe, einer sogenannten Kontraktzahlung, davon kommen. Aber was war von einer knallharten Kommission zu erwarten, die sogar ausgerechnet Jaime Wolf schon einmal ohne mit der Wimper zu zucken für ein Jahr von allen Führungspositionen der Wolfs Dragoner entbunden hatte - auf seiner eigenen Welt?
Germaine wünschte dem Mann, den er hier auf Wayside V schätzen gelernt hatte, nur das Beste. Und viel Erfolg bei den Anhörungen.
Ace schien seine Gedanken gehört zu haben. Er stand ebenso wie das Gros der Offiziere bei den wichtigsten Chevaliers, um, wie er es nannte, die Truppe abzunehmen. Nun aber, während die Unteroffiziere die Reihen noch gerade ausrichteten, winkte er beruhigend in Dantons Richtung. Wird schon, wird schon. Diesen Gedanken konnte Germaine wiederum sehr klar in Mikados Gesicht erkennen. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht.
Er besah sich seine Chevaliers. Die Anzahl der Leute, die noch an Verletzungen laborierten, war geschrumpft. Kaum einer trug mehr sichtbaren Verband, Schienen und dergleichen, oder war auf einen Rollstuhl angewiesen. Er hatte auch niemanden in den Rollstuhl befehlen müssen, so wie er es damals bei der Trauerfeier mit Jack getan hatte. Ja, Jack, diese Rossnatur, benahm sich trotz der Verletzungen, trotz des Blutverlusts, als wäre er wieder vollständig genesen. Oder er ignorierte einfach die Bedürfnisse seines Körpers. Da war sich Danton nicht so sicher. Dafür aber wusste er sehr genau, dass die Integration von Stonefield und Steinberger ohne diesen Mann kaum so gut voran geschritten wäre, wie sie tatsächlich geschehen war. Und die Prügelei in der Kneipe hatte auch ihren Teil dazu beigetragen, aus zwei Einheiten, die vor kurzem noch aufeinander geschossen hatten, zumindest Kameraden zu machen.
Germaines Kopf ruckte in Richtung Bramert, der mit hochrotem Gesicht aus der Masse der Mechkrieger hervor stach. So ganz schlau wurde Germaine nicht aus ihm in letzter Zeit. Seit seiner Gefangennahme bei den Husaren hatte der Mann sich verändert. Wenig nur, aber es war auffällig genug. Was war da mit ihm geschehen, bevor sein Verhörmeister unter mysteriösen Umständen gestorben war? Der Bericht über Kikis Angriff und die Art seiner Verletzungen wiesen Diskrepanzen auf. Ein Sadist, der Bramert hatte brechen wollen? Zudem war er über abenteuerliche Wege zu den Husaren gestoßen. War Bramert eventuell vergewaltigt worden, und verschloss sich jetzt, aus Angst, Reue und Scham? Okay, ein abstruser Gedanke, und dann doch wieder nicht, weil der Mechkrieger sich selbst von seinem Freund Teuteburg zurück zog. Germaine beschloss, ihm weitere Sitzungen mit Father O'Hierlihy zu befehlen, und dem Father den Hinweis zu geben, vorsichtig in die Missbrauchsrichtung zu bohren. Nicht, dass Germaine es wissen wollte. Er wollte einfach nur, dass Bramert geholfen wurde.
Chappi war auch so ein Fall. Kam in die Einheit, und ein halbes Jahr später wollte er heiraten. Und Yamada, das Ziel seines Herzens, schien keinesfalls richtig abgeneigt. Bisher war Germaine davon ausgegangen, die Draconierin würde als unsägliche Klette für immer an Miko hängen. Aber was, wenn sie der Liebe nachgab und die Einheit mit Chappi verließ? Nach diesem Einsatz, oder später? war dann sein Clangeschütz, das er auf Bryant für sie eingetauscht hatte, noch wirklich gut angelegt?

Gerade meldete Jara ihre Kompanie bereit, ihr folgten Brenstein und Metellus.
Manche konnten es ihm als Fehlentscheidung auslegen, den jüngsten Offizier der Chevaliers zum Chef einer Kompanie gemacht zu haben - dazu zwei Unteroffiziere, die aber, zugegeben, beide bereits in Bereichen mit großer Verantwortung gearbeitet hatten. Brenstein war in der Tat mal Kompaniechef, und hatte es nie wieder werden wollen. Andererseits hatte er mit Copeland bereits einen Husaren als seinen Stellvertreter bestimmt. Und mit Lt. Colonel McAllister als Chefin des Infanterie-Bataillons und O'Bannon als Chef der Panzerkompanie bedeutete das, dass die Leitung der Teileinheiten, bis auf die Luftstreitkräfte und die Unterstützungstruppen alle in den Händen der Husaren lagen. Er hatte dringend Chevaliers für die Kompanien gebraucht. Und er hatte keine schlechten Leute, die diese Positionen für ihn besetzen konnten. Zwar war Jara holprig gestartet, aber Germaine sah in ihr immer noch großes Potential, sofern man den Unfalltod eines Offiziers holprig starten nennen durfte. Die junge Frau würde ihren Weg gehen. Und Germaine hatte keine Zweifel daran, dass, würde er sie irgendwo auf einer fremden Welt aussetzen, sie mit einer eigenen Mechkompanie zurückkehren würde. Sie hatte das Aussehen, sie hatte die Ausstrahlung. Sie hatte das Können, die Erfahrung - zumindest einen Teil - und sie hatte das Wissen. Dazu kam ihre Besessenheit, ihr Ehrgeiz und ihre Wut, die ihr als Motor diente. Von dem leicht naiven Mädchen, das damals bei den Chevaliers eingetreten war, waren nur noch die Augen übrig. Der Rest war durch und durch Kriegerin geworden. Sie war damals die Rose der Einheit ihres Vaters gewesen. Doch nun war sie die Rose der Chevaliers - und hatte sehr spitze Dornen, an denen ihre Gegner sich immer verletzten.
Was Decius Metellus anging, so fragte sich Germaine ernsthaft, ob die Entscheidung, ihn zu Copelands Stellvertreter zu machen, eine gute war. Seit der schweren Verwundung von Sarah Slibowitz, UND seinem Heiratsantrag an sie bestand die Gefahr, das der ehemalige Master Sergeant nicht ganz bei der Sache sein konnte. Aber welches Recht hatte er selbst, einen Mann in Metellus' Lage zu tadeln, wenn er selbst mit dem Gedanken gespielt hatte, Miko einen Antrag zu machen?
Was Kitty anging, so wurde Germaine aus der Frau einfach nicht schlau. Da hatte sie ihre Erweiterung bekommen, befehligte nun eine Staffel aus vier Hubschraubern, die Augen und Ohren der Chevaliers sein würden, und sie machte sich so rar, als gäbe es sie kaum. Hätte er sie nicht in den Reihen hier vor ihm angetreten gesehen, er hätte durchaus daran zweifeln können, das sie noch in den Reihen der Chevaliers war.
Die Liste ließ sind endlos fortsetzen, mit Juliette Harris, die er zur Majorin befördert hatte, Doktor Fleischer, seinem Chefarzt, Leon, dem Chefkoch, oder eben mit Doreen Simstein, die er erst neulich dabei erwischt hatte, wie sie ihre neuen Beine getuned hatte. Aber das war bei einem Bastelfreak wie Doreen zwangsläufig zu erwarten gewesen. Auf jeden Fall konnte sie die künstlichen Gehhilfen mittlerweile wie normale Gliedmaßen benutzen und war wieder Diensttauglich geschrieben worden. Wovor Germaine Angst hatte, das war die unnormale Benutzung der robotischen Beine, zu der Doreen nun fähig sein dürfte.

Die Unteroffiziere meldeten den Offizieren. Diese meldeten Shepard. Der wiederum meldete Harrison Copeland. Dieser nahm die Meldung entgegen, wandte sich um hundertachtzig Grad und salutierte vor Danton, dem Herzog und dessen Offizieren. "Colonel, ich melde das Regiment abmarschbereit."
Germaine nahm den Gruß entgegen. "Mylord, Abmarschbereitschaft wurde hergestellt."
Mikado vollbrachte das Kunststück zu salutieren und zu nicken. "Na dann hauen Sie ab, Colonel Danton. Und viel Glück auf der Jagd."
"Jawohl, Sir. Colonel Copeland, wir marschieren ab!"
"Ja, Sir! Regiment in MARSCHgruppen AUFteilen!"
Der Befehl wurde von den niederrangigen Offizieren und den Unteroffizieren aufgenommen. Die Menge der Chevaliers geriet in Bewegung und sammelte sich schließlich in vier gleich großen und einer kleinen Marschkolonne von nicht einmal vierzig Leuten, die aber alleine durch die Konzentration der Elementare auffielen. Jede dieser Marschkolonnen würde zu einem der Landungsschiffe marschieren, einsteigen und mit dem Schiff abfliegen. Und damit in das unbekannte Abenteuer schwingen, das vor ihnen lag. Danton machte sich klar, dass er über all den Trubel mit den Husaren die Auswertung der Arbeiten von Captain Brenstein und Captain Fokker noch gar nicht eingesehen hatte. Aber dafür würde auf dem Flug sehr viel Zeit bleiben. Sehr, sehr, sehr viel Zeit. Und dann hatten sie eventuell eine Ahnung, was sie erwartete.
Mit den alten Chevaliers hätte es Danton jederzeit auch mit einer größeren Einheit aufgenommen, solange das Gelände zu seinen Gunsten war; er hatte bewiesen, dass die Chevaliers schmerzhaft austeilen konnten. Jetzt hatte er ein Regiment, zugegeben, mit den meisten seiner fähigen Chevaliers in ihren Reihen. Zudem waren die Husaren durch die Bank gute Soldaten. Aber ob die Mischung dann letztendlich das hielt, was diverse Simulationen versprochen hatten, würde die Zeit zeigen.

Während die Marschreihen auf die Lander zuströmten, wandte sich Danton noch einmal den Männern des Herzogs zu. Er schüttelte Imara die Hand. "Keine Rebellion, während ich weg bin, Aaron."
"Ich bitte dich, Germaine. Ich beiße nie die Hand, die mich füttert."
Er grinste und trat an Chadrik Benton heran. "Pass bloß auf deinen Boss auf."
"Dann muss ich meine Kompanie abgeben", erwiderte der Infanterist grinsend. "Auf Ace aufpassen ist ein Fulltime-Job. Deshalb hat er wohl auch unsere beste Mechkriegerin geheiratet."
Germaine schmunzelte und schüttelte Klein die Hand. "Harry, gute Besserung."
"Mach dir keine Sorgen um dein Stückchen staubiger Erde. Ich werde gut drauf aufpassen. Diesmal ja."
Danton klopfte dem Mann auf die Schulter und trat an Virgil Stannic heran. "Und, freust du dich schon darauf, dein Bataillon zu übernehmen?"
"Ich freue mich darauf, endlich wieder in meinen Mech gelassen zu werden. Du weißt wie das ist." Er zog die Augenbrauen hoch. "Kopf hoch, Germaine. Sobald du wieder in einen Mech gelassen wirst, kannst du einen akquirieren. Du bist der Boss von diesem Haufen."
"Auch wieder wahr", brummte Germaine. Aber wirklich trösten konnte ihn das nicht.
Er trat zu Parkensen. "Grüßen Sie bitte jeden aus Ihrem persönlichen Stab von mir, Elden. Sie haben durch die Bank sehr fähige Leute."
"Dann habe ich Hoffnung, dass Sie eines Tages hier sesshaft werden, Germaine, und nicht so ein Herumtreiber wie mein Herzog sein werden."
Danton lachte, was ihm und Parkensen einen bösen, aber nicht ernst gemeinten Blick von Mikado eintrug.
Ihm gab er zuletzt die Hand. "Ace, ich wünsche dir, dass du deine Familie bald wiedersiehst."
"Und ich wünsche dir, dass du eine gründest. Du hast da doch eine gute Kandidatin in Aussicht, oder?"
"Du vergisst, wo sie herkommt", wiegelte Germaine ab.
"Du vergisst, wo sie hingeht, alter Junge", raunte Mikado und klopfte ihm auf die Schulter. "Also auf in die Schlacht, mein Graf. Mach den Pardern die Hölle heiß und grüß sie von den Angry Eagles. Ich erwarte einen Sieg, wenn du zurückkehrst."
"Ich schicke dir die Nachricht vom Wayside-B-HPG hinterher, wenn ich die Parder gehäutet habe", versprach Germaine.
Dann wandte er sich um, auf seinen Stock gestützt, und humpelte mehr aus Gewohnheit ein paar Meter.
Ein Jeep hielt mit quietschenden Reifen vor ihm. Am Steuer war Jan Jensen. Der Mann grinste wie ein Honigkuchenpfern. Auf dem Beifahrersitz saß Loren Cole und grinste nicht weniger breit. "Eine Spezialkonstruktion für den Grafen von Dantonville", verkündete er und deutete auf die Rückbank.
"Extrakissen? So weit ist es noch nicht mit mir", tadelte Danton.
"Nicht das, sondern das daneben!"
Germaine sah genauer hin und erkannte einen Gewehrhalter. Einen umgebauten Gewehrhalter, nun gerade hoch genug, um seinen Krückstock aufzunehmen. "Sehr witzig. Ein Krückstockhalter." Seufzend erklomm Germaine den Jeep, setzte sich auf die Rückbank und versenkte den Stock in der Halterung. Es passte wie angegossen.
"Doreen hat den Krückstock mit einem Laser vermessen, um exakt arbeiten zu können", verriet Jensen grinsend.
"Und für so einen Quatsch hat sie Zeit", erwiderte Danton brummig. "Also los, fahren Sie schon, Sergeant. Da warten ein paar Parder darauf, in den Arsch getreten zu werden."
"Zu Befehl, Sir!", rief Jensen grimmig und trat das Gaspedal durch. Der Wagen machte einen Satz nach vorne. Instinktiv griff Danton zum Griff seines Krückstocks und bereute die Geste sofort wieder. Nur nicht an das Ding gewöhnen. Irgendwann würde er ohne das Ding laufen. Irgendwann würde er wieder in einem Mechcockpit sitzen. Er hatte es schon mal geschafft und würde es wieder schaffen. Und wieder. Und wieder. Und wieder.
"Wer hier wem in den Arsch tritt wird sich noch zeigen, Germaine", sagte Cole ernst. "Aber immerhin, ich habe auf dich und die Chevaliers gewettet."
"Das beruhigt mich jetzt ungemein", erwiderte Danton. Wenn ein Lyraner bereit war Geld zu setzen, musste er sich seiner Sache sehr sicher sein. Konnte man das als Omen nehmen? Sicher nicht, aber es beruhigte.
"Also auf mit uns ins kalte All!", rief Cole lachend. Dann begann er, die alte Schmonzette mit dem Regiment und dem Zuhause anzustimmen, und Danton legte die Rechte an die Stirn. "Jan."
"Sir?" "Das ist jetzt ein dienstlicher Befehl. Sollte ich jemals Befehl geben, dass Truppen unter meinem Kommando "Das Regiment ist mein Zuhause" singen sollen, erschießen Sie mich auf der Stelle." "Sir?", rief Jensen verwundert und verriss dabei das Steuer ein wenig.
"Ach, Germaine. Hab dich nicht so. Die Gray Death Legion hat das Lied auch gesungen."
"Wir sind aber nicht die Gray Death Legion", erwiderte Germaine grinsend. "Und das ist auch gut so."

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Thorsten Kerensky
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Wayside V („Wildkatz“)
Landungsschiff DORNKAAT
31. August 3066, 16:30 Uhr

Doppelkabinen. Welch ein Luxus.
Dawn empfand für einen Moment Mitleid mit den Chevaliers, die es auf den anderen Landungsschiffen deutlich unbequemer hatten als die neunzehn Männer und Frauen, die auf der DORNKAAT eingeschifft hatten.
Der Flug würde dennoch zu einer Belastung werden. Drei Wochen eingesperrt in einen fliegenden Stahlkasten, die meiste Zeit ohne Schwerkraft und immer mit den gleichen Menschen. Das zehrte an den Nerven.
Und sie würde Susan vermissen. Ihre Tochter, die sich in der Obhut von Markus zurücklassen musste. Auch wenn sie einsah, dass die Front nicht der ideale Platz für ein Kind war und dass sie auf Wayside deutlich sicherer lebte, war ihr der Abschied nicht leicht gefallen. Sie würden Monate getrennt sein. Monate, in denen so viel in Susans Leben passierte.
Sie seufzte, schob den trübsinnigen Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder darauf, ihre persönliche Habe so zu verstauen, dass sie auch bei Null-G nicht unkontrolliert in der Kabine herum schweben würde. Ab einem gewissen Punkt im Leben eines Söldners wurde das zu einer Routine-Handlung.
Hinter ihrem Rücken seufzte Haruka Yamada, ihre Zimmergenossin für die Reise, ebenfalls.
„Und was beschäftigt dich, Katana?“
„Nichts“, versuchte sie abzuwiegeln, aber ihre Stimme war voll von unterdrückten Emotionen.
„Nichts?“, echote Dawn. „Na los, spuck’s aus, wir sind unter uns.“
„Es ist nur…“ Die Draconierin schien nicht recht zu wissen, was sie sagen sollte.
„Dein Freund?“, tippte Dawn.
„Ja. Wir hatten den Antrag gestellt, zusammen auf ein Landungsschiff zu kommen.“
„Und der Colonel hat abgelehnt?“
„Der Colonel? Nein. Der Captain hat abgelehnt. Sie meinte, mein Platz sei bei meiner Kompanie.“
Dawn rollte mit den Augen und war froh, dass Yamada ihr Gesicht nicht sehen konnte. Das konnte ja ein spaßiger Trip werden mit einer liebeskranken Japanerin.
„Und hat sie damit nicht Recht?“
„Ja, vielleicht. Aber das macht die Trennung von Chappi nicht einfacher.“
„Wem erzählst du das? Aber du siehst ihn ja in drei Wochen schon wieder. Und vielleicht zwischendurch auf dem Grav-Deck. Ich sehe Susan erst, wenn wir wieder auf Wayside landen.“
„Dafür hast du deine Jara hier.“
Für einen Moment herrschte Stille und dann begann die Japanerin, die den letzten Satz so definitiv nicht sagen wollte, in hektischer Betriebsamkeit, ihre Sachen zu verstauen.
Dawn atmete tief durch. „Was willst du damit sagen?“
„Gar nichts. Vergiss es einfach.“
„Vergessen? Nein, sicher nicht. Jetzt bin ich neugierig.“
Yamada seufzte. Und schwieg. Und seufzte erneut.
„Na gut“, gab sie nach, „aber das ist jetzt nicht meine Meinung oder so. Es gibt Gerüchte. Weil Jara so oft in deinem Quartier übernachtet hat. Vor allem die Husaren zerreißen sich den Mund.“
„Gerüchte?“, hakte Dawn nach, obwohl sie genau wusste, was die Kameradin meinte.
„Dass ihr ein Paar wärt und so… die ausgelobte Belohnung für ein Kuss-Foto steigt jeden Tag.“
Dawn schüttelte den Kopf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie wusste bis heute noch nicht, wie sie den One-Night-Stand mit Jara bewerten sollte und das Thema hatten sie auch seit Wochen nicht mehr angesprochen. Diese verdammte Gerüchteküche in diesen verdammten Söldnereinheiten.
„Na schöne Scheiße“, grummelte sie schließlich.
Die Draconierin unterbrach ihre Arbeit und drehte sich zu Dawn um. „Wirst du es ihr sagen?“
„Was?“
„Wirst du Jara erzählen, was ich dir gerade gesagt habe?“
Nach kurzem Überlegen unterbrach auch die rothaarige Mechkriegerin das Einräumen ihrer Habe und warf Yamada einen langen Blick zu. „Nein“, entschied sie. „Erstens ist Jara intelligent genug, um zu wissen, wie schnell Gerede entsteht. Und zweitens wird sie dann versuchen, die Gerüchteküche trockenzulegen. Und das heißt bei ihr, dass die Freizeit gestrichen wird und es Extra-Training gibt. Ganz nach dem Motto: Wer tratschen kann, hat auch noch Luft für Sport übrig.“
Yamada musste gegen ihren Willen grinsen. „Das klingt ganz nach unserem Captain.“
„Und vermutlich würde es die Husaren umbringen“, ergänzte Dawn.
„Was würde die Husaren umbringen?“ Die Köpfe der beiden Frauen flogen herum, als Sergeant Major Sharpe seinen Kopf zur Kabinentür hereinsteckte.
Sofort nahmen sie Haltung an. „Nichts, Sarge“, beeilte Dawn sich zu sagen.
„Das wollen wir doch hoffen.“ Seinem Blick zufolge hatten die beiden weiblichen Unteroffiziere sich gerade eine mentale gelbe Karte eingefangen, aber er ging nicht weiter auf das Thema ein. „Abflug in zehn Minuten, seht zu, dass Ihr fertig werdet!“
„Jawohl!“, antworteten beide unisono und widmeten sich schlagartig wieder mit Übereifer ihren Klamotten.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ließ Miles Sharpe die beiden Damen wieder alleine und klapperte die nächsten Kabinen ab, um die Soldaten und Soldatinnen auf den bevorstehenden Abflug mit Andruckerhöhung hinzuweisen.
Er war sich nicht wirklich sicher, ob das Unteroffizierscorps der zwoten Kompanie geeignet war, seiner ehrgeizigen Vorgesetzten ihre Grenzen aufzuzeigen. Da würde dann wohl wieder alles an ihm hängenbleiben.
Nachdem er auch die letzten Soldaten informiert hatte, machte er sich auf den Weg zu seiner Kabine. Einzelunterkunft. Ein Luxus, der nicht nur für die beiden weiblichen Offiziere, sondern auch für ihn herausgesprungen war. Einzelunterkunft hieß hierbei in allen drei Fällen, dass ein Bett in der Doppelkabine nicht belegt war. Alle drei hatten sie vor, nach dem Abflug die freien zwei Quadratmeter als provisorische Büros zu verwenden.
Zum Glück brauchten sie während eines Einsatzes, fernab von blauen Durchschlagsformularen, nicht viel Papierkram zu erledigen. Sharpe hasste Papierkram und er hatte sowohl Captain Fokker, wie auch Lieutenant Colonel McAllister angesehen, dass es ihnen ähnlich ging.
Seine Kabine war, natürlich, vorbildlich eingeräumt. Alles war fest und sicher verstaut und dank des freien Spindes hatte er sogar seinen geliebten Dudelsack in seiner Nähe behalten können und nicht im Laderaum verstauen müssen.
Er legte sich auf seine Pritsche und wartete auf den Start. Währenddessen ging er noch einmal durch, was er mit Fokker besprochen hatte.
Sie hatte die Kompanie während des Fluges schleifen wollen. „Bloß keine Langeweile aufkommen lassen“, hatte sie argumentiert und ihm einen Dienstplan vorgelegt, bei dem ihm fast schwindlig geworden war.
Es hatte ihn viel Mühe gekostet, den Umfang der Ausbildung abzuschwächen und im Gegenzug hatte er Alternativvorschläge zur Zeitnutzung unterbreiten müssen.
Nun war angedacht, gemeinsam eine Abwandlung des Chevalier-Tarnschemas zu entwickeln und auf die Maschinen der Kompanie aufzubringen. Außerdem sollten gemeinsame Freizeit- und Gesellschaftsabende die Zeit vertreiben, die Kompanie zusammenschweißen und Fokker und ihm ermöglichen, die Soldaten und Soldatinnen von einer ganz anderen Seite kennenzulernen.
Sie würden ihn dafür nicht lieben, aber wenigstens hatte er es geschafft, die Härte des Drills für die nächsten drei Wochen von „unmenschlich“ auf „hart, aber fair“ zu senken. Und das ohne einen Streit mit seiner Vorgesetzten zu provozieren.
Er verbuchte das als ersten Teilerfolg und machte sich eine geistige Notiz, in Zukunft weiter auf diese Art auf den Captain einzuwirken.

Als das Abflugsignal glockenhell durch die DORNKAAT tönte und die mächtigen Triebwerke dröhnend und wummernd zum Leben erwachten, atmete Jara tief durch und lehnte sich zurück.
Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Beschleunigung merkte. Erst war es nur ein kleines Drücken, dann, mit steigender Geschwindigkeit des Landungsschiffes, presste der Druck sie in die Matratze und fixierte sie auf ihrer Liege.
Mit jeder Sekunde fiel Wayside V tiefer unter ihr zurück und vor ihrem inneren Auge sah sie den Planeten kleiner und kleiner werden.
Es waren interessante Zeiten dort gewesen. Angekommen war sie als Lanzenführerin in der Überzeugung, nur einen kurzen Zwischenstopp einzulegen, ehe die Chevaliers auf die Jagd gehen würden.
Aber alles war anders gekommen. Die brutalen Kämpfe um den Raumhafen hatten sie vor eine Prüfung gestellt, die ihr viel abverlangt hatte. Die lange Ungewissheit um Eric Stein, der erst vor wenigen Tagen aus dem Koma erwacht war und nun einem langen Regenerationsprozess mit ungewissem Ausgang entgegensah hatte an ihr genagt und trotzdem hatte sie ihre Offiziersprüfung abgelegt.
Mit zwanzig Jahren hatte Germaine sie zur jüngsten Kompaniechefin der Chevaliers ernannt. Ob sie diesem Posten gerecht wurde, würde sich schon bald zeigen.
Bislang hatte es ihr nur Probleme gebracht. Ihr Verhältnis zum Herren aller Chevaliers hatte sich merklich eingetrübt, die Anzahl ihrer Neider war sicher nicht geschrumpft und sie hatte auch das letzte Bisschen Freizeit opfern müssen, um ihre neue Rolle zu füllen.
Und wofür? Germaine hatte ihre Warnungen und Ratschläge ignoriert und ihr am Ende nicht einmal mehr richtig zugehört. Er hatte ihr Verantwortung gegeben, wollte nun aber die Konsequenzen nicht tragen.
Und schließlich hatte die Sache mit Holler irgendwie alles verändert. Sein Tod war nicht ihre Schuld. Das zumindest hatten ihr alle gesagt. Aber er lag in ihrer Verantwortung und sie fragte sich bis heute, was sie falsch gemacht hatte.
Nein, bisher war es nicht gut für sie gelaufen als Kompaniechefin. Und nun blockierte ihr neuer Stellvertreter ihren Versuch, in drei Wochen mit einer schlagkräftigen und gut ausgebildeten Truppe aus dem Landungsschiff zu steigen.
War sie zu ehrgeizig? War sie zu unnachgiebig und stur? Hatten die alternden Herren in ihrer Selbstherrlichkeit am Ende Recht?
Oder musste sie ihr junges Alter ausbaden?
Vermutlich wäre ein älterer Offizier eher in der Lage gewesen, sich durchzusetzen. Nicht gegen die Untergebenen, sondern gegen die Vorgesetzten.
Sie hatte diese Beförderung ja selber nicht gewollt. Aber sie hatte einmal gesagt: „Ich kämpfe dort, wo ich hingestellt werde.“
In blanker Ironie hatte sie diese Worte auf Wayside mit einem Akt der Befehlsverweigerung konterkariert.
Ihr Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Grimasse. Das Leben, vor allem das Leben als Soldat, war nicht fair. Aber sie würde das Beste daraus machen.
Germaine hatte sie befördert. Niemand hatte ihm widersprochen. Und nun würde sie eben allen zeigen müssen, dass sie den Job beherrschte. In diesem Moment schwor Jara sich, es allen zu zeigen. Durch Leistung. Durch Beharrlichkeit. Dadurch, dass sie ihre Rolle als Captain auch durch deutliche Kritik an den Missständen behauptete.
Und vor allem dadurch, dass sie möglichst alle ihrer Anvertrauten wieder lebendig und gesund nach Hause brachte.
Beim letzten Punkt hielt sie kurz inne. Die Bilder ihrer Soldaten und Soldatinnen zogen an ihrem inneren Auge vorbei.
Es ging in den Kampf. Und zwar in einen richtigen, bösartigen Kampf und es würden Menschen sterben. Wen würde es erwischen? Yamada? Sharpe? Sie? Dawn?
Ihr schauderte. Sie wusste genau, sie würde sich keinen einzigen Toten verzeihen können. Sie hatte Svobodas Tod nicht vergessen und auch Steins Beinahe-Ableben nicht.
Aber so war das Leben als Söldner. Sie musste nach vorne schauen.
Gegen die Parder würde sie ihre Familie, ihr Rudel verteidigen, wie eine Wölfin ihre Jungen verteidigte.
Jara gefiel der Vergleich und ein entschlossenes Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht.

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Tukkayjid als entvölkertes, verbranntes Schlachtfeld hatte seine Vorteile und hatte seine Nachteile. Vorteil Nummer eins war natürlich, dass sich niemand wirklich darum scherte, wie viel Umweltschäden bei den Manövern der ComGuards angerichtet wurden - es gab keine nennenswerte Vegetation, und es gab keine Zivilbevölkerung, die durch die Umweltschäden beeinträchtigt werden würde. Vorteil Nummer zwei war die Tatsache, dass die Soldaten ihren sauer verdienten Sold hauptsächlich mit subventionierten Gütern durchbringen konnten. Das war gleichzeitig Nachteil Nummer eins, denn das schränkte die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Waren doch sehr ein. Ein gewitzter Akoluth hatte Dienst auf Tukkayjid mal mit dem Dienst auf einem Fernerkunder ComStars verglichen. Solange wie du unterwegs bist, kannst du nur von dem leben, was du selbst mitgebracht hast, was der Shop verkauft, oder was an Schmuggelware erhältlich ist. An Bord eines Raumschiffs war natürlich nur ein endlicher Platz, und Tukkayjid war ein Planet. Dennoch flossen Konsumgüter, Luxusartikel und illegale Artikel nicht in dem Maße, in dem sie eine regulär besiedelte Welt erreicht hätten, denn das kaufende Publikum war eben auch endlich. Nicht, dass sich Manfred Scharnhorst irgend etwas aus illegalen Waren gemacht hätte. Solange Zigarren und Schnaps nicht illegal waren, fühlte er sich für seinen Teil versorgt. Aber hauptsächlich SBVS-Leute, ComGuards und andere Söldner um sich zu haben, keine Händler, keine Zivilisten, eigentlich niemanden der nicht ausgebildet worden war um zu töten - und solange ComStar keine Neuansiedlung von Zivilisten duldete, da diese Welt bei einem Vertragsbruch der Clans als Erste angegriffen werden würde - machte doch irgendwie ein wenig einsam und stumpf. Selbst die Massenforts der Inneren Sphäre, die Garnison der Triade, das Zentrum der Davion Guards auf New Avalon, die endlosen Kasernenanlagen der Ryuken-Regimenter, waren nicht mit einem durchmilitarisierten Planeten zu vergleichen.

Um es mal anders auszudrücken: Es war verdammt noch mal nichts los, außer dem, was sich die Soldaten selbst organisierten. So war es natürlich zu der Situation gekommen, die Manfred Scharnhorst insgeheim von der ersten Sekunde an befürchtet hatte, seit er mit Dantons Höllenhunden auf diese Welt gekommen war: Natürlich hatte die Panzereinheit und Battaglini nichts eiligeres zu tun gehabt, als ein illegales Casino zu errichten, die hervorragende Küche der Chevaliers für ihre Zwecke einzuspannen und ein noch illegaleres Feinschmeckerlokal einzurichten, und letztendlich einen Komplex aufzubauen, in dem sich Soldaten beiderlei Geschlechter zwanglos begegnen konnten. Scharnhorst nannte es das Kuppelhaus.
Er war nicht eingeschritten, hatte dieses Verhalten der Panzerleute nicht verboten, und Captain Lane hatte die Entscheidung mitgetragen. Solange keine Prostitution, kein Schmuggel und keine illegalen Drogen im Spiel waren, hatten die Offiziere entschieden, würden sie Battaglini und seine großen Kinder gewähren lassen. Aber Manfred hatte von Anfang an gewusst, dass irgend etwas Großes passieren würde. Entweder würden sie als die schnell verlegbare Feuerwehreinheit, die sie waren, auf eine der Frontwelten Rasalhaags verlegt werden - dann hatten diese Aktivitäten ohnehin ein Ende - oder einem höherrangigen Offizier einer befreundeten Einheit würde auf die Füße getreten werden. So heftig, dass er es nicht ignorieren konnte. Dann würde er den Aktivitäten ein Ende machen müssen. Dass der Ärger aber letztendlich aus einer völlig anderen Richtung kommen würde, damit hätte er nicht gerechnet. Aber er hätte es ahnen müssen, als Cindy entgegen ihrer Art als Sonnenschein der Einheit mit gerunzelter Stirn eintrat, in der Hand einen Ausdruck. Das war so ziemlich das schlechteste Zeichen, das es geben konnte.
***
Manfred Scharnhorst sah ins Rund der Offiziere und Techs. Er sah zu Kommandanthauptmann Claas herüber, den sie von den Kell Hounds für die Luft/Raumjäger hatten ausgeliehen bekommen, danach zu Lieutenant Bishop, dem Chef der Pioniere. Von dort wanderte sein Blick zu Cindy, seiner Sekretärin und Stabschefin. Dann war Captain Lane an der Reihe, der Chef der Infanterie. Schließlich, nachdem er Stabsarzt Malossi und Seniortech al Yindi tangiert hatte, ging sein Blick zu Captain Battaglini, der unter den zwingenden Augen Scharnhorsts sichtlich schluckte.
"Meine Damen und Herren, es scheint, wir haben ein Problem. Genauer gesagt die Einheit hat ein Problem. Und zwar eines, das wir so nicht erwartet haben." Wieder ging sein Blick taxierend in die Runde. "Die Chevaliers sind während ihrer Ruhepause auf Wayside V in einen Konflikt geraten. Genauer gesagt haben Söldner versucht, den Planeten zu erobern. Und Lieutenant Colonel Danton hat sich auf die Seite der Verteidiger gestellt." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Wie zu erwarten gewesen war." Leises, zustimmendes Gelächter klang auf.
"Fakt ist, dass die Dantons Chevaliers dabei ordentlich durchgerüttelt wurden."
Battaglini, froh, nicht das Zentrum dieses Treffens zu sein, hob eine Hand. "Heißt das, wir packen und fliegen zu ihrer Unterstützung in die Peripherie?"
"Nein, das heißt es nicht. Denn die Chevaliers sind mittlerweile auf Regimentsgröße gewachsen, Captain."
"Was hat er gemacht?", fragte Lane durch die allgegenwärtigen Laute des Unglaubens, "den Planeten selbst erobert?"
"Etwas in der Art, Andrew. Wie es aussieht, hat der Herrscher von Wayside V den Angreifern angeboten, ihre Kontrakte aufzukaufen. Nachdem diese von ihren eigentlichen Auftraggebern fallen gelassen wurden, willigten diese ein. Ein Großteil der noch kampffähigen Truppen wurde dann in die Chevaliers integriert, um sie bei ihrer Parderjagd zu unterstützen. Das bedeutet, das Lieutenant Colonel Danton nun den Rang eines Voll-Colonels angenommen, ein Mech-Bataillon hat, ein Infanterie-Bataillon, eine Panzer-Kompanie, eine volle Staffel Luft/Raum-Jäger, einiges an Spezialeinheiten und eine erweiterte Hubschrauberstaffel. Zwar nur temporär, aber die Chevaliers werden für einige Zeit ein Regiment sein."
"Ha!", klang die Stimme al Yindis auf. "Damit kann Danton die Hanse erobern, wenn er will."
"Das ist aber noch nicht das Problem in der Geschichte", sagte Scharnhorst, und erhob sich. Nervös marschierte er im Zimmer auf und ab. "Gentlemen, ab sofort heißt es nicht nur Colonel Germaine Danton, sondern Colonel Graf Germaine Danton."
Ungläubige Rufe erfüllten die Luft. Nur Cindy, als Überbringerin dieser Nachricht, war die Ruhe selbst.
"Doch, doch, richtig gehört, Herrschaften. Die Dienste der Chevaliers bei der Abwehr der Invasion waren Herzog Mikado ein Lehen und einen Adelstitel wert. Ein Lehen übrigens, auf dem alle Chevaliers Wohnrecht haben werden. Das schließt uns Höllenhunde ein. Und ich habe mir sagen lassen, dass Wayside V entgegen der Gerüchte eine recht warme und wohnliche Welt ist, sobald genügend Vegetation angepflanzt wurde. Man kann da recht gut leben, und durch den Handel ist der Planet auch eine Boomtown, die noch sehr viel mehr wachsen wird."
"Was kommt als Nächstes? Werden Sie zum Ritter geschlagen, Sir?", spöttelte Battaglini.
"Das ist durchaus im Bereich des Möglichen", erwiderte Scharnhorst mit dünnem Grinsen. "Aber unser Ärger setzt genau hier ein. Defacto ist unser Dienstherr jetzt ein draconischer Adliger, was uns zu seiner Haustruppe macht. Darüber habe ich unsere direkte Vorgesetzte auf dieser schönen Welt, Demi-Präzentorin Hallas, informiert. Daraufhin wurde ich darüber informiert, dass wir dadurch einige Kontraktschwierigkeiten bekommen könnten. Unser Hauptkontrakt ist mit Rasalhaag, nicht mit ComStar, das uns eigentlich angeworben hat. Und eine draconische Hauseinheit, die von Rasalhaag an ComStar quasi verliehen wurde, macht die Bürokraten mehr als verrückt."
"In welche Richtung führt das, Major?", fragte Malossi neugierig.
"Das heißt, das ich gebeten wurde, für die Dauer des Kontrakts die Höllenhunde aus den Chevaliers auszulösen, um bürokratische Entwicklungen und Missverständnisse im Allgemeinen zu vermeiden.
Dazu würde ich jetzt gerne Ihre Meinungen hören. Die Alternative wäre, den Kontrakt aufzulösen und den Chevaliers nachzufliegen. Nachdem wir die Kontraktstrafe bezahlt haben, und entgegen unseres Auftrags kein Geld verdient, sondern vernichtet haben."
Cindy stocherte mit einem Kugelschreiber auf einem altmodischen Schreibblock. "Um genau zu sein ist es egal, ob wir zurück nach Arc Royal oder in die Peripherie raus fliegen. ComStar verlangt reguläre Entschädigungszahlungen, und das bedeutet für uns nach einem Sechstel der erfüllten Garnisonszeit exakt einhunderttausend C-Noten an Miesen, Transportkosten an einen unserer Wahl eingerechnet und aufgerundet."
"Sie wollen also keine draconische Einheit hier haben?", fragte Battaglini etwas ungläubig.
"Es geht weniger um das Label "draconische Einheit", als darum, dass Rasalhaag eine "draconische Einheit" angeworben und an ComStar überstellt hat. Prinz Hakon ist seit der Entführung seines Sohnes Ragnar durch die Clans unter Beschuss und hat einen schweren Stand, den er nur behaupten konnte, weil das Kombinat das restliche Rasalhaag nicht einfach auffrisst und ihm seinen Stand als Fürst eines Nachfolgestaats nicht abspricht. Der Rest Legitimität kommt von ComStar, das Rasalhaag als Aufmarschgebiet gegen die Clans braucht. Wenn jetzt in diesen Reihen draconische Haustruppen auftauchen, stürzt das eventuell die ganze Region in ein Chaos. Falls dumme Menschen davon erfahren und dumme Dinge tun."
"Also wird es garantiert Chaos geben", seufzte Battaglini, der nicht eine Sekunde daran zweifelte, dass dumme Menschen davon erfahren würden.
"Die zusätzlichen Kosten sind jedenfalls nicht akzeptabel", warf Lane ein. "Das entspricht nicht unserem Auftrag, und erst Recht widerspricht es meinem Ehrempfinden, einen Kontrakt unerfüllt zurückzulassen."
Al Yindi nickte zustimmend. "Außerdem werde ich in dem Fall nach Arc Royal zurückkehren, was eine Lücke in die Höllenhunde reißt, wenn sie in die Peripherie aufbrechen sollte."
Scharnhorst nickte verstehend. "Ich höre Ihre Worte, Herrschaften. Und ich schließe daraus, das wir alle damit einverstanden sind, aus tiefer Loyalität unserem Kommandeur gegenüber, für die Dauer des Kontrakts die Chevaliers zu verlassen."
Wieder brannte leises Raunen auf. Aber schließlich nickten die Offiziere. "Temporär", mahnte Malossi. "Nur temporär."
"Natürlich", sagte Scharnhorst erleichtert. Sie würden also nicht mit zusätzlichen Schulden zurückgekrochen kommen.
***
"Und deshalb", klang Manfreds Stimme vom Bildschirm auf, "bitte ich Euch, Graf Danton, die Höllenhunde aus den Chevaliers ehrenhaft zu entlassen, und nach dem Ende der Kontraktzeit wieder einzustellen. Die Höllenhunde verzichten vollständig und geschlossen auf alle Kontraktauszahlungen, die uns bei Vertragsende zustehen, erwarten allerdings, mit vollen Privilegien und erarbeiteten Rechten wieder in Dienst gestellt zu werden.
Ich weiß, du erkennst mein Dilemma, unser Dilemma. Und ich weiß, du wirst dich zum Besten der Chevaliers entscheiden, Germaine."
Danton beendete die Aufzeichung und faltete die Hände vor dem Gesicht zusammen. Dann straffte er sich. "July, wir entsprechen seinem Ersuchen. Die Höllenhunde sind ab sofort ehemalige Chevaliers." Diese Worten hingen im Raum, in all ihrer erschreckenden Klarheit. Ein Jahr konnte eine lange Zeit werden. Eine sehr lange Zeit.

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04.02.2011 16:26 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Wayside V („Wildkatz“)
Landungsschiff DEVON’S PRIDE
31. August 3066, 16:18 Uhr


Ich komme mir wie bei meinem ersten Raumflug vor. Matias saß auf seinem Pilotensitz und ging gerade die auf seinem Schoß liegende Checkliste für den Start durch. Zumindest versuchte er es, denn durch sein wippendes Bein gelang es ihm nicht wirklich.
Er konnte nicht genau sagen woher seine Nervosität herrührte. Von der Vorfreude, endlich wieder ins All fliegen zu können? Eher nicht, dazu hatte Nelissens genügend Routine aufgebaut, um sich bei den Vorbereitungen nicht stören zu lassen. War es die Tatsache, dass er für Militärs arbeitete, obwohl er sich selbst geschworen hatte das nie zu tun? Matias klemmte den Bleistift an das Brett und dachte kurz nach.
Nein, es ist diese verdammte Ungewissheit. Ja, das ist es, diese verdammte Ungewissheit, was uns da draußen erwartet. Immerhin ist das kein Null-acht-fünfzehn-Transportauftrag.
Das Eingeständnis darüber sorgte weder für Erkenntnis bei dem jungen Lyraner, noch löste es seine Nervosität. Er würde die Söldner in die Peripherie transportieren, wo sie Clanner jagen wollten. Und Matias und seine Mannschaft würden mitten in die Kämpfe geraten, wenn etwas schief ging.
Für einen Rückzieher war es zu spät, dessen war sich Nelissens im Klaren. Und er war auch nicht der Typ, der sich vor anderen eine Blöße geben wollte, schon gar nicht vor diesem Danton.
Hoffentlich ist dieser Danton wirklich so gut, wie er angibt. Falls nicht, darf die Devon’s Pride die Suppe auslöffeln, die dieser Schnösel uns eingebrockt hat.
Matias versuchte sich zu beruhigen. Er hatte ja in der gestrigen Simulation gesehen, dass dieser Captain Brennstein zumindest die Sicherung der Landungsschiffe nicht vergessen hatte und Nelissens Landungsschiff heil davongekommen war. Den ganzen Rest dieses Kriegsspiels – etwas anderes war es für Matias auch nicht gewesen – hatte er sich mit den anderen Söldnern und Raumfahrern an einem Holovid-Projektor angesehen, wobei Matias wohl ein paar Fragen zu viel gestellt hatte, wenn er die Mienen der anderen richtig gedeutet hatte. Doch Matias hatte das herzlich wenig interessiert.
Er schaute wieder hinab auf die Checkliste für den Start, die er noch abzuarbeiten hatte.
Triebwerke, eingeschaltet und auf Standby. Check.
Steuerung… „Enrico, was sagen die Kontrollen?“, wandte sich Matias an seinen Piloten.
„Steuerung… funktioniert.“, antwortete Enrico Davids.
Steuerung. Check. Und so ging Matias die Liste Stück für Stück durch.

Nach einer kurzen Weile meldete sich sein erster Offizier Tim Vries über Funk.
„Vries hier. Skipper, unsere Passagiere sind mittlerweile alle eingetrudelt. Wird noch ein paar Minuten dauern, bis sie sich einquartiert haben.“
„Sehr gut. Geh alle Sektionen noch einmal kurz durch und gib mir eine Rückmeldung, wenn alles in Ordnung ist. Und sag den Söldnern, sie sollen sich auch hübsch anschnallen, ich übernehme keine Haftung, falls sich von denen einer während des Starts das Knie aufschrammt.“
„Verstanden. Aber erwarte nicht von mir, dass ich diese bekloppten Sicherheitsanweisungen wie auf den Passagier-Linern durchführen.“
Bei diesen Worten stellte sich Matias seinen ersten Offizier mit blonder Perücke und Minirock vor, wie er mit weit ausladenden Gesten den Chevaliers die Sicherheitsbestimmungen an Bord der Devon’s Pride erklärte. Ein Grinsen schlich sich auf Matias Gesicht, aber er versuchte sich wieder auf die Checkliste zu konzentrieren.
Gerade als er dies scheinbar geschafft hatte, meldete sich Tim Vries wieder über Funk.
„Kapitän Nelissens, haben Sie kurz Zeit? Hier unten würde jemand mit ihnen gerne sprechen.“
Dass sein erster Offizier über Funk so förmlich wurde, verhieß nichts Gutes.
Matias war drauf und dran abzusagen, überlegte es sich aber dann doch anders.
„Geben Sie mir zwei Minuten, dann bin ich bei Ihnen, Herr Vries.“
„Verstanden, Kapitän.“, ertönte es aus der Funkanlage.
Matias verließ die Brücke und machte sich auf den Weg in Richtung Hangar. Auf dem Weg dorthin merkte er erst, wie voll die Devon’s Pride durch die Aufnahme der Söldner gewesen war. Mehr als einmal wäre es auf den Gängen zu einem Zusammenstoß gekommen und die schiere Größe der Elementare half auch nicht gerade dabei, das Problem zu lösen.
Da will man ja gar nicht wissen, wie es auf einer Union oder einem Triumpf zugeht, wenn diese voll beladen sind. Bei diesem Gedanken kam er wieder zu seinen Überlegungen NeliStar zu erweitern.
Auf lange Sicht gesehen war ein Landungsschiff der Leopard-Klasse nicht wirklich als Leistungsträger eines Transportunternehmens geeignet. Und mit der Zeit hatte sowohl sein Vater als auch Matias selbst hin und wieder mit dem Gedanken gespielt, ein größeres Schiff zu erwerben.
Mit dem Geld durch diesen Auftrag und dem finanziellen Rücklagen zu Hause auf Marfik lag dies durchaus im Bereich des Möglichen, nur war die Frage, ob es ein zweites Schiff sein sollte oder er für einen Ersatz der alten Devon’s Pride suchte.
Die Freibeuter-Klasse ist schon mit einem recht guten Frachtraum ausgerüstet, allerdings nicht gerade flexibel wie ein Maultier. Aber so ein Schiff aufzutreiben wird wegen Sarna verdammt schwer. Und dann noch so schweineteuer. Vielleicht ein Sucher? Hmm, möglich, falls der Bürgerkrieg endet auf jeden Fall leichter zu beschaffen und flexibel, aber weniger Frachtraum wie bei einem Freibeuter.
Ist jetzt auch erst einmal egal. Solange du nicht von diesem Trip zurückkommst ist das eine reine Milchmädchenrechnung
, schalt sich Matias selbst. Außerdem war da noch die Sache mit den lyranischen Finanzbehörden. Solange die Untersuchung wegen möglicher Bilanzfälschung lief konnte Matias nicht auf die Konten seines Unternehmens zurückgreifen. Und weder von seinen Eltern noch von der Untersuchung hatte Nelissens seit etwa einer Woche etwas gehört. Die ständigen Arbeiten an der Devon’s Pride hatten ihn absolut in Beschlag genommen.


Schließlich erreichte er den Hangar seines Landungsschiffes, der sich seit seiner Ankunft auf Wayside V ziemlich verändert hatte. Von dem zivilen Umbau seines Schiffes war nicht mehr allzu viel zu erkennen. Wo früher reihenweise Verankerungen für die verschiedensten Transportbehälter angebracht worden waren, hatten die Techs der Chevaliers und auch seine Leute diese durch Gerüste für die Elementar-Gefechtsrüstungen ersetzt, alle schön symmetrisch angeordnet. Auf Matias wirkten sie wie die kleineren Versionen der Mechladebuchten, die Jahrzehnte vor seiner Geburt aus dem Landungsschiff ausgebaut worden waren. Dazwischen immer wieder auf dem Boden montierte Feldbetten und Container, in denen weiteres militärisches Equipment verstaut war. Und mittendrin war da auch noch der Bandit-Schwebepanzer befestigt. Beim Start würde sich zeigen, wie gut die Arbeiten wirklich gewesen waren.
Nelissens liess kurz seinen Blick auf der Suche nach seinem ersten Offizier schweifen. Als er ihn schließlich fand und dann sah, wer bei ihm stand, wollte er direkt flüchten.
Oh Scheisse, nicht dieser Kerl schon wieder. Bitte nicht!
Matias war schon halb in der Drehung Richtung Schott, als er aus Vries Richtung auch schon ein „Skipper“ hörte. Er hielt einen Moment inne. Verflucht!
Der junge Lyraner ging langsamen Schrittes auf Vries und dessen Gesprächspartner zu. Es war jemand, von dem Matias gehofft hatte, ihn nicht so schnell wieder sehen zu müssen, vor allem weil sein Auftauchen immer mit Ärger verbunden war.
Bei seiner Ankunft vollführte der Zivilbeamte der Raumhafenbehörde wie üblich eine perfekte Verbeugung vor Matias.
„Seien Sie gegrüßt, Kapitän Nelissens. Ich entschuldige mich dafür Sie von ihren Pflichten aufhalten zu müssen.“
Spar dir dein dämliches Gefasel, rück endlich mit der Hiobsbotschaft raus. Matias straffte sich unwillkürlich. Was kommt diesmal? Mein Schiff beschlagnahmen? Streik der Raumlotsen?
„Es gibt eine kleine Angelegenheit, die vor ihrem Start noch behandelt werden müsste, Nelissen-sama.“
„Und die wäre?“, wollte Matias mit belegtem Ton wissen.
„Durch Ihren Aufenthalt hier auf Wayside V sind wie bei allen Raumhäfen in der Inneren Sphäre Kosten entstanden, die von Ihnen beglichen werden müssen. Leider war es uns nicht möglich, die entsprechende Summe von ihrem regulären Konto abzubuchen. Daher müssen wir sie bitten, eine entsprechende Bezahlung von Ihrer Seite her zu tätigen.“ Der kleine Asiate verbeugte sich schon wieder.
Innerhalb einer Sekunde hatte man es wieder einmal geschafft Nelissens Puls auf Einhundertachtzig zu bringen.
„WAS? Wegen so einem Blödsinn gehen Sie mir auf die Nerven? Und warum zum Geier seid Ihr blöden Pfeifen nicht früher damit zu mir gekommen? Verdammt nochmal, wir sind gerade dabei den Planeten zu verlassen und dann kommen Sie mir mit so einer bürokratischen Scheisse!“ Tim Vries verzog ob Matias Lautstärke das Gesicht, er suchte wohl vergeblich nach Ohrschützern. Dass der Raumhafenbeamte wieder einmal die Ruhe in Person zu sein schien, brachte Matias nur noch mehr auf die Palme.
„Man, ein regelrechter Saftladen seid Ihr! Was bin ich froh, dass ich diesen Drecksball von Planeten bald hinter mir habe. Sowieso wieder einmal absolut überzogene Gebühren, verfluchte Aasgeier. Hat jemand was zu schreiben?“ Auf diese Frage rückte der alte Asiate einen Stift und einen kleinen Notizblock raus. Nelissens nahm beides an und schrieb einige Notizen auf. In seinen Augenwinkeln bemerkte er wie Sergeant-Major Decaroux sich den drei näherte.
„Hier, buchen Sie von diesem Konto ab, verdammt nochmal. Viel Spass damit und jetzt runter von einem Schiff!“ Matias drückte dem Beamten Stift und Papier entgegen und deutete mit ausgestreckten Arm in Richtung Aussenschott. Der Gescholtene gab keinen Mucks von sich, stattdessen verbeugte er sich ein letztes Mal, ehe er den Hangar der Devon’s Pride verließ.
Matias wandte sich mit wutverzerrter Visage seinem ersten Offizier zu. Neben diesem stand schon Decaroux.
„Gab es ein Problem?“, wollte er wissen.
„Problem? Jedes Mal, wenn dieser verdammte Zivilbeamte von der Raumhafenbehörde hier auftaucht ist, hatte ich anschließend ziemlichen Ärger am Hals. Angefangen mit der Anfrage von Hauptmann Benton.
Und Vries, tu mir bloß einen Gefallen, wenn dieser Kerl noch einmal hier auftaucht, dann stopf ihn hinten ins Triebwerk rein, oder mach‘ sonst was mit ihm, aber sorg dafür, dass er mir nie wieder auf den Zeiger geht. Kapiert?“
„Ins Triebwerk stecken? Danach können wir es auswechseln, weil es vor die Hunde gegangen ist“, kommentierte Tim Vries trocken.
Matias war aber noch nicht zu Scherzen aufgelegt. „Es ist mir egal, Vries, ich will nur endlich weg von hier!
Sergeant-Major,“ Matias drehte sein Gesicht in Richtung Decaroux, „würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn sie mit Herrn Vries dafür sorgen könnten, dass alle Ihre Leute für den Abflug vorbereitet sind? Wir werden in etwas weniger als zwanzig Minuten starten, jedenfalls ist so unser Zeitplan, und ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, wenn jemand beim Start sich verletzt.“
„Sie müssen verstehen, wir sind normalerweise kein Passagierschiff, der Start könnte für einige etwas… holprig sein“, merkte Vries an.
„Das ist kein Problem“, antwortete der Sergeant-Major gelassen. Er und Vries verabschiedeten sich vorerst von Matias.
Dieser war noch immer dabei sich zu beruhigen, als er sich wieder auf den Weg in Richtung Brücke machte.


Es war nun 16:49 Uhr. Zeit, unsere alte Dame endlich abheben zu lassen. Himmel, was bin ich froh darum, ging es Nelissens durch den Kopf. Er wandte sich Tim Vries zu, der wie gewohnt seinen Platz an den Feuerleitsystemen eingenommen hatte. Normalerweise war der Platz mehr oder wenig überflüssig gewesen, aber Matias hatte das ungute Gefühl, dass die alten Waffensysteme der Devon’s Pride noch gebraucht würden und hier war Vries mit seiner Militärerfahrung am geeignetsten. Matias selbst konnte über seine Kontrollen ebenfalls die Waffen bedienen, hielt sich aber nicht wirklich dafür qualifiziert.
„Alles bereit, Tim?“
„Alles in Ordnung, Skipper. Decaroux hat dafür gesorgt, dass sich jeder unserer Passagiere schön angeschnallt hat.“
„Na dann.“ Matias schaute nach vorne auf seinen Piloten. „Enrico, bring unsere alte Dame auf die Startbahn. Und denk dran: Schön langsam, wir haben leider nur Kotztüten für uns dabei, aber nicht für die Leute da hinten.“
Enrico Davids quitierte es mit einem Lachen. „Schon in Ordnung, Kapitän. Wie sagt Luengo doch so schön? Ich bin ganz sanft.“
Die Triebwerke des alten Landungsschiffs fuhren hoch und der Leopard setzte sich gemächlich in Richtung Startbahn in Bewegung. Für Matias war es Zeit, sich ein letztes Mal mit dem Raumhafen in Verbindung zu setzen.
„Jaffray-Tower. Hier ist die Devon’s Pride. Sind unterwegs zu Startbahn Null-Zwo. Over.“
„Devon’s Pride, hier Jaffray-Tower. Verstanden. Sie haben Starterlaubnis, sobald sie Startbahn Null-Zwo erreicht haben. Guten Flug.“
„Danke, Jaffray-Tower. Devon’s Pride aus“ verabschiedete sich Nelissens.


Die Devon’s Pride erreichte wenig später die ihr zugewiesene Startbahn, wendete langsam und blieb dann kurz stehen. Links und rechts blinkten die Signalleuchten rhythmisch auf und wiesen in Richtung des Bahnendes. Hätte sein Schiff an der Decke ein Panoramadach besessen, so hätte Matias noch die Triebwerksflammen der Landungsschiffe Rosemarie, Boreas und Dornkaat erkennen können, die nach dem vorgegebenen Zeitplan vor ihnen gestartet waren. Die Den Haag würde nach Matias Schiff an der Reihe sein und den Schluss des Schiffskonvoys bilden.
Nelissens schaute geradewegs die Startbahn entlang. Also los!
„Enrico. Bring uns von diesem Planeten“, gab er den Befehl zum Start.
Der Pilot des Schiffes bewegte den Schubhebel nach vorne, die Devon’s Pride kam zunächst schwerfällig in Fahrt, doch nur zwei Sekunden später gaben die beiden alten StarLeague-V84-Triebwerke genügend Schub, so dass jeder an Bord des Schiffes in seinen Sitz gedrückt wurde. Um die Brückenbesatzung herum vibrierte die Hülle des Landungsschiffes, ein Tribut an die fast schon quaderförmige Bauweise, die dem Leopard nicht umsonst den Spitznahmen „Backstein“ eingebracht hatte und für eine nicht immer stabile Aerodynamik sorgte.
Mit einem leichten Ruck hob der alte Leopard ab, das Gelände des Jaffray-Raumhafens darunter begann nach und nach kleiner zu werden. Matias Steuermann liess ein wenig Zeit verstreichen, eher er die Devon’s Pride langsam in einen Steilflug ansetzte. Es schien, als hätte er sich die Anweisung seines Kapitäns zu Herzen genommen, auf die Passagiere Rücksicht zu nehmen.
Während das Fahrwerk mit einem dumpfen Knall eingefahren wurde schoss das alte Landungsschiff auf zwei großen flammenden Säulen weiter, die geringe Atmosphäre von Wayside V hatte es gerade erst passiert und näherte sich langsam dem Punkt, auf dem es in einen Standartorbit hätte einschwenken können.
„Na gut, wird Zeit, dass wir auf die Unterbodentriebwerke umstellen. Enrico, Hecktriebwerke aus, dann bringst du die Nase etwas herunter.“, gab Matias den Befehl.
„Roger, Skipper“, quitierte der Steuermann der Devon’s Pride.
Wenig später erloschen die Triebwerksflammen am Heck des Leopard, gleichzeitigt wurden einige kleine Steuerdüsen am Rumpf kurz gezündet. Ohne seine generelle Flugrichtung zu ändern, drehte sich der Bug des Schiffes nach unten, auf Wayside V wäre dies die Waagerechte gewesen. Ein Laie hätte die Szene als ein Flug mit der Decke voran beschrieben. Doch das Prinzip von Oben und unten war im All sowieso ein sehr dehnbarer Begriff.
Nur zwei Sekunden später zündete das am Boden angebrachte Transittriebwerk und beschleunigte die Devon’s Pride wieder auf Reisegeschwindigkeit. Matias war mit dem Manöver zufrieden.
„Okay, Enrico, schließ zu den anderen Schiffen auf, aber langsam. Das hier ist schließlich kein Wettrennen. Ich denke 1,2 g sollten ausreichen.“ Matias schaute sich zu seinen Leuten auf der Brücke um, doch mit Ausnahme seines ersten Offiziers waren alle mit ihren Aufgaben beschäftigt.
„Tja, wir sind unterwegs, Kapitän“, sprach Vries ihn an.
„Endlich.“
Matias entspannte sich ein wenig auf dem Sitz, und während sein Schiff weiter in Richtung Sprungpunkt flog, ließ er seine Gedanken schweifen.
Wayside V. Oh ja, der Name passt wirklich zu dir, du verfluchter Drecksball. Beinahe hätte es uns da wirklich ins Abseits geschoben, wie ein Stück Abfall am Straßenrand. Abgelegt und vergessen vom Rest des Universums.
An Bord einen Haufen genmanipulierte Clankrieger, dazu ein paar nicht weniger undurchsichtige Söldner. Und als Krönung oben drauf die kommende Miss Universe 3067 als Luft-/Raumunterstützung. Oder doch eher als Aufpasserin, damit ich ja nicht aus der Reihe tanze?

Nelissens rieb sich müde die rechte Schläfe.
Ich arbeite für das Militär um einem anderen Militär ein Schnippchen zu schlagen. Das nenn‘ ich mal Ironie. Bloß gut, dass Opa das nicht mehr mit erleben muss.
Ich kann nur hoffen, dass dieser Trip für uns besser ausgeht, als vor Vierzig Jahren für ihn.

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Landungsschiff DEN HAAG, Auf dem Weg zum Nadirsprungpunkt
Wayside V, Wayside System
31. August 3066, 19:27

Matthew nippte an seinem Becher Kaffee und blickte durch das dicke Panzerglas in das dunkle Nichts vor sich. Fünf Tage würde der Flug durch das schwarze All dauern. Das Sternenmeer, dass sich ihnen darlegte, lieferte ein beachtliches Schauspiel.
Sie waren endlich aufgebrochen. Die Zeit auf Wayside war ihm ewig erschienen und den Eindrücken der letzten Wochen nach zu urteilen, erging es vielen Husaren und Chevaliers so. Viele sahen sich mittlerweile vollständig als Chevaliers.
Dualla hatte ganz unverhohlen ihre Zufriedenheit ausgedrückt und auch der Arkab schien nicht abgeneigt. Andere wiederum hatten immer noch eine Aura Ablehnung an sich.
Allerdings hielt es sich in Grenzen.
Seine Sorgen hielten sich ebenso in Grenzen.
Die Größte war das potentielle Risiko, dass Germaine Danton vor dem Abflug angesprochen hatte.
Der Colonel der Chevaliers hatte ihm den Arm auf die Schulter gelegt und ihn zur Seite gezogen, während er sich auf seinen Gehstock gestützt hatte, als würde die Last des gesamten Universums auf ihm liegen. Er hatte urplötzlich sehr Sorgen erfüllt gewirkt und ernst.
„Captain, ich sage das nicht gerne, aber für den Fall der Fälle habe ich lieber einen Plan zu viel und mir einmal zu viel den Kopf zerbrochen, als zu wenig. Sie sind mit der DEVONS PRIDE und ihrer DEN HAAG der STARTRADER zugeteilt. Dementsprechend sind sie und Captain Sleipnijrsdottir die ranghöchsten Chevaliers vor Ort. Auch wenn Captain Sleipnijrsdottir die Rangälteste ist, so werden sie das absolute Oberkommando haben!“
Matthew hatte etwas gestutzt. Das plötzliche Vertrauen war irritierend.
Danton lächelte, während er ihm auf die Schulter klopfte.
„Ich weiß, das ist etwas ungewöhnlich, aber ich habe das bereits mit Kiki besprochen. Sie ist nicht unbedingt die Person, die eine solch bunte Truppe ins Gefecht führt und die hauptlast der Kämpfe wird nun mal sehr wahrscheinlich von uns Bodenkriechern ausgetragen. Als solches ist es essentiell da jemanden zu haben, der die Materie kennt, sie fühlt. Kiki wird in Punkto Luft und Raum das letzte Wort haben, so wie sie bezüglich der Mech- und Bodentaktiken. Ich möchte nur auf Nummer sicher gehen und die Hierarchien geklärt wissen. für den Fall der Fälle.“
Damit war er weggegangen und hatte Matthew sich selbst überlassen.
Für den Fall der Fälle.
Das hieß also, sollte der restliche Kommandostab ausfallen oder die beiden Sprungschiffe, warum auch immer, getrennt werden.
Der Gedanke daran gefiel ihm nicht. In der Inneren Sphäre war ein verlorenes Sprungschiff eben genau das: verloren.
Hier draußen in der Peripherie, größtenteils noch unbekannt, ein wahres Out back, war ein Sprungschiff, auf sich alleine gestellt mehr als nur verloren.
Er nippte wieder an dem Kaffee und starrte ins Schwarz des Alls. Die Sprungschiffe lagen irgendwo vor ihnen, waren aber noch nicht auszumachen.
Schwer stützte er sich mit der Hand an dem Panzerglas ab und schloss die Augen. Er würde seine Kompanie so gut wie möglich auf das Kommende vorbereiten, das war gewiss, alles andere lag in der Hoffnung.


Christine Sleijpnirsdottir ging durch den dunklen Hangar der DEVONS PRIDE. Inspektion hatte sie es gegenüber Kapitän Nelissens genannt, doch in Wahrheit brauchte sie diese Routine, um sich zu beruhigen.
Sie war nervös und die offene Ablehnung des Skippers gegenüber dem Militär machte es ihr nicht gerade leicht. Ebenso das ewige Genörgel dieser Person zu ertragen. Dieser Mann hatte eine Top Crew und ein erstklassiges Schiff, aber den Mumm einer Kanalratte auf freiem Feld.
Der Vergleich ließ sie schmunzeln. Sie mochte Nelissens, auf eine gewisse Art und Weise, aber er war mindestens ebenso anstrengend. Selbst der ewig geduldige Rowan hatte sich bereits kopfschüttelnd in seine Arbeit vertieft und jedes Gespräch fürs erste beendet.
Der Start war sauber von der Bühne gegangen und hatte zumindest die Kompetenz von Nelissens und seiner Crew in beruflicher Hinsicht bestätigt.
Von der anfänglichen Ordnung im Haupthangar war allerdings nichts mehr zu sehen.
Die Elementarpanzer hingen zwar zum Großteil in ihren Gestellen, aber die Krieger hatten zwischen drin in halbwegs regelmäßigen Abständen Feldbetten und kleine Regale aufgestellt. Größtenteils waren es gestapelte Kisten oder festgezurrte Container, zwischen den sich die Krieger quasi „Abteile“ geschaffen hatten. Es bot ein Minimum an Privatsphäre, aber war immerhin nicht aus jedem Winkel voll einsehbar. Die Crew des Bandits war sogar so weit gegangen den ausladenden Transportraum ihres Panzers als Quartier zu nutzen. Eine bunte, karierte Flagge diente als Abdeckung vor neugierigen Blicken.
Charlie uns sein Trupp saßen auf einem Container und spielten Karten, wobei Sergeant de Gomez es sich nicht nehmen ließ den umliegenden Bereich mit dicken Wolken Rauchs von seiner Zigarre zu vernebeln und so für Privatsphäre zu sorgen.
Das Ganze spielte sich in der rötlichen, halbdunklen Beleuchtung des Hangars ab und ihr fiel erst jetzt auf, dass im Endeffekt nur eine der Hauptluken dadurch frei war. Genau die gegenüber vom Bandit. Vor den anderen Luken fanden sich größtenteils sperrige Container, die für ein kleines Labyrinth sorgten, mit Ausnahme des Hauptganges, der erstaunlich frei geblieben war. Kiki schauderte. Es war gleichermaßen die soldatische Zweckmäßigkeit zu erkennen, wie auch Bequemlichkeit, gepaart mit der Dunkelheit war es jedoch ein Zwielicht, dass wie das Tor ins Chaos wirkte. ein kontrolliertes Chaos zwar, aber nichts desto trotz, etwas dass den guten Skipper wohl hochrot anlaufen lassen würde.
Sie war doch heilfroh, ihre Stuka in dem Abschusskatapult auf dem oberen Deck zu wissen. einsam, aber sicher, zugänglich und ordentlich. Sie blickte wieder zu dem Schwebepanzer und musste schmunzeln, als die Vorstellung kam, wie der gedrungene Panzer aus dem Hangar schoss und ein buntes Karotuch hinter sich her schliff, an dem sich vermutlich ein schreiender und fluchender Matias Nelissens festklammerte.
Gedankenversunken bemerkte sie den Hünenhaften Blonden zu spät und rannte prompt in den spontan vor ihr auftauchenden Elementar hinein.
Selbst die Wände des Landungsschiffes konnten nicht härter und unnachgiebiger sein. Wie ein Flummi prallte sie von der massiven Brust ab, ein kurzes Stechen zuckte durch ihren Knöchel und sie fiel rückwärts.
Bevor sie allerdings den Boden unsanft erreichte, griffen zwei bärenhafte Pranken nach ihr und fingen sie mit einer ungewöhnlichen Sanftheit auf.
Keuchend blickte sie in ein paar intelligenter, grauer Augen, die aus tiefen Höhlen, halb bedeckt von wulstigen Augenbrauen freundlich guckten. Ungewöhnlich freundlich für einen Mann seiner Größe, ebenso ungewöhnlich war das riesenhafte, aber doch fein geschnittene Gesicht. Geradezu schön, fast perfekt, auf eine abstoßend, interessante Art und Weise.
Die Intelligenz stach aus seinen Augen, wie Lichtlanzen aus den Lasergeschützen ihrer Stuka und das Lächeln hatte gleichermaßen eine vorsichtige, wie auch beruhigende Wirkung auf sie.

Er entließ sie aus seinen Händen .
Keuchend drohte sie zusammenzubrechen, als ein weiterer Schmerz durch ihren rechten Knöchel zuckte.
Eine seiner Hände stütze sie an der Hüfte. Der Zeigefinger streifte dabei ihren Busen in der Uniformbluse. Sofort zog er die Hand wieder weg, hielt sie aber in der Nähe.
„Ich glaube sie haben sich verletzt, Ma´am!“
Sie blickte nach unten und spürte das leichte Pochen.
Vermutlich war sie beim Fallen unglücklich umgeknickt. Testweise belastete sie das Bein stärker. Der Schmerz flammte nochmals kurz auf, aber schränkte sie nicht wesentlich in der Bewegung ein.
„Tut mir leid, Ma´am. Ich habe sie zu spät gesehen.“
Seine Stimme hatte einen tiefen, aber angenehmen Bariton und er roch nach Öl und etwas undefinierbaren. Herb, aber gleichzeitig angenehm. Männlich, ohne zu aufdringlich zu sein.
„Und ich glaube ich habe ihre Uniform versaut.“
Sie blickte an sich herunter und stellte erst jetzt den großen, schwarzen Fleck fest, der sich an ihrer linken Taille gebildet hatte.
Der Elementar klopfte sich die Hände ab und feines, schwarzes Pulver rieselte auf das Hangardeck. Hinter ihm thronte sein Elementarpanzer in einem Wolfsgrau mit schwarzen Absätzen. Blutrot funkelte das Visier der Rüstung.
Er folgte ihrem Blick und lächelte wieder.
„Ihre Rüstung etwas auf Vordermann gebracht?“
Er nickte stumm.
Sie erwiderte das Lächeln, als ein lautes Scheppern beide herumwirbeln ließ.
Ächzend stemmte sich gerade ein junger Mann, ebenfalls Blond, aber deutlich schmaler als der Elementar aus einem Munitionscontainer.
Die beiden Chevaliers guckten sich kurz an, dann war der Elementar auch schon vorgetreten und packte den Mann in dem schmutzigen Techoverall am Kragen und hob ihn unsanft hoch.
Wild strampelnd und in dem stahlharten griff des Hünen gefangen, versuchte der Mann sich zu befreien.
„Verdammt, lass mich los du unflätiges Etwas!“
Kiki trat vorsichtig näher und musterte den Mann eingehender. Das blonde Haar lag plattgedrückt an dem blassen Gesicht, als hätte er gerade eine Runde um den Planeten hinter sich. Die linke Seite war rötlich-braun verfärbt und das Ohr wirkte unförmig, erst beim näheren Hinsehen erkannte sie verkrustetes Blut.
Der Overall hing schlaff an dem ausgemergelten Körper und er zitterte. Ob das an der Kühle im Hangar oder dem Blutverlust lag mochte sie nicht sagen.
Sie baute sich vor dem Mann auf. Seine Blicke huschten nervös über ihren Körper. Mit einem überdeutlich hörbaren, schwerem Schlucken klappte er den offenen Mund zu.
„Und sie sind?“
Er versteifte sich und für den Moment schien er mit der Antwort zu ringen oder ob er gar eien geben sollte.
Dann sackte er seufzend zusammen.
„Corporal Alec Brestwick, Technische Abteilung Wayside Eagles, derzeit zugeteilt der Materialgruppe Dantons Chevaliers!“
Kiki hob eine Augenbraue.
„Wenn ich mich recht entsinne, sollten sie dann nicht hier an Bord sein und erst recht nicht aus einem Container in diesem Aufzug klettern.“
Sie deutete mit einer schnellen Geste auf ihn, während der elementar ihn langsam abstellte.
„Aye, Ma´am. Allerdings blieb mir keine Wahl. ich wollte hier nicht laden, es ist nur…“
Er brach ab und schaute sich suchend um. Wie ein verängstigtes Tier. Der Schock flackerte noch in seinen Augen, ebenso die Erschöpfung.
Kiki kniff die Augen zusammen. Ein verhör brachte nichts. Vor allem nicht hier und in dem Zustand. Sie versuchte es anders.
„Wissen sie, wo sie sich hier befinden Corporal?“
Er schaute kurz wieder suchend und schüttelte dann den Kopf.
„An Bord eines Schiffes, würde ich denken, aber das ist alles.“
Sie nickte und lächelte dann, wobei sie ihm wie ein Raubtier vorkommen musste, seine Reaktion bestand jedenfalls aus einem kurzen Zusammenzucken.
„Sie sind an Bord der DEVONS PRIDE. Auf dem Weg zu Sprungpunkt des Wayside Systems.“
Seine Augen weiteten sich und er wurde noch bleicher, nur um darauf erleichtert auszuatmen.
„Dann hatte ich nochmal echtes Glück!“
„So hatten sie das? Ich denke Corporal sie sind uns einige Erklärungen schuldig, aber das hat Zeit. Fürs erste bringen wir sie auf die Krankenstation.“
Erleichtert nickte er, das Zittern legte sich, aber doch schaute er sich immer wieder nervös und suchend um.
„Suchen sie jemanden, Corporal?“
Seine Augen zuckten zu ihr.
„Ähm, nein Ma´am.“
Die Lüge war offensichtlich, als seine Augen wieder hin und her zuckten.
„Oder doch. Das letzte, woran ich mich erinnern kann, dass mich jemand umbringen wollte.“
Dann schwieg er wieder.
Kiki hob eine Augenbraue und warf dann einen kurzen Blick zu dem Elementar.
„Der Krieger hier, wird sie zur Station bringen, ich folge ihnen gleich.“
Sie wandte sich um und ging in Richtung von Sergeant Decaroux und seiner Truppe.
Der Elementar, dessen Namen sie immer noch nicht wusste, schob Brestwick vor sich her in den beleuchteten Hauptgang.

__________________
Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein!

"Ich treffe alles, was ich sehe!"
Starcolonel Kurt Sehhilfe, Clan SeeBug
13.02.2011 12:09 Andai Pryde ist offline E-Mail an Andai Pryde senden Homepage von Andai Pryde Beiträge von Andai Pryde suchen Nehmen Sie Andai Pryde in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Andai Pryde in Ihre Kontaktliste ein
Thorsten Kerensky
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Wayside V („Wildkatz“)
Landungsschiff DORNKAAT
05. September 3066, 15:00 Uhr

Jara war unzufrieden. Die Kompanie hatte sich zwar ihren Dienstplänen und Vorgaben gestellt und führte ihre Befehle aus, aber es schwelte ganz gehörig. Die Stimmung war angespannt und das Miteinander verkrampft. Aber am Meisten ärgerte sie sich darüber, dass sie den Finger nicht auf die Wunde legen konnte. Sie musste sich eingestehen, dass sie nicht begriff, was mit ihren Soldaten nicht stimmte.
Sie hatte gehofft, dass Sharpe seinen Teil dazu beisteuern würde, um die Männer und Frauen wieder in die Spur zu bringen, aber er hatte es eher schlimmer gemacht. Er bremste sie aus, er bremste die Kompanie aus.
Zwei Tage nach Abflug hatte es ein erstes Kräftemessen zwischen ihm und der Kompaniechefin gegeben, als sie das Training drastisch angezogen hatte, ohne ihn vorher um Rat zu fragen.
Ihr war der Schritt notwendig erschienen. Es war schon nach kürzester Zeit unruhig in der Mechkompanie geworden Jara ging davon aus, dass Soldaten nur dann unruhig werden konnten, wenn sie nichts zu tun hatten. Die Lösung lag also auf der Hand.
Sharpe war mit einem Dienstplan, der fast sechzehn Stunden abdeckte, nicht einverstanden gewesen. Er hatte ihr gegenüber geäußert, dass sie die Leute kaputt machen würde und nicht jeder Mensch über die gleiche Energie verfügte.
Sie hatte sich durchgesetzt, aber er hatte Recht behalten. Es war keine Stunde her, dass Dawn ihr den körperlichen Zusammenbruch von Corporal Patty-Smith gemeldet hatte.
Die Sanis hatten Dehydrierung und Vitamin-Mangel festgestellt und herausgefunden, dass sie die von Jara verordneten Ernährungsvorgaben nicht umgesetzt hatte. Sie hätte einfach keine vier Liter Wasser am Tag trinken können und die Vitamin-Tabletten vergessen.
Jara hatte den Vorfall protokolliert und zur ROSEMARIE gefunkt. Von Danton kam die nüchterne Antwort: „Zur Kenntnis genommen. Deine Kompanie, deine Zuständigkeit.“
Nun hatte sie ihren „Stab“ zu einem Treffen einberufen. Sharpe, Yamada und Ferrow, ihre erfahreneren Unteroffiziere und Lanzenführer. Sie hatte vor, bei dieser Sache die Unterstützung dieser Menschen einzuwerben, um nicht einen noch tieferen Keil zwischen sich und ihre Kompanie zu treiben.
Das angenehme bei Treffen in Schwerelosigkeit war die Tatsache, dass man nicht auf unbequemen Stühlen kauern musste und so schwebten die vier Entscheidungsträger nun in dem winzigen Taktik-Raum der DORNKAAT, der nun auch als Besprechungsraum dienen musste.
„Ich muss Sie darüber informieren, dass Corporal Anne Patty-Smith vor einer Stunde einen körperlichen Zusammenbruch hatte. So bedauerlich dieser Zwischenfall ist, so ist trotzdem festzuhalten, dass er nur dadurch zustande kam, dass der Corporal einen Befehl missachtet hat, nämlich den Befehl, ausreichend Flüssigkeit und Nährstoffe zu sich zu nehmen. Bevor wir uns überlegen, wie wir damit umgehen, möchte ich sie bitten, ihren Lanzen später noch einmal einzuschärfen, wie wichtig diese Dinge sind, damit wir so etwas in Zukunft vermeiden können.“
Jara hatte ruhig, leise und vor allem zu allen Anwesenden gesprochen. Bei ihren letzten Worten hatte sie aber hauptsächlich Dawn angeschaut, in deren Lanze der Corporal diente. Ihre Freundin schien unter ihrem Blick merklich zu schrumpfen. Aber Jara wusste auch, dass die rothaarige Kriegerin selber miterlebt hatte, wie Mangelernährung auf Menschen wirkte.
Nachdem sie sich sicher war, dass ihr Hinweis zur Kenntnis genommen worden war, kehrte sie zum eigentlichen Thema zurück.
„Nun, zu Corporal Patty-Smith: Dawn, ich möchte dass Du sie heute und morgen aus dem Dienst nimmst und ihr Zeit zum Ausruhen gibst. Sprich bitte auch mit ihr darüber. Nach dem Desaster mit Holler können wir es uns nicht leisten, irgendwelche Sorgen, Nöte und Probleme zu übersehen, wenn denn welche da sind.
Darüber hinaus möchte ich, dass Deine Lanze sicherstellt, dass der Corporal ab sofort ausreichend trinkt und isst. Ich möchte, dass sie jeden Tag nach Dienstschluss bei mir vorspricht und mir berichtet, was Sie über den Tag zu sich genommen hat.
Außerdem werde ich ihr einen kleinen Tadel in die Akte eintragen. Immerhin hat sie einen Befehl missachtet und ganz ohne Konsequenzen sollte das nicht bleiben.“
Sharpe, der ihren Ausführungen bis dahin stumm gefolgt war, räusperte sich: „Mit Verlaub, Captain, ich finde, das geht zu weit.“
„Möchten Sie das vielleicht näher ausführen, Sergeant Major?“ Jara klang bissiger, als sie klingen wollte, aber langsam ging Sharpe ihr auf den Geist. Sie fand ihr Handeln sehr milde und hatte eigentlich seine Unterstützung erwartet.
„Ma’am, bei allem nötigen Respekt: Das ist der zweite Fall von Überbelastung innerhalb von zwei Wochen und schon wieder in dieser Kompanie. Das ist kein Fall von Befehlsverweigerung, sondern ein Beweis dafür, dass Sie die Kompanie zu hart anpacken. Die Reaktion sollte nicht sein, den Corporal zu bestrafen, sondern den Dienst zu lockern und uns allen etwas Entspannung zu gönnen. Und außerdem halte ich es für sehr bedenklich, wenn wir soweit in das Privatleben unserer Mechkrieger eingreifen, dass sie gegenüber ihren Kameraden Rechenschaft über ihr Essverhalten ablegen müssen.“
Stille breitete sich in dem kleinen Raum aus, während Yamada und Dawn gespannte die neueste Eskalation verfolgten. Zumindest solange, bis Jaras Stimme frostig durch das Schweigen schnitt.
„Sergeant, ich habe sowohl in dieser Einheit, wie auch in anderen Einheiten schon deutlich belastenderen Dienst versehen. Ich könnte Ihre Einwände verstehen, wenn es hier eine Möglichkeit gäbe, Freizeit sinnvoll zu verbringen. Aber so wie ich die Sache sehe, ist auf diesem Schiff nicht wirklich genug Platz, um das zu ermöglichen. Also können wir die Zeit auch genauso gut nutzen, um die eklatanten Ausbildungslücken zu schließen.
Selbst wenn es keine Befehlsverweigerung gewesen wäre, sollte uns allein die Tatsache, dass Soldaten, die angeblich fertig ausgebildet sind, dass Trinken vernachlässigen, zu denken geben.
Und ich bin nicht bereit, solche Zustände hinzunehmen, nicht bei den Chevaliers und schon gar nicht in meiner Kompanie. Und Befehlsverweigerung schon gar nicht.“
Sharpe murmelte etwas Unverständliches als Antwort, was Jara erst richtig auf die Palme brachte.
„Was war das, Sergeant Major Sharpe?“
„Ich sagte: Das sagt die Richtige!“, gab der Unteroffizier zurück. Er stand zu seinem Wort, das zumindest musste Jara ihm hoch anrechnen. „Sie haben selber eine Phase der Fehlernährung hinter sich und sind zusammengebrochen und Sie haben erst im letzten Gefecht einen Befehl verweigert.“
„Ach, darum geht es jetzt?“ In der Stille hätte man eine Stecknadel gegen eine Wand treiben hören können. Jara fehlten die Worte, um auf diese Dreistigkeit zu antworten. Sie war es auch leid. Sie war diejenige mit den Metall-Pins.
„Ihr Einwand ist zur Kenntnis genommen. Yamada, Ferrow, haben Sie noch etwas zu sagen?“
„Nein, Ma’am.“ Die beiden Frauen schüttelten den Kopf.
„Gut. Dann können wir ja nun wieder an die Arbeit gehen. Bereiten Sie alles auf den Sprung vor. Wir haben noch zwei Stunden.“ Sie legte eine Pause ein, spießte Sharpe mit ihrem Blick auf und bellte dann ein „Wegtreten!“


unbenanntes Sternsystem
Landungsschiff DORNKAAT
06. September 3066, 22:30 Uhr

Ganz im Gegensatz zu Sharpe konnte Dawn sich mit Jaras Dienstplänen sehr gut anfreunden. Trotzdem sie an das Sprungschiff angedockt und Zugang zum Grav-Deck hatten, war Jara nicht bereit gewesen, den Umfang des Dienstes zu senken. Sie hatte lediglich zugestimmt, einen Teil der Ausbildung, vor Allem den Sport, bei Gravitation durchzuführen.
Dawn konnte es nur recht sein. Sie hasste die wenigen Stunden, in denen sie nichts zu tun hatte mit Inbrunst. Denn sie gaben ihr Zeit zum Nachdenken.
Darüber, dass Susan hinter ihr zurückblieb und dass sie gerade in dieser frühen Phase ihrer Kindheit nicht da war, wenn sie sich weiter entwickelte.
Darüber, dass sie sich auf einem Himmelfahrtskommando befand, noch irrsinniger und tödlicher als die Male zuvor.
Und natürlich auch darüber, wie sie zu Jara stand.
Natürlich hatten sie abgemacht, den Vorfall auf Wayside zu den Akten zu legen. Natürlich hatte das aus Jaras Mund auch furchtbar logisch und überzeugend geklungen.
Aber seit Haruka sie zu Beginn des Fluges darauf angesprochen hatte, waren die Wunden wieder aufgebrochen und in den freien Minuten ging ihr das Thema nicht aus dem Kopf.
Das größte Problem war, dass sie niemanden hatte, mit dem sie darüber reden konnte.
Ihrer draconischen Kabinengenossin brachte sie zwar vorsichtige Freundschaft entgegen, aber bei weitem nicht genug, um sie um Rat zu fragen. Außerdem nahm die Trennung von Teuteburg die Asiatin offensichtlich ziemlich mit und Dawn fragte sich, ob sie überhaupt eine geeignete Gesprächspartnerin wäre.
Mit Danton wollte sie auch nicht sprechen. Ganz davon abgesehen, dass es im Moment so gut wie unmöglich war, ein Vier-Augen-Gespräch mit jemandem zu führen, der auf einem anderen der Lander einquartiert war.
Damit fiel auch der Regimentskaplan aus.
Und dann blieb nur – sie seufzte – Jara.
Wenige Minuten später fand sie sich vor der Kabinentür ihrer Freundin wieder und klopfte zögerlich an.
„Ja?“, klang es von drinnen.
„Ich bin’s, Dawn.“
„Oh, komm doch rein!“
Dawn öffnete die Tür, hangelte sich schwebend in den kleinen Raum und sorgte dafür, dass die Tür sich hinter ihr wieder schloss. Die einzige Möglichkeit, wenigstens ein wenig Privatsphäre zu behalten.
Jara hatte sich ihrer Uniform zum Teil entledigt und saß nun in Kampfhose und T-Shirt auf ihrer Pritsche, in der einen Hand ein DataPad, in der anderen einen Beutel mit Saft.
„Hey Dawn, was kann ich für Dich tun?“
„Ich wollte mit Dir reden“, gab sie zu. In Gedanken fügte sie hinzu: Schon wieder.
Jara sah auf, legte den Kopf schief und legte das DataPad dann weg. „Gerne. Der aktuelle Materialbedarfsplan ist sowieso ziemlich langweilige Lektüre.“ Sie rückte ein Stück in Richtung des Kopfendes und machte Dawn damit Platz. „Setz Dich doch!“
„Danke.“ Dawn, die längst in bequeme Zivilkleidung geschlüpft war, machte es sich am Fußende der Pritsche bequem.
„Also… worum geht es?“
„Ich habe nachgedacht.“ Irgendwie wünschte sie sich, sie könnte einfach zum Punkt kommen, aber die passenden Worte fielen ihr nicht ein. „Über mich und mein Leben… und über uns.“ Na bitte, ging doch.
Jara wollte etwas sagen, aber Dawn schnitt ihr das Wort ab.
„Nein, lass mich bitte ausreden. Ich bin schrecklich verwirrt, Jara. Ich weiß, dass wir uns darauf geeinigt hatten, die Sache auf sich beruhen zu lassen, aber ich kann das nicht. Es geht mir nicht aus dem Kopf.“ Sie spürte, wie sie errötete, aber sie versuchte, die Peinlichkeit der Situation zu verdrängen.
„Ich weiß nicht, was ich will. Aber so, wie es jetzt ist, macht es mich fertig. Ich kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Und ich finde, es wäre einen Versuch wert.“
Jara atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder entweichen. „Was willst Du, Dawn?“
„Ich will…“ Sie brach ab und fragte sich zum ersten Mal, ob Jara eigentlich überhaupt etwas für sie fühlte. War sie gerade dabei, alles kaputt zu machen? Aber es gab kein Zurück und es gab keinen Status Quo, mit dem sie leben wollte. Es blieb ihr nur die Flucht nach vorne. Sie schluckte. „Ich will eine Beziehung mit Dir versuchen. Es kann nicht seltsamer sein als jetzt. Und ich glaube, Du willst das eigentlich auch.“
Jara lehnte sich zurück, schloss die Augen und sagte für eine Zeit, die Dawn wie eine Ewigkeit vorkam, gar nichts. Nur das regelmäßige Atmen und das Heben und Senken ihrer Brust bewiesen, dass sie nicht gerade gestorben war.
Schließlich, als Dawn sich fast sicher war, dass Jara sie nun verstoßen und hassen würde, sah die blonde Frau auf. „Wow“, sagte sie.
„Wow?“
„Wow wie… das ist krass.“ Sie hob in einer Geste der Hilflosigkeit die Schultern. „Ich mein… ich… wow.“
„Du willst es nicht, oder?“
Jara schüttelte den Kopf. „Nein. Also… ich weiß es nicht. Es ist… also gut. Von Vorne.“ Sie atmete noch einmal durch, dann richtete sie sich ein Stück weit auf.
„Ich verstehe, was Du meinst. Mir geht es ähnlich. Ich bin mir nicht sicher, was ich empfinde. Ich will unsere Freundschaft nicht zerstören. Ich weiß nicht, ob Du nicht nur versuchst, über Markus hinwegzukommen. Ich bin deine Vorgesetzte. Ich… es ist so kompliziert.“
Dawn stand auf und schüttelte traurig den Kopf. „Wir leben nur einmal, Jara. Wenn es schief gegangen wäre, hätten wir uns ärgern können. Aber wir hätten es wenigstens versucht. Ich finde, das wären wir uns schuldig gewesen.“
Sie wollte sich zum Gehen wenden, aber Jara fasst sie am Handgelenk.
„Nein, so meinte ich es nicht, ich…“ Sie zog Dawn zu sich heran. Eine Leichtigkeit bei 0G.
Als Dawns Gesicht direkt vor dem von Jara war, sah sie ihr tief in die Augen. „Dawn, was ich sagen wollte ist nur, dass… dass…“ Sie brach ab.
Dann küsste sie die Freundin auf den Mund.
Dawn war erst verwirrt, dann erwiderte sie den Kuss.


unbenanntes Sternsystem
Sprungschiff ORBITER
10. September 3066, 20:30 Uhr

Gerüchte machten unglaublich schnell die Runde. Das war bei Söldnereinheit noch viel stärker ausgeprägt als sonst und wirklich heikle Gerüchte ließen sich auch nicht von der Isolation aufhalten, der man auf einem Landungsschiff ausgesetzt war.
Ihr Arrangement mit Dawn hatte sich in nicht einmal drei Stunden auf der DORNKAAT herumgesprochen und schon zwei Tage später hatte sie von Germaine den Befehl bekommen, sich mit ihm auf dem Grav-Deck der ORBITER zu treffen.
Nun, sie musste ihm zu Gute halten, dass er ihr wenigstens weitere zwei Tage zur Vorbereitung zugestanden hatte und, offiziell, nur ein routinemäßiges Vier-Augen-Gespräch mit einem seiner Captains zu führen gedachte.
Jara stellte fest, dass ein Teil des Decks abgesperrt war, um dem Chef und ihr eine gewisse Privatsphäre zuzugestehen, auch wenn sie sich nicht viel davon erhoffte. Söldner hatten nicht nur eine Vorliebe für Gerüchte und Tratsch, sondern auch extrem große und gute Ohren.
Nicht ganz so gut war Germaines Timing, denn er war noch nicht zu sehen und so wanderte Jara auf und ab, wartete, genoss die Gravitation und bereitete sich mental auf das Gespräch vor.
„Hallo Jara“, wurde sie nach einigen Minuten aus ihren Gedanken gerissen. Danton sah gut aus, frisch und erholt. Sein Humpeln war beinahe verschwunden. Die Schwerelosigkeit und die damit verbundene geringere Belastung hatten ihre Arbeit getan.
„Hallo, Germaine.“
„Verzeih die Verspätung, leider ging es nicht schneller.“
„Das ist schon okay. Ich hatte viel Platz und Ruhe zum Warten.“
Ihr Mentor grinste. „Es hat seine Vorteile, wenn man der Chef ist. Ich bekomme sogar zwischen den Sternen den Raum, den ich für ein vertrauliches Gespräch brauche.“
„Und du bekommst vertrauliche Gespräche, ohne Gründe dafür zu nennen“, gab Jara zurück.
„Ach, bilde Dir da nicht zu viel drauf ein. Ich horche überall dort nach, wo ich kann. Auch wenn das nicht immer so angenehm ist wie heute.“
„So viel Schmeichelei habe ich gar nicht verdient“, stellte sie bitter fest.
Der Kommandeur der Chevaliers sah sie fragend an. „Wieso das nicht?“
„Weil ich keine Resultate liefer. Meine Kompanie ist immer noch heillos durcheinander. Die Einzelleistungen werden besser, aber es will einfach kein Team entstehen.“
„Hm“, machte Germaine und musterte sie nachdenklich. „Woran hängt es?“
„An den Unteroffizieren.“ Jara sah, dass er protestieren wollte und hob abwehrend die Hand. „Nein, im Ernst: Sharpe fällt mir bei Kleinigkeiten in den Rücken und protestiert um des Protestierens Willen. Und die übrigen Unteroffiziere sind noch nicht weit genug.“
„Und Dawn?“
Jara fragte sich, ob das ein erstes Abtasten war, entschloss sich aber, die möglicherweise enthaltene Frage zu überhören und nur auf das Offensichtliche zu antworten.
„Dawn macht sich überraschend gut. Ihre Lanze ist momentan die Beste im Vergleich.“
„Nanu?“ Ihr Vorgesetzter wirkte ehrlich überrascht. „Und was ist mit Deiner Kommandolanze?“
Jara seufzte. „Kotare und ich funktionieren als Flügel immer noch reibungslos. Aber Voronin braucht noch Zeit und Training. Und Yamada lässt sich momentan sehr durchhängen. Solange sie vor Liebeskummer und Sehnsucht vergeht, ist sie als Sergeant und Flügelführerin unbrauchbar. Dazu kommt, dass ich oft das Lanzentraining ausfallen lassen muss, um mich um den Papierkram zu kümmern.
In der alten Kampflanze war das anders. Das war ein eingespieltes Team. Jeder wusste, was er zu tun hatte, jeder Handgriff hat gesessen. Bis ich meine Lanze auf dem Level hab, brauch ich noch Zeit. Von der Kompanie ganz zu schweigen.“
Der Herr der Chevaliers schwieg eine Weile und deutete schließlich ein Schulterzucken an. „Du wirst das schaffen, Jara. Ich vertraue Dir da weiterhin. Und wo wir gerade dabei sind… was ist das zwischen Dir und Dawn?“
„Was soll ich dazu noch groß erzählen?“ Sie verdrehte hilflos die Augen. „Du hast ja doch schon alles gehört. Die Situation ist irgendwie sehr einfach und furchtbar kompliziert zugleich. Ich weiß selber nicht so genau, ob es richtig und gut ist.“
„Eigentlich wollte ich eher wissen, ob es Eure Arbeit beeinflussen wird oder nicht. Um über… die Sache selbst zu reden, gibt es bessere Orte und Augenblicke.“
„Oh, ach so. Nein, es wird unsere Arbeit nicht beeinflussen. Meine zumindest nicht. Dawn kann ja auch mit Markus noch zusammenarbeiten und ich kriege mich mit Frederic auch arrangiert.“
„Also doch!“, triumphierte Germaine und Jara fiel auf, dass sie sich, wieder mal, verplappert hatte. „Ich hätte wetten können, dass da was im Argen lag!“
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Bei den Clans gelten andere Sitten. Und ein Keuschheits-Gelübde habe ich auch nicht abgelegt.“
„Du musst nur aufpassen, dass niemand merkt, dass Du unter deiner harten Schale tatsächlich noch eine Frau bist“, spottete Germaine.
„Solange es noch immer diese seltsamen Pin-Up-Bilder von mir gibt, muss ich mir da wohl keine Sorgen machen.“
„Wo wir gerade über Sorgen sprechen“, nahm Germaine den Faden auf und wurde ernst. „Ich habe den Tadel aus Corporal Patty-Smiths Akte entfernen lassen, weil ich ihn für unangebracht halte. Sie war fahrlässig, aber nicht bewusst unbotmäßig. Und ich habe gehört, dass Du Dich Copelands Anweisung widersetzt hast, leichten Dienst verrichten zu lassen?“
Jara versteifte sich. „Ausbildungslücken schließen sich nicht von alleine, Germaine. Wir haben jetzt die Zeit und ich sehe keinen Grund, die Leute zur Ruhe kommen zu lassen. Das führt nur zu Stress.“
„Du tust damit niemandem einen Gefallen, glaub mir.“
„Sieh dir die Resultate an. Die Fitness und die Einzelleistungen haben teilweise um fast 40 Prozent zugenommen. Ich habe vor, die nächsten Tage dazu überzugehen, die Leute individuell zu fördern. Ich habe Dir eine kampfbereite und schlagkräftige Kompanie versprochen und ich werde dir eine geben.“
„Eine Kompanie, die auf dem Zahnfleisch kriecht und total ausgebrannt ist hilft mir nicht.“
„Eine Kompanie, die einfachste Befehle nicht umsetzen kann auch nicht“, stellte sie fest. „Du hast mir eine Gruppe von grünen Soldaten gegeben. Aber diese Leute haben Potenzial. Und ich bin dabei, dieses Potenzial zu aktivieren.“
Als sie das Unverständnis in Germaines Augen sah, wurde sie energischer. „Schau Dir Dawn an! Sie hat sich in der kurzen Zeit enorm entwickelt. Ich hätte ihr noch vor Kurzem nicht zugetraut, wieder einen Mech in die Schlacht zu führen. Jetzt ist es ihre Lanze, die die Maßstäbe setzt. Dawn funktioniert in ihrer Rolle und sie schafft es, andere mitzunehmen. Verdammt, sie vermittelt sogar zwischen mir, Sharpe und Yamada.
Oder schau Die Voronin an! Er hat mir vor Kurzem noch krumm genommen, dass ich seine Lanze auf Wayside zusammengeschossen habe und jetzt ist er dabei, selbstständig seine Trainingsrückstände zu schließen.“
„Warum hat Deine Kompanie dann solche Probleme?“
Jara schüttelte den Kopf: „Fast alle arbeiten. Aber sie arbeiten für sich und nicht für die Einheit. Es fehlt der Wille, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Aber ich schaff das! Ich krieg das hin, das weiß ich.“
„Wenn ich daran nicht glauben würde, hätte ich Dir die Kompanie nicht gegeben, Jara. Aber Du musst Dich von Deinen Ängsten lösen und die Leine lockerer lassen.“
„Ängste?“
„Du hast Angst zu versagen. Du hast Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden, die Du Dir selber stellst. Und Du hast immer noch Angst, dass ich Dir das Vertrauen entziehe.“ Germaine sah sie mit diesem väterlichen Blick an, der ihr klar machte, dass die nächste Belehrung ihm sehr wichtig war.
„Jara, Du bist noch unglaublich jung und Du hast einen kometenhaften Aufstieg hinter Dir. Und Du hast das Potenzial, noch viel mehr zu erreichen. Aber Du verbrennst dich zu schnell. Du musst lernen, langsamer zu machen und Dir selber mehr Zeit geben. Und dafür ist es nötig, dass Du lernst, zu delegieren und Rücksicht zu nehmen auf die, die Dein Tempo nicht halten können. Reduzier den Dienst Deiner Kompanie, Jara!“
Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er Recht hatte. Aber da war noch die Zeit, die nicht ihr, sondern die den Chevaliers davon lief. Bei dem Gedanken an die Aufstellung der Nebelparder, die sie mit Mathew erstellt hatte, fröstelte ihr. Und bei dem Gedanken daran, ihre Kompanie im jetzigen Zustand gegen die Parder-Piraten zu schicken, wurde ihr schlecht.
„Gib mir noch ein paar Tage! Nur bis wir auf Fury sind. Wenn ich bis dahin keinen Durchbruch erzielt habe, dann nehme ich jeden Ratschlag und jede Einmischung in meine Kompanieführung ohne Klagen hin.“
„Uns bis dahin?“
„Bis dahin, Germaine, lass mich nach meinen Ideen und Vorstellungen führen! Lass es mich versuchen! Bitte!“
„Wenn Du ‚Bitte‘ sagst, muss es Dir sehr wichtig sein“, stellte Germaine fest, der dieses Wort aus ihrem Mund schon so lange nicht mehr gehört hatte. Für einen Moment rang er mit sich selbst, dann nickte er schließlich. „Also gut. Du hast den Rest des Fluges Zeit. Aber nicht eine Minute länger. Und danach will ich von Dir wissen, wer der neue Lieutenant wird. Und ich will, dass Sharpe Deine Entscheidung aus vollem Herzen unterstützt.“
Erleichtert atmete Jara auf: „Sollst Du haben. Das… und eine Kompanie, die würdig ist unter dem Banner der Chevaliers zu kämpfen!“


unbenanntes Sternsystem
Landungsschiff DORNKAAT
12. September 3066, 19:30 Uhr

„Herein!“
Jara sah auf, als Sharpe in den Besprechungsraum schwebte. Sie war nicht gut auf den Unteroffizier zu sprechen und er auch nicht auf sie, aber es wurde Zeit, dass sie die Dinge aus der Welt schufen. Das Ultimatum, dass Germaine ihr gestellt hatte, lief ab.
„Captain Fokker, ich melde mich wie befohlen!“
Sie winkte ab: „Kein Protokoll, Sharpe. Sie sind hier, weil ich der Meinung bin, dass ich Ihnen eine Entschuldigung geben muss.“
„Ma’am?“ Der erfahrene Soldat wirkte ehrlich überrascht und aus dem Konzept gebracht.
„Ich entschuldige mich bei Ihnen dafür, dass ich gedacht habe, ich könnte diese Kompanie alleine führen. Tatsache ist: Ich kann es nicht.“
Sie machte eine Pause und legte sich ihre Worte zurecht. Und genoss für einen kurzen Augenblick den irritierten Gesichtsausdruck ihres Gegenübers.
„Die Sache ist die: Als ich zur Kompaniechefin ernannt wurde haben mir die Colonels Danton und Copeland eine Truppe von unerfahrenen und jungen Soldaten zugeteilt, in der Hoffnung, dass ich mich dann eher durchsetzen könnte. Ich habe lange Zeit gedacht, dass es dieser Mangel an Erfahrung sei, der jetzt zu Problemen fährt.
Es ist so, dass ich mit den Einzelleistungen von jedem Mitglied der Kompanie mittlerweile zufrieden bin. Die Ergebnisse sind ausbaufähig und entsprechen nicht unbedingt dem, was ich Elite nennen will, aber es reicht, um damit in den Krieg zu ziehen und eine Chance aufs Überleben zu haben.“
Sie seufzte. Die Offenheit war ihr unangenehm und eine Erleichterung zugleich.
„Aber die Kompanie wächst nicht gut zusammen. Sergeant Ferrows Lanze ist da eine Ausnahme, aber sowohl Ihre Lanze wie auch meine leisten nicht das, was ich verlange.
Ich glaube, dass Sergeant Ferrow und Sie gute Lanzenführer sind und ich glaube auch, dass ich eine Kompanie führen kann. Aber wir arbeiten gegeneinander und das ist es, was fehlt.
Solange wir nicht zeigen, dass wir an einem Strang ziehen, werden auch die Soldaten nicht an einem Strang ziehen wollen.
Und das ist auch meine Schuld und dafür entschuldige ich mich.“
Sharpe nickte und wirkte irgendwie erleichterter als Jara. „Ich nehme Ihre Entschuldigung an.“
„Danke.“ Sie seufzte erneut. „Ich weiß, dass die Erkenntnis reichlich spät kommt, aber sie bleibt nicht folgenlos.
Ab morgen werden wir den Dienstplan ändern. Er wird deutlich entspannter werden. Nicht von der Stundenzahl her, aber von der Aufteilung. Ich überlasse den Lanzenführern das Training und möchte, dass wir gemeinsam daran arbeiten, auf jeden Soldaten einzeln einzugehen und sehr individuell trainieren. Und ich habe die letzten vier Stunden des Dienstes für etwas aufgespart, dass ich ausprobieren möchte. Diese Zeit steht den Lanzen zur Verfügung, um als Team etwas zu veranstalten. Das kann Sport sein, dass kann technischer Dienst sein, von mir aus aber auch ein Gesprächskreis, eine Musikband oder so. Mir geht es darum, dass die Leute zusammen etwas gestalten und gemeinsam an etwas arbeiten. Und das ohne Druck. Sie sollen sich kennen lernen und gemeinsame Interessen entwickeln. Was halten Sie davon?“
Sharpe, der ihre Worte ohne eine Regung aufgenommen hatte, zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob es funktioniert. Aber es ist ein guter Ansatz. Ich denke aber, es ist viel wichtiger, den Soldaten zu zeigen, dass es eine Struktur gibt und sie in eine Richtung zu lenken. Das heißt, wir müssen nicht nur zusammenarbeiten, sondern wir müssen auch einen Lieutenant ernennen und eine Art Kompaniestab aufbauen.“
Jara nickte. „Haben Sie einen Vorschlag?“
„Es gibt eigentlich nur zwei, die in Frage kommen. Sergeant Yamada war bereits einmal Offizier und kann diese Aufgabe sicher meistern. Und Sergeant Ferrow hat in den letzten Wochen bewiesen, dass sie die Soldaten ansprechen und motivieren kann.“
„Wenn ich ehrlich bin, hätte ich lieber einen der ehemaligen Husaren befördert.“
Sharpe verzog das Gesicht. „Ungeachtet dessen, was das letzte Mal passiert ist, als sie eine… politische Beförderung vorgenommen haben, halte ich das für unangebracht. Erstens weil dort noch niemand so weit ist und zweitens weil zum Zusammenwachsen der Einheiten auch gehört, dass nicht mehr auf die Vergangenheit geschaut wird, sondern auf Leistung und Erfahrung.“
„Und was ist mit Ihnen? Sie haben die Erfahrung.“
„Bitte nicht. Ich bin als Offizier völlig ungeeignet und habe offen gestanden auch überhaupt keine Lust, mir die Verantwortung aufzuhalsen, wenn es nicht sein muss. Und es muss nicht sein.“
„Also wen schlagen Sie vor?“
Der Unteroffizier überlegte einen Moment. „Sergeant Yamada erscheint mir zu unstabil. Sie ist mit dem Kopf auf einem anderen Landungsschiff und nicht bei der Sache. Ich schlag vor, Sergeant Ferrow zu befördern.“
Jara biss sich auf die Unterlippe und sprach dann nach einigem Zögern aus, was ausgesprochen werden musste: „Meinen Sie nicht, dass das nach Vetternwirtschaft aussieht, weil…“
„…weil Sie ein Paar sind?“ Sharpe schüttelte den Kopf. „Solche persönlichen Dinge sollten Sie nicht betrachten. Sergeant Ferrow ist die Richtige für den Posten. Und ich bin jederzeit bereit, für diese Beförderung gemeinsam mit Ihnen vor der Kompanie Rechenschaft abzulegen.“
Erleichtert sah Jara ihn an. Da war endlich die Zusammenarbeit, die sie sich erhofft hatte. „Dann ist es abgemacht, Sharpe. Wie ernennen Dawn… ich meine Sergeant Ferrow zum Lieutenant. Wir werden Sergeant Yamada aber weiter in die…Stabsarbeit einbinden. Und ihr vorher den Kopf zu recht rücken. Und wo wir gerade dabei sind, uns den Frust von der Seele zu reden, können wir das direkt tun. Die beiden Sergeants müssten jeden Moment hier sein.“
Ihr Stellvertreter starrte sie ungläubig an. „Sie haben das geplant?“
„Nehmen Sie’s mir nicht übel. Ganz ohne Grund bin ich wohl doch nicht befördert worden. Und es war trotzdem ehrlich gemeint.“
Sharpe grinste, immer noch leicht fassungslos: „Sie sind gefährlicher, als ich dachte, Ma’am.“
„Jara reicht. Wir wollen doch harmonisch wirken…“

Warten war eine der Tugenden, die man als Unteroffizier lernen musste. Dawn hatte das Verstanden und harrte nun schon einige Zeit vor der Tür zum Besprechungsraum der DORNKAAT aus, in der Hoffnung, dass Haruka rechtzeitig auftauchen würde, damit sie sich zu zweit bei Jara melden konnten. So wie diese es befohlen hatte.
Sie hatte darüber nachgedacht, was wohl gleich passieren könnte und was ihre Freundin vorhatte, aber dann hatte sie es aufgeben. Jara hatte es ihr nicht erzählen wollen und sie musste lernen, das zu akzeptieren. Es würde in Zukunft nicht leichter werden, Dienst und Privates zu trennen.
Immerhin gab es jetzt etwas Privates, dass man trennen konnte. Das war noch furchtbar ungewohnt und seltsam, aber es war real.
Dawn erlaubte es sich, ein wenig stolz auf sich zu sein. Noch vor einem halben Jahr hatte sie nicht einmal den Mut, jemandem ins Gesicht zu blicken und nun war sie es gewesen, die Jara überredet hatte. Jara, die ihr immer so selbstsicher, entschlossen und unantastbar vorgekommen war. War sie selber nur zu tief in ihrer Krise gewesen oder war es die Freundin, die labiler geworden war?
Bevor sie eine Antwort auf diese Frage finden konnte, tauchte ihre draconische Kabinengenossin auf. „Entschuldige, es ging nicht früher, ich habe noch ein Telefonat geführt.“
„Das ist schon okay. Wir sind noch pünktlich.“ Dawn lächelte, aber innerlich rollte sie mit den Augen. Haruka war nicht mehr sie selbst, seit dem Abflug. Diese Sehnsucht in ihrem Blick und dieses ganze Geschmachte war… anstrengend.
Sie schob den Gedanken beiseite und klopfte
„Herein!“, drang eine Männerstimme aus dem Raum.
Die Stimme gehört zu Sergeant Major Miles Sharpe, der gemeinsam mit Jara die beiden Unteroffiziere musterte. Die beiden wirkten irgendwie anders. Offener, weniger distanziert. Unwillkürlich musste Dawn sich fragen, was eigentlich los war.
Und verpasste damit die Meldung. Zu ihrem Glück war Haruka trotz ihres Zustandes geistesgegenwärtig genug, um für sie in die Bresche zu springen.
„Captain Fokker, ich melde mich mit einer Kameradin wie befohlen!“
„Danke, Yamada“, antwortete Jara und Dawn entging der tadelnde Blick nicht, den sie in ihre Richtung schickte. „Aber wir können die Förmlichkeiten getrost draußen lassen. Das hier ist kein offizielles Treffen.“
„In der Tat“, nahm Sharpe den Faden auf, „sind wir hier, um die Differenzen auszuräumen, die es uns bisher erschwert haben, die Kompanie gemeinsam zu führen.“
Hatten die beiden sich abgesprochen? Dawn war überrascht.
„Captain Fokker und ich sind der Überzeugung, dass es an der Zeit ist, das Training der Kompanie umzustrukturieren. Das heißt viel Training als Lanzen, das heißt Individualtraining und Team-Building. Sie finden nähere Informationen in den Dateien, die ich Ihnen vor wenigen Minuten übermittelt habe.“
„Das ist aber nicht das wirklich Wichtige“, übernahm Jara wieder. „Wichtig ist, dass wir über einige Dinge reden, die hier im Argen lagen. Wie Sie beide wissen, haben Sergeant Major Sharpe und ich unsere Zusammenarbeit nicht unbedingt harmonisch begonnen. Wir sind aber zu der Überzeugung gelangt, dass die Kompanie das sichere und geschlossene Auftreten der Kompanieführung braucht, um eine Einheit zu werden. Deswegen haben wir uns bemüht, unsere Differenzen aus dem Weg zu räumen.“
Sie überließ dem ehemaligen Husaren wieder das Wort und wirkte dabei ziemlich zufrieden.
„Das bringt uns zu Ihnen, meine Damen“, brachte Sharpe das Gespräch auf den Punkt. „Sie bilden zusammen mit uns den… nennen wir es einfach Kompaniestab. Das heißt, Sie beide werden in Zukunft verstärkt in die Kompanieführung eingebunden.
Sergeant Yamada, das setzt bei Ihnen vor Allem voraus, dass Sie sich auf den Dienst konzentrieren. Ich habe das lange genug beobachtet jetzt und ich sage es Ihnen einmal im Guten: So schwer eine Trennung von einem geliebten Menschen auch fällt, darf Sie das nicht von Ihren Pflichten abhalten. Ich erwarte, dass Sie Sich in Zukunft wieder mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit und Sorgfalt auf den Dienst konzentrieren. Wir können es uns nicht leisten, dass einer unserer erfahrenen Sergeants ein Formtief aus Liebeskummer durchmacht. Verstanden?“
Dawn beobachtete die Veränderungen genau, die sich auf dem Gesicht der Draconierin abspielten. Nach der ersten peinlichen Betroffenheit über Ärger bis zu Einsicht und einem „Ich habe verstanden, Sergeant Major!“.
Beeindruckend, was Jara und der Sarge schaffen konnten, wenn sie miteinander arbeiteten. Blieb zu hoffen, dass das auf die Kompanie abfärbte.
„Nun zu Ihnen, Sergeant Ferrow.“ Jara hatte wieder das Wort ergriffen und maß Dawn mit einem langen Blick. Was mochte jetzt kommen?
„In Zukunft werden Sie keine Chance mehr haben, die Meldung auf Ihre Kameradin abzuwälzen.“
Die Spitze hatte gesessen. Dawn lief rot an. Jara, die die Situation sichtlich genoss, grinste.
„In Übereinstimmung mit Sergeant Major Sharpe bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es Zeit ist, Sie zum Lieutenant 2nd Class zu befördern. Sie haben in den letzten Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Sie das Zeug dazu haben. Der Colonel richtet seine Glückwünsche aus und hat mich gebeten, Ihnen die Literatur für Ihre Offiziersprüfung auszuleihen.“
Dawn schluckte. Lieutenant? Damit hatte sie nicht gerechnet.
Yamada, die ebenfalls kurz geschockt war, fing sich schneller wieder. „Herzlichen Glückwunsch, Dawn!“, wünschte sie, nicht ganz unglücklich darüber, dass sie jetzt nicht mehr im Fokus stand.
„Meinen Glückwunsch, Lieutenant!“, schloss sich auch Sharpe an. „Ab jetzt geben wohl Sie mir die Befehle.“
Schließlich ergriff Jara ihre Hand und Dawn spürte die Wärme des Handschlags. Dann griff Jara in ihre Hosentasche und zog zwei Lieutenant-Pins hervor. „Auch von mir die besten Wünsche.“
Sie zögerte einen Moment und grinste dann: „Ach, scheiß drauf!“ Mit diesen Worten zog sie Dawn zu sich heran und drückte ihr einen ganz unzeremoniellen Kuss auf den Mund.
Noch bevor der kurze Ausbruch von Gefühlen jemandem peinlich werden konnte, war er auch schon wieder vorbei.
„So, meine Damen und Herren, dann wollen wir uns jetzt mal um das kümmern, was wir der Kompanie gleich erzählen werden!“, lenkte Jara das Gespräch wieder auf den Dienst. „Soll ja jetzt auch jeder sehen, was für eine tolle Familie wir sind!“
Dawn aber blieb noch einen Moment in ihren Gedanken und genoss das Glück, dass sie gerade erlebt hatte.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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Wohngebäude der Unteroffiziere
Kaserne der Miliz
Wayside V

„Du irischer Bastard sollst mich nicht so ansehen!“
Jack Ryan-Jones saß auf der harten Matratze seines Bettes und starrte, einen tiefen Schluck aus seinem Flachmann nehmend, in Richtung des einfachen Schreibtisches, an dem, in einer lässigen Pose, Peter lehnte.
„Warum, Jack? Wieso soll ich dich nicht ansehen? Schuldgefühle?“
Lediglich ein bedrohliches Knurren antwortete dem nicht realen Mann aus Richtung des Bettes.
„Weil du mir damit auf die Nerven gehst, Peter. Darum. Kein anderer Grund.“
Eine weitere, großzügig bemessene Portion des scharfen Absinths verschwand glucksend in der bereits wie Feuer brennenden Kehle des Sprechers.
Mit einem schweren Seufzer ließ sich Jack gegen die Wand sinken, seinen trüben Blick weiter auf sein Gegenüber gerichtet.
„Der Kleine ist von einer Karre überrollt worden. Einfach so. Von einem verdammten Auto, Peter. Punkt, aus. Ich habe ihn nicht einmal berührt. Im Gegenteil, nach der ganzen Arbeit in der Kneipe, ist er aus meiner Hass Schublade in die Gleichgültigkeitsablage gerutscht. Gleichgültig, Peter. Hörst du? Gleichgültig.“
Bei dem nächsten Schluck des grünen Goldes konnte Jack beobachten, wie sich die Haare seiner nackten Beine in Erwartung der Muskelzuckungen aufstellten, noch bevor das wohlige Brennen seinen Rachen verlassen hatte.
Interessant. Die Bastarde mussten wohl Wahrsager sein.
„Joa, Jack. Er ist von einem Bodenfahrzeug erwischt worden. Ein ausgebildeter Mechpilot mit überdurchschnittlichen Reflexen und einem angeborenen Gleichgewichtsgefühl, welches ihn tonnenschwere Kampfmaschinen hat steuern lassen. Einfach so. Wirklich sehr realistisch. Verarsch mich nicht. Selbst dein alkoholvernebelter Verstand müsste dir sagen, dass da was nicht stimmt. Aber lass mich den Faden doch mal ein wenig weiterspinnen.“
Nachdenklich stieß sich die Einbildung seines kranken Geistes von der grauen Kunststoffplatte des Schreibtisches ab und schlenderte zwischen den verschiedenen Kistenstapeln mit Ersatzteilen zu dem großen Fenster um in die tiefschwarze Nacht von Wayside hinaus zu blicken.
„Spinn von mir aus was du willst, es interessiert mich nicht,“ murmelte Jack leise von seinem Platz auf dem Bett, folgte seinem besten Freund jedoch mit den Blicken, während dieser sein Spiegelbild wahrgenommen zu haben schien, einen kurzen Stielkamm aus seiner Hosentasche zog und sich damit durch die öligen Haare fuhr.
„Ach, Jack, nicht ich spinne den Gedanken. Du tust es und das weißt du auch ganz genau. Also, natürlich passieren Unfälle. Jeden Tag, jede Nacht, jede Minute auf jeder bewohnten Welt. Aber gehen wir doch einfach mal nach der Wahrscheinlichkeit. Der Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Unfall genau dem Mann passiert, den du seit Tagen in der Mangel gehabt hast. Den du bloßgestellt und beleidigt hast. Einem Mann in einer für Ihn neuen Position, unsicher, voller Selbstzweifel. Du siehst sicher worauf ich hinaus will, nicht?“
Mit einem schnellen Schritt bewegte sich der Pirat wieder zu dem Schreibtisch, angelte sich eines der dort stehenden Gläser und schenkte dann eine nicht geringe Menge grünen Absinths aus der Reserveflasche hinein, bevor er zu Jack trat und ihm sein Werk in die erstaunt hingehaltene Hand gab.
„Der Flachmann ist leer, mein Freund. Hier, das hilft zumindest kurzfristig.“
„Wie zum Teufel hast du das gemacht? Du bist tot, mausetot!“
Fassungslos starrte Jack auf den glitzernden Absinth in seiner Hand, zu keinem weiteren Wort fähig.
„Ich kann noch ganz andere Sachen, Jack. Kennst du eine Geistergeschichte zum Christfest? Von Charles Dickens?“
Die Erscheinung hatte sich neben ihn auf das Bett gesetzt und blickte ihn lächelnd an.
„Klar, die habe ich Isabelle immer vorgelesen wenn sie traurig war. Das Buch hatte… er von einem Raubzug mitgebracht.“
Wie beiläufig verschluckte er den Namen seines Vaters und spülte den faden Geschmack dieser Tatsache mit einem Schluck aus dem kräftig nach Anis riechenden Glas hinunter.
Langsam bemerkte er, wie der Alkohol in seinem Blut einen neuen Gang einlegte.
Schon in der Bar war er gut dabei gewesen, aber die Fortführung des Saufgelages hier in seinem Quartier ließ nun bleierne Müdigkeit über seine Gedanken kommen.
„Ja, genau die. Wie dumm von mir. Natürlich kennst du sie. Jack Ryan-Jones, der belesene Freibeuter. Aber lass doch mal sehen, ob wir das ganze nicht ein wenig modifizieren können. Ein wenig auf dich ummünzen. Ich habe da schon ein paar grandiose Ideen. Lass dich einfach fallen, Jack.“
Er wollte antworten, wollte dem Geist sagen, wo er sich sein Geschwafel hin stecken konnte, aber seine Stimmbänder versagten den Dienst, wollten einfach keinen Ton ausspucken, so sehr er sich auch anstrengte.
Träge blickte er zu Peter, der sich vornüber beugte und das noch halbvolle Glas an sich nahm und in einem Schwung leerte.
Dann verschwamm sein Blickfeld und er glitt in eine tiefe Dunkelheit.

Gutgelaunt schlenderte er durch die langen, rostigen Gänge der New Zeeland, des uralten Landungsschiffes der Union Klasse, welches unter dem Kommando seines Vaters stand.
Die muffige Luft aus den wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr gewechselten Umwälzfiltern war nach dem stundenlangen Aufenthalt in einem überhitzten Battlemechcockpit geradezu erfrischend.
Er trug noch immer die Kühlweste und die weite Shorts in roter Farbe an sich, sowie seinen kunstvoll mit brüllenden Totenköpfen verzierten Neurohelm in der rechten Hand. Die Linke umklammerte ein verbeultes Stück einer Metallplatte.
Immer wieder begegneten ihm Mitglieder der technischen Crew, oder wesentlich seltener Angehörige der kämpfenden Bande, aber alle gratulierten ihm zu seinem Erfolg.
Was für ein Gefühl. Was für ein Sieg.
Und das an seinem siebzehnten Geburtstag.
Dass dieses Ereignis von den Piraten völlig ignoriert wurde, interessierte ihn nicht. Hätte seine Schwester es ihm nicht vor dem Einsatz gesagt, er hätte es selbst nicht gewusst.
Noch einmal atmete er kurz durch, bevor er den Türöffner am Zugang zu dem ehemaligen Besprechungsraum betätigte, den sein Vater seit Beginn seiner Führerschaft als… na ja… Thronraum missbrauchte.
Eine Welle verbrauchter Luft wehte ihm entgegen, kombiniert mit der Geräuschkulisse eines ausgebuchten Solarisstadions. An die fünfzig betrunkene und grölende Piraten schienen ihren Sieg über die planetare Miliz zu feiern.
Mit einem kurzen Zucken seiner Gesichtsmuskeln trat er in den Raum.
Ihr Sieg. Pah. Er hatte die Lanze der Miliz ausgeschaltet. Er und Peter. Niemand war ihnen zur Hilfe gekommen. Das war ganz allein Ihr Sieg.
Das Abschlachten der übrigen Infanterie und der paar veralteten, gepanzerten Fahrzeuge betrachtete er nicht als großartige Leistung mit fast zwei Bataillonen Mechs und Panzer.
Er blickte genau in dem Moment zu der erhöhten Position des hölzernen Thrones als auch sein Vater ihn bemerkte.
Der große Mann in den frühen Vierzigern, mit der Halbglatze und dem zu Zöpfen geflochtenen Vollbart riss sich von der gierigen Begutachtung zweier nackt und zitternd vor ihm stehenden jungen Frauen los und starrte zu ihm hinüber.
„Na sieh einer an. Mein Sohn geruht, uns mit seiner Gesellschaft zu beehren. Was führt den jungen Herren denn zu uns?“
Die brutale Stimme von Desmond Ryan übertönte die grölende Menge und brachte sie innerhalb weniger Sekunden zum verstummen.
Erwartungsvoll blickte nun jeder der Anwesenden auf Jack, während sein Vater sich bequem zurücklehnte und den beiden Sklavinnen mit einem kurzen Wink zu verstehen gab, dass Sie entlassen waren.
Die beiden jungen Frauen sammelten verschüchtert ihre zerrissene Kleidung vom Stahl des Bodens und wurden dann von zwei grinsenden Wachen aus dem Raum geführt.
Jack hingegen trat mit stolz geschwellter Brust und einem entwaffnenden Lächeln vor seinen Vater und warf diesem die Metallplatte scheppernd vor die Füße.
„Das ist ein Stück der Cockpitpanzerung des geflüchteten Orions. Du kannst, wenn du genau hinsiehst, noch die Kennung unter dem Ruß finden. Leutnant Tom James von der planetaren Miliz. Hat leider die Explosion seiner Autokanonenmunition nicht überlebt. Genau so wenig wie der Dunkelfalkenpilot. Den habe ich aber in seinem Cockpit gegrillt. Den Heuschreck und die Valküre hat Peter erwischt. Keine Überlebenden, Vater. Die ganze Lanze ausgelöscht.“
Sein Grinsen war immer breiter geworden und seine Stimme war von Stolz angefüllt.
Sein Vater hingegen blickte nur kritisch auf das Wrackteil.
„Du hast also mit deinem Marodeur die Verfolgung der Lanze aufgenommen, sie eingeholt und aufgerieben. Sehe ich das richtig?“
Der ältere Mann war aufgestanden und bückte sich nun um die Metallplatte auf zu heben.
„Ich in meinem Marodeur und Peter in seinem Greif. Wir haben uns an die Bastarde gehängt als ihr in die Stadt geschwenkt seid. Sie wollten sich wahrscheinlich ins Gebirge absetzen, aber der beschädigte Fußaktivator des Orion hat sie aufgehalten. Zwei Klicks von hier haben wir sie dann eingeholt und zu Leichen verarbeitet.“
„Aha. Und wie sehen eure Maschinen aus? Schäden?“
Nachdenklich drehte und wendete der Pirat das Trümmerstück in seinen großen Händen, wobei er näher an seinen Sohn herantrat.
Jack hingegen schien aufzublühen. Endlich würde er die Bestätigen bekommen, nach der er sich seit Jahren sehnte. Eigentlich schon sein ganzes Leben.
„Nichts Schwerwiegendes. Vorrangig Panzerung, die etwas gelitten hat. Eine meiner Partikelschleudern hat einen Volltreffer eingesteckt und Peters Greif sind durch die große Hitze einige Platinen durchgeschmort. Den Weg zurück musste er ohne Sensoren machen, weswegen es etwas länger gedauert hat.“
Desmond Ryan hatte sein Studium der Metallplatte beendet und ließ sie achtlos zu Boden fallen.
„Nun gut, mein Sohn. Und was habt ihr mitgebracht?“
Nun blickten die grausamen Augen des Piratenführers direkt in Jacks Augen und das Funkeln ließ den jungen Mechkrieger stottern.
„Ich… Wir… ich meine… die Wracks. Da müsste noch einiges zu gebrauchen sein. Waffen, Elektronik, das alles können wir bergen um unsere Maschinen auszubessern.“
Kurz zwängte Desmond seine Augen zu Schlitzen.
„Waffen und Elektronik. Waffen und Elektronik aus Wracks. Ist das alles? Waffen und Elektronik, deren Gegenwert wahrscheinlich gerade mal ausreicht um die Schäden an euren Maschinen instand zu setzen.“
Kopfschüttelnd wand sich der Piratenkapitän von seinem völlig perplexen Sohn ab und blickte über die restlichen Angehörigen seiner Truppe, die respektvoll den Blick senkten.
„Habt ihr das gehört, Jungs? Mein Sohn verfolgt eine flüchtende Lanze der Miliz, während wir in der Stadt Banken ausgeräumt haben, Lebensmittel und verdammt hübsche Sklavinnen erbeutet haben. Aber das interessiert den feinen Herren ja nicht. Er schlägt ein Vermögen aus um Soldat zu spielen und Mechabschüsse zu sammeln.“
Jack sah die Faust nicht kommen. Noch immer war er in den Worten seines Vaters gefangen, als die stahlharten Knöchel seinen Kiefer trafen und ihn von den Füßen rissen.
Desmond Ryan war herumgewirbelt und hatte brutal seine Faust sprechen lassen.
Wie ein gefällter Baum schlug Jack auf dem Boden auf, der Neurohelm landete klappernd neben ihm.
„Manchmal bezweifle ich wirklich, dass du mein Sohn bist. Ich hätte deine Mutter sofort aus der Luftschleuse werfen sollen, als ich erfuhr, dass Sie schwanger war und nicht erst nach deiner Geburt.“
Die gebrüllten Worte ließen Jack zusammen zucken und den Schmerz in seinem Kiefer vergessen, aber sein Vater war noch lange nicht fertig.
„Du und deine Halbschwester sind die lebenden Beweise dafür, dass auch ich manchmal Fehler mache. Kinder zeugen mit Sklavinnen. Was für ein hirnrissiger Gedanke. Ich habe euch beide nur am Leben gelassen, weil ihr zu Hälfte von meinem Blut seid. Und das hat man jetzt davon. Einen Jungen, der nicht kapiert, dass er ein Pirat ist und kein verschissener Soldat oder Söldner und ein Mädchen, das sich nur in ihr Zimmer einschließt und Bücher ließ und rumheult. Ja, verdammt. Zum heulen ist das. Ihr seid die größte Enttäuschung in meinem Leben. Gerade du, du Nichtsnutz. Siebzehn Jahre alt und noch nicht mal eine einzige Frau gehabt. Was ist los mit dir, Jack? Ich kenne Priester, die führen ein lasterhafteres Leben als du. Priester, Herrgott noch mal. Und du bist ein Pirat.“
Während sein Vater ihn außer sich vor Wut anbrüllte, erhob sich Jack in eine kniende Position, Tränen in seinen Augen.
„Lass unsere Mütter aus dem Spiel, du Bestie. Ihr einziger Fehler war es, dir in die Hände zu fallen und hübsch genug zu sein um dein Interesse zu wecken. Mehr nicht, du Tier. Ich versuche seit Jahren, deine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Verstehst du das nicht? Die Lanze der Miliz hätte euch in den Rücken fallen können. Was wäre denn dann gewesen? Hast du dir das schon mal überlegt? Das war ein schwerer Battlemech, verdammt. Hast du dir deine Gehirnzellen schon weggesoffen oder hat deine letzte Sklavin dir aus lauter Angst das Gehirn durch den Schwanz abgesaugt?“
Ein unheiliger Zorn, der sich schon Jahre aufstaute, bahnte sich nun einen Weg durch Jacks Herz und seine Gedanken. Ein kalter, berechnender Hass, entstanden durch Ignoranz, Gewalt und unerfüllter Wünsche gepaart mit Einsamkeit.
Sein Vater schien es nicht fassen zu können. Er beobachtete seinen sich erhebenden Sohn mit bebenden Lippen und weiß hervortretenden Knöcheln. Er schien einem seiner berüchtigten Wutausbrüche nahe zu sein.
„Was hast du da gerade gesagt, du undankbare Missgeburt? Wie hast du mich gerade genannt?“
Die beiden Männer standen sich nun gegenüber. Auge in Auge und die förmlich spürbare Spannung zwischen Ihnen lies die Umherstehenden die Luft anhalten.
„Ich habe gesagt, dass du ein versoffenes Stück Scheiße bist, das lieber weibliche Gefangene missbraucht als über taktische Erwägungen nachzudenken. Jemand, der so von seiner Gier geleitet wird, dass er offensichtliche Gefahren nicht wahrnimmt oder gar nicht wahrnehmen möchte. Der nicht versteht, dass sein so nichtsnutziger Sohn ihm vielleicht gerade den Sieg geschenkt hat. Jemand, der nie auch nur ein Wort des Lobes über seine Lippen bringen könnte, selbst wenn er verstehen würde, dass es gerechtfertigt ist. Du bist eine kranke Bestie. Mordlüstern, pervers und abartig…“
Während der wütenden Ansprache hatte Jack seine rechte Hand zur Messerscheide an seinem Rücken bewegt, da er den hasserfüllten Blick in den Augen seines Vaters gewahr wurde. Dieser Blick, den wohl alle Männer und Frauen unter dem Kommando von Desmond Ryan kannten und fürchteten.
Der Blick, kurz vor einem Gewaltausbruch des cholerischen Mannes.
Mit einem unmenschlichen Brüllen stürzte sich der Herr der schwarzen Legion auf seinen Sohn, die Hände zu Fäusten geballt und die pure Mordlust in den Augen, aber Jack hatte den plumpen Angriff erwartet. Zu lange hatte sein Vater ihn mit solchen Attacken klein halten und beschämen können. Jetzt war die Zeit zurück zu schlagen. Ihm zu zeigen, dass er kein kleines, wehrloses Kind mehr war.
Mit einer schnellen Bewegung ließ Jack das schwere Bowie Messer aus seiner Scheide gleiten und bewegte sich elegant aus dem Angriffskorridor des anstürmenden Piraten.
Für seinen Vater schien es eine große Überraschung zu sein, dass sein Opfer sich überhaupt zur Wehr zu setzen schien.
Ungläubig blickte er seinem ausweichenden Sohn nach, sah das blitzende Messer in dessen Hand und bemerkte geistesgegenwärtig die Gefahr, in die er sich begeben hatte.
Jack, von unendlichem Hass getrieben, ließ die geschliffene Klinge nach vorne zucken und schnitt seinem Vater durch das schmutzige Shirt tief in den rechten Oberarm. Der Schmerzschrei seines Erzeugers klang wie Musik in seinen Ohren.
Desmond Ryan war jedoch trotz des Treffers nicht im Geringsten in seiner Kampfkraft eingeschränkt. Der alternde Pirat war vor seiner Karriere bei der schwarzen Legion Teil der regulären lyranischen Streitkräfte gewesen, hatte hunderte von Kämpfen ausgefochten und war ein geschulter Nahkämpfer.
Jack genoss noch immer das schmerzerfüllte Brüllen seines Vaters, als dieser seinen Körper herumriss und erneut seine Faust in das Gesicht seines Sohnes rammte.
Die schiere Gewalt des Schlages ließ Jack die Ohren klingeln, noch lange bevor der Schmerz seiner gebrochenen Nase zu seinem Gehirn vordrang.
Er stolperte einige Schritte zurück und hielt sich die freie Hand vor die massiv blutenden Nasenlöcher.
Endlich hatten sich die Umherstehenden zu einer Reaktion durchgerungen, die jedoch alles andere als entscheidend zu nennen war.
Bloody Read, der stellvertretende Kommandant der Legion und ein Freund von Desmond Ryan, schon lange bevor dieser sich für eine Laufbahn als Pirat entschieden hatte, zog seine Laserpistole und legte diese unverhohlen auf Jack an, während auch die meisten anderen offensiv gegenüber dem jungen Mann wurden.
Auf der anderen Seite stürmte Peter durch den Raum, seinen schweren Revolver gezogen und damit auf Desmond zielend.
Unterstützt wurde der Ire von einigen Angehörigen der Infanterie und Panzerkompanien, die ebenfalls Messer, Pistolen und andere Waffen gezogen hatten.
Desmond war unter den Angehörigen seiner schwarzen Legion zwar gefürchtet, jedoch durchaus nicht überall beliebt.
Waffenstarrend standen sich die beiden Parteien gegenüber, immer darauf bedacht, der anderen Seite nicht den ersten Angriff zuzugestehen.
Sekundenlang verharrten alle Anwesenden in Ihrer Position und eine unheilvolle Stille senkte sich über die Szenerie, während Jack und sein Vater sich umsahen.
Der junge Pirat eher überrascht, dass jemand ihn unterstützte, der Kommandant der schwarzen Legion darüber überaus erbost.
„Seit Ihr jetzt alle vollkommen durchgedreht? Peter, nimm sofort die Waffe runter oder ich reisse dir den Arsch bis zu den Ohren auf. Ich bin euer Boss. Das ist meine Einheit, verdammt.“
Die geflüsterten Worte von Desmond Ryan klangen wie ein Fluch über Jacks Anhänger, aber die einzige Reaktion darauf war, dass Peter den Hahn seines Revolvers spannte. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er der Aufforderung nicht nachkommen würde.
„Er wird die Waffe nicht sinken lassen, Vater. Er hat genug von deiner Terrorherrschaft, genau wie der Rest auf meiner Seite. Du hast dafür gesorgt, dass wir vom Militär von drei Nachfolgestaaten gejagt werden. Und das alles nur, weil du deine Blutlust jedes Mal zügellos an der Zivilbevölkerung auslässt. Du hast einfach nicht begriffen, wie das Spiel läuft. Ein gewisses Maß an Piraterie wird von den Fürsten der Nachfolgestaaten geduldet, denn vollständig ausrotten kann man uns nicht. Aber wenn eine Bande wie die schwarze Legion so Amok läuft und nur Massengräber und verbrannte Erde hinterlässt, dann müssen Sie eingreifen. Sie werden uns jagen und schlussendlich stellen. Wenn wir Glück haben, wird es eine reguläre Einheit sein, die uns zerschlägt. Dann haben wir zumindest die Chance auf einen fairen Prozess und das Ende am Galgen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn es eine Milizeinheit sein wird. Oder eine, deren Heimatplanet wir in Schutt und Asche gelegt haben. Kannst du dir vorstellen, was die dann mit uns anstellen werden?“
Krampfhaft umschloss Jacks Hand den Griff des massiven Messers, von dessen breiter Klinge ein wenig Blut auf den Boden tropfte.
Seine Stimme war stark, wie sie es noch nie gewesen war und eine unverhohlene Drohung schwang in Ihr mit.
„So, ist das so? Und was willst du jetzt machen, Jack? Willst du mich entmachten? Umbringen? Dafür fehlt dir die Unterstützung. Und die Kaltblütigkeit. Mach dir nichts vor, Junge. Ich bin der Herr der schwarzen Legion. Du nur mein missratener Nachkomme um den sich die Rebellen und Aufrührer scharen. Du kannst reden und kämpfen, aber dir fehlt das gewisse Etwas um ein großer Anführer zu sein. Also, sag mir, was du nun tun willst, Jack.“
Wie jedes Mal war die Wut von Desmond Ryan sofort verflogen und er blickte seinem Sohn sachlich sprechend in die Augen, die blutende Wunde an seinem rechten Arm ignorierend.
Jack schluckte hart.
Natürlich hatte sein Vater Recht.
Der Großteil der Legion stand trotz seiner Blutrünstigkeit hinter seinem Vater. Oder vielleicht gerade deshalb. Ausschließen konnte man dies nicht. Es gab so viel Dummheit im Universum…
„Ich und jeder der mich beleiten will, werden die Legion verlassen. Mit unserer Ausrüstung und einem fairen Anteil an der Beute dieses Überfalls. Wir werden den Händler aus der Außenweltallianz, den wir aufgebracht haben, übernehmen und dann gehen wir getrennte Wege. Und du solltest hoffen, dass wir uns nie wieder begegnen, denn dann werden wir erbitterte Feinde sein, Vater.“
Er hatte kaum geendet, da verfiel der ältere Ryan in ein brüllendes Lachen.
„Und schon wieder denkst du wie ein verschissener Söldner, Sohnemann. Ich werde dir sagen, was ich tun werde, sobald du diese Tür verlassen hast. Ich werde dich und jeden, der dich begleiten will von meinen Leuten töten lassen. Vorher werdet ihr durch die Hölle der Folter gehen, bis ihr mich anfleht, Schluss zu machen. Ich bin ein Pirat. Schon vergessen? Sobald du mich nicht mehr direkt bedrohst, werde ich euch alle aufknüpfen lassen. Euch alle.“
Selbstsicher blickte sich der Piratenkapitän unter seinen Gefolgsleuten um und entschlossenes Grinsen schlug ihm aus jedem Gesicht entgegen. Zumindest bis Peter ein Funkgerät aus seiner Tasche zog und zu sprechen begann.
„Franky, Peter hier. Wie sieht es aus? Bist du fertig?“
„Ja, Peter. Die Sprengladung ist am Schiffsreaktor angebracht und der Zünder auf eure Frequenz programmiert. Wir mussten zwei Techs umlegen, haben aber selbst keine Verluste. Sind auf dem Weg zum Ausgang um dort die anderen zu treffen.“
Die verzerrte, weibliche Stimme aus den Lautsprechern des kleinen Funkgerätes zuckte durch die Reihen der Piraten wie ein Partikelblitz und ließ ein böses Glitzern in Desmonds Augen treten. Offenbar wurde er sich bewusst, dass er seinen Sohn unterschätzt hatte.
Es war jedoch der in eine giftgrüne Shorts und eine Kühlweste gleicher Farbe gekleidete Peter, der seinen Verdacht bestätigte.
„Wie du hörst, Desmond, haben wir den Reaktor der New Zeeland vermint. Wenn du irgendwelche Tricks versuchst, werden wir den gesamten Maschinenraum verwüsten und den Reaktor beschädigen. Selbst wenn das nicht zur völligen Zerstörung des Schiffes führt, so werdet ihr hier über Wochen festsitzen. Die Wandersmann ist nicht in der Lage euch alle zu transportieren und auch der Händler reicht nicht mal im Ansatz aus. Du kennst die Legion, Desmond. Du weißt wie die Tiere unter deinem Kommando reagieren werden, wenn ihnen bewusst wird, dass sie hier festsitzen, während der Entsatz für die Miliz bereits auf dem Weg hierher ist. Die werden morden um sich einen Platz an Bord der beiden Lander zu sichern. Chaos, Desmond. Deine Einheit wird sich gegenseitig zerfleischen. Und wenn du selbst wirklich mit dem Leben davon kommst, dann wirst du vor dem Nichts stehen. Wir haben das Ganze schon lange vorbereitet und wir haben zwar nicht sonderlich viele Leute, aber die, welche sich uns angeschlossen haben, sind zu allem bereit. Mich persönlich wundert nur, dass Jack so lange ausgehalten hat, aber das ist seine Sache. Also denk gut darüber nach was DU nun tun wirst, Boss.“
Der junge Mann irischer Abstammung blickte über den Lauf des Revolvers in Desmond Ryans Augen, welcher zähneknirschend einen weiteren Wutausbruch unterdrückte. Abwechselnd blickte er erst Jack und dann wieder Peter an, schien krampfhaft nach einer Lösung zu suchen, die es nicht gab, bevor er sich geschlagen gab.
„Also gut, heute habt ihr mich überrumpelt und gewonnen, aber bildet euch nicht ein, dass diese Sache damit erledigt wäre. Ich werde euch jagen und egal wo ihr euch verkriecht, ich werde euch finden. Und dann werde ich euch die verräterischen Herze aus dem Leib scheiden. Los, geht mir aus den Augen. Ihr habt eine Stunde um zu verschwinden.“
Damit drehte sich der Pirat um und stiefelte wutentbrannt zu seinem Thron um sich dort nieder zu lassen, während Jacks Meute sich rückwärts zum Ausgang zurück zog.
Den jungen Mann mussten dabei zwei Infanteristen mitschleifen, denn für den Sohn des Kapitäns schien die Sache noch lange nicht erledigt zu sein.
Als er durch die Tür gezogen wurde, richtete er die Spitze des Messers auf seinen Vater.
„Ich werde auf dich warten, Vater. Und ich werde bereit sein, gegen dich zu kämpfen. Das letzte, was du in deinem Leben sehen wirst, wird die Klinge meines Messers sein, du Bastard. Vergiss das nicht. Ich schwöre, dass ich dich umbringen werde. Hörst du? Ich werde dich umbringen, du blutrünstige Bestie.“
Damit schloss sich die Tür und einer der Techs aus seiner Gruppe schlug mit Vehemenz gegen den Öffnungsmechanismus, der funkensprühend seine Funktion einstellte.
Noch bevor Jack etwas unternehmen konnte, riss Peter das Kommando an sich.
„Jeanny, lass deine Jungs und Mädels Fahrzeuge bereit machen und Isabelle abholen. Hendrick, wir brauchen unsere Battlemechs und setz dich mit dem Kapitän des gekaperten Landers in Verbindung. Der Typ ist ein Schmuggler, der gerade seine gesamte Ladung verloren hat. Dem bleibt gar nichts anderes übrig, als mit uns gemeinsame Sache zu machen.“
Schnell blickte der Ire mit einem gewinnenden Lächeln zu Jack, der nur kurz nickte.
„Also gut, Leute, die Würfel sind gefallen. Jetzt müssen wir die Sache durchziehen. Schnell, ich vertraue diesem Bastard da drin nur so weit, wie ich meinen Greif werfen kann.“
Damit setzte sich die Gruppe in Bewegung, während sich einige Personen abteilten und in verschiedene Richtungen davon eilten.

Jack Ryan-Jones saß an dem billig wirkenden Schreibtisch der Kapitänskajüte der Wolfgards Pride, dem Schiff des Schmugglers aus der Aussenweltalianz, welches die Meute seines Vaters auf dem Raumhafen gestürmt hatte und nun von seiner Bande übernommen worden war.
Kapitän Joe Murone hatte sich in seine Lage ergeben und zugestimmt unter Jacks Kommando zu fliegen, solange seine Ausgaben gedeckt würden und das Schiff der Freibeuter Klasse in seinem Besitz verblieb.
Ein akzeptabler Handel, auch wenn Jack auf die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Mannes nicht wirklich viel gab. Zumindest im Moment würden seine Leute von dem geplünderten Planeten fliehen können und er weg von seinem Vater kommen.
Damit war schon einiges gewonnen.
Während er den eisigen Kühlbeutel erneut verschob um die andere Seite seiner lädierten Nase zu betäuben blickte er auf die vorläufige Aufstellung der Männer und Frauen unter seinem Kommando.
Fünf Battlemechs, sein eigener Marodeur und Peters Greif mitgerechnet, vier Panzer samt Besatzung, achtzehn Techs sowie ein Zug Infanterie hatten sich an Bord der Wolfgards Pride eingefunden und achteten auf jede Aktion der schwarzen Legion, die einen halben Kilometer vor dem Landungsschiff zum Stehen gekommen war.
In diesem Moment würde jedes Crewmitglied der New Zeeland nach den Sprengsätzen an dem Reaktor suchen und solange man nicht sicher sein konnte, dass es keinen gab, solange würde man sich mit Angriffen zurückhalten.
Jack und seine Leute konnten nur hoffen, dass ihr eigenes Schiff schneller Startbereit war als die Suche an Bord der New Zeeland andauerte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was das stark bewaffnete Piratenschiff mit seinem zivilen Transporter machte, sollte es doch anders kommen.
Ein energisches Klopfen an der Imitatholztür riss ihn aus seinen düsteren Gedanken und reflexartig griff er zu dem Holster, in dem seine schwere Automatikpistole steckte.
„Herein, wenn es nicht die lyranische Steuerfahndung ist!“
Seine Stimme klang bereits für ihn äußerst angespannt und er entließ erst die Luft aus seinen Lungen als Peter fröhlich grinsend durch den Eingang zu der Kajüte schlenderte.
„Seit wann zahlen denn Piraten Steuern, Jack. Wäre ja was ganz Neues und würde uns vor ein ziemliches Problem stellen. Wir haben nämlich keinen Buchhalter.“
Der junge Ire trug seine gewöhnliche schwarze paramilitärische Uniform, hatte jedoch das Abzeichen der schwarzen Legion entfernt, was einen hellen Fleck auf dem Stoff hinterlassen hatte.
„Ich wollte dich nur informieren, Jack, dass unsere Jungs mit den Vorräten zurück sind. Auch unser Beuteanteil ist von der New Zeeland eingetroffen und wird gerade verladen. Ich hab zwar nur kurz drüber geschaut, aber ich denke dein Vater hat uns da verarscht. Fast ausschließlich sperriges Material wie Roherze, was die Legion sowieso nicht mitgenommen hätte. Zumindest hat Hendrik unsere Abschüsse geborgen und ebenfalls hierher gebracht. Der Skipper meint, dass wir in fünf bis zehn Minuten abheben können. Er lässt dir aber mitteilen, dass sein Kahn gegen eine angreifende New Zeeland keine Chance hat.“
„Ja, darüber hab ich auch schon nachgedacht, Peter. Lass das mein Problem sein. Ich habe da noch eine offene Rechnung.“
Ernst nickte der Ire, bevor er sich zum gehen abwandte.
„Ach ja, Peter…. Danke!“
Der Angesprochene war stehen geblieben, die Hand auf dem altmodischen Türgriff, den Rücken zu seinem besten Freund gewand.
„Desmond Ryan ist wahnsinnig geworden, Jack. Er hat völlig die Kontrolle über sich verloren. Die, welche sich dir angeschlossen haben, konnten das sehen, im Gegensatz zu den von der Gier Geblendeten. Ich hoffe unsere Entscheidung war richtig, denn ein Zurück wird es nicht geben. Du bist unser neuer Anführer, Jack und wir werden dir folgen, wohin du uns auch führst. Du musst mir nicht danken, aber denke daran, dass du Desmond’s Gene in dir trägst. Und damit seinen Wahnsinn. Von der anderen Seite deiner Familie will ich erst gar nicht sprechen. Hüte dich vor der Bestie in dir, Jack. Halte sie unter Kontrolle, oder es wird irgendwann jemand kommen und dich genau so hintergehen wie wir es bei deinem Vater taten.“
Damit öffnete der Ire die Tür und verließ leise den Raum, einen überaus nachdenklichen Jack Ryan-Jones hinterlassend.

Die Erschütterungen des Starts hatten schnell nachgelassen und waren schließlich der gleichmäßigen Vibration der Triebwerke gewichen, welche die Wolfgards Pride in die höheren Atmosphärenschichten brachten.
„Sir, das Piratenschiff lässt seine Triebwerke auf Touren kommen. Start in wahrscheinlich unter vier Minuten möglich. Die haben es verdammt eilig.“
Die Stimme des Sensoroffiziers des Landungsschiffes überschlug sich vor Nervosität und an seiner blassen Hautfarbe konnte jeder auf der Brücke seine Angstzustände erkennen.
„Wir werden kontaktiert, Kapitän. Breitbandfrequenz von dem Piratenschiff.“
Die Kommunikationsoffizierin des Schiffes war wesentlich routinierter und schien auch Ihre Gefühle im Griff zu haben.
Noch bevor Joe Murone, der Kapitän des Frachtschiffes einen Befehl erteilen konnte, mischte sich Jack ein.
„Stellen Sie das Gespräch auf diesen Bildschirm.“
Er hatte die Hände in den Hosentaschen versenkt und nickte wie beiläufig in Richtung eines leeren Monitors neben ihm.
Seine Stimme verriet keine irgendwie geartete Gefühlsregung.
Die ältere Frau mit dem fast weißen Haar nickte kurz und tippte dann auf Ihrem Schaltpult herum, bis der Bildschirm vor ihm aufflackerte und kurz darauf das brutal lächelnde Gesicht seines Vaters zeigte.
„So, mein Junge. Wir haben den Maschinenraum von oben bis unten durchsucht. Nichts! Kein einziger Sprengsatz. Du hast wirklich gut geblufft, aber eben nicht gut genug und jetzt wirst du für deinen Verrat an mir bezahlen. Ihr alle an Bord des Handelsschiffes werdet dafür bezahlen. Ich werde euren Kahn zusammenschießen lassen und die Überlebenden werden unter schrecklichen Qualen in meinen Folterkammern verenden.“
Mit einem gefährlichen Knurren unterbrach Jack seinen genetischen Erzeuger und blickte finster auf den Bildschirm hinab.
„Du hast Recht, Vater. Ich habe geblufft. Leider konnten wir die Sicherheitsvorkehrungen im Reaktorraum so kurzfristig nicht umgehen wie es notwendig gewesen wäre. Das du uns aber mit deinem heruntergekommenen Hulk einholst, halte ich für ein Gerücht. Besonders hiernach!“
Damit blicke er kurz über die Schulter zu der Kommunikationsoffizierin, die wiederum damit begann, auf den Tasten herumzuklimpern.
„Weißt du, wenn ich eines von dir gelernt habe, Vater, dann ist es, das man hinterhältig denken muss um einen brutalen und vor allem überlegenen Gegner zu vernichten. Ich habe vielleicht nicht deine Erfahrung in hinterhältigen Gedankengängen, aber ich bin durchaus kreativ. Natürlich wäre es für mich eine innere Genugtuung gewesen, den Reaktor deines Schiffes in die Luft zu sprengen, aber ich denke, für heute gebe ich mich auch mit den Munitionsbeständen der Battlemechs zufrieden, die in den Bunkern lagern. Ich wünsche dir noch einen geruhsamen Aufenthalt auf dem Planeten!“
Damit gab er der Frau an der Kom-Konsole ein weiteres Zeichen und der Bildschirm erlosch.
„Sir, die Sensoren registrieren Detonationen an Bord des Piratenschiffs. Zwei Primärexplosionen und es folgen leichtere Sekundäre. Das dürfte der strukturellen Integrität des Union ziemlich geschadet haben. Ich registriere die Deaktivierung der Triebwerke. Die fliegen in den nächsten Monaten nirgendwo mehr hin.“
Das Erstaunen in der Stimme des Sensoroffiziers hatte die Angst völlig überlagert und langsam drehten sich alle Köpfe zu Jack um, der gleichgültig in die Innentasche seiner Jacke griff und einen silbernen Flachmann daraus hervor zog.
Langsam drehte er den Verschluss der Flasche auf und nahm dann einen tiefen Schluck, woraufhin ein erbarmungswürdiger Hustenanfall folgte.
Nach Luft ringend blickte er zu Joe Murone, der wie eine Salzsäule erstarrt auf seinem Platz saß.
„Rufen Sie mich, sobald wir das Sprungschiff erreicht haben. Ich möchte mit dem Kapitän selbst verhandeln.“
Konsterniert blickte der Landungsschiffkapitän und Schmuggler zu dem sich krümmenden Piraten hinab und nickte dann ernst.
„Natürlich, Sir, wie Sie wünschen.“
Seine Stimme war hart, wie die eines Mannes, der schon einiges in seinem Leben gesehen hatte und von den Geschehnissen der letzten Minuten trotzdem erschüttert worden war.
„Nennen Sie mich Jack, Kapitän. Dieses blöde Sir können Sie sich sparen. Wir sind jetzt Piraten und geben nicht viel auf Förmlichkeiten.“
Der junge Mann verschloss seinen Flachmann wieder und verstaute ihn schnell in der Innentasche seiner Jacke, bevor er sich in Richtung der Kapitänskajüte aufmachte.
„Mag sein, dass wir jetzt Piraten sind, Sir, aber einen Menschen, der seinen eigenen Vater in die Luft sprengt, den nenne ich nicht beim Vornamen. Bei allem Respekt, Sir.“
Jack antwortete nicht auf diese Aussage, obwohl die gesamte Brückenbesatzung bei den Worten des Kapitäns den Atem anzuhalten schien.
Seine Schultern sackten herab und er betätigte unendlich müde die Klinke.

Schlagartig riss Jack die Augen auf und blickte sich gehetzt und irritiert um. Ein dunkles Zimmer, ein Schreibtisch, ein abgedunkeltes Fenster. Er hielt ein leeres Glas in der Hand und war lediglich mit einer Boxershorts und seiner Augenklappe bekleidet.
Er saß mit dem Rücken an eine kühle Wand gelehnt auf einem Bett und offensichtlich war er betrunken. Sturzbetrunken.
„Hat dir die Reise gefallen, Jack?“
Peters Stimme. Ein Umriss löste sich vom Schreibtisch und kam auf ihn zu. Kalte Klauen griffen nach seinem Herz als sich der Geist seines besten Freundes aus der Dunkelheit schälte.
„Nein, du bist tot, Peter. Lass mich doch endlich in Ruhe. Es tut mir leid, so unendlich leid, dass ich dir nicht zur Hilfe gekommen bin, aber die Miliz rückte an. Es waren so viele. Ich konnte nicht…“
Seine Stimme versagte als der Ire vor ihm zum stehen kam.
„Ach, Jack. Glaubst du wirklich, ich wollte dir zeigen, was du mir zu verdanken hast? Nein, mein Freund, so einfach mache ich es dir nicht. Ich will dir zeigen, wen du schon alles auf deinem schwarzen Gewissen hast. Was du schon alles getan hast und wer darunter gelitten hat. Hast du dir eigentlich eine Vorstellung gemacht, wer da alles an Bord des Landungsschiffes war? Oder was die überlebenden Piraten gemacht haben, als sie erkennen mussten, dass eine Flucht nicht mehr möglich war. Dein Vater ist in seinem zweiten Schiff entkommen, aber was ist mit dem Rest? Du weist ganz genau, dass sie über die Bewohner des Planeten hergefallen sind, bevor sie von den eintreffenden Entsatzeinheiten erwischt wurden.“
Grimmig blickte der Geist auf Jack hinab, der die Beine an den Körper zog und angstvoll zu seinem ehemaligen besten Freund hinaufsah.
„Und das war erst der Beginn deiner Karriere, Jack. Der verdammte Beginn.“
Die Worte aus Peters Mund klangen hart, verurteilend, während sein Blick die gewohnte Freundlichkeit vermissen ließ.
„Da sind noch so viele Andere, Jack. So unendlich viele Seelen, die nach deinem Blut schreien. Und man kann sie noch aus der Hölle vernehmen, mein Freund. Willst du einen Eindruck davon bekommen?“
Ohne die Möglichkeit eine Antwort auf die Frage zu geben, verschwamm Jacks Blickfeld erneut und er fand sich kurz darauf auf den rauchgeschwängerten Straßen einer Stadt wieder.
Rund um ihn herum tobte eine Feuersbrunst, die ganze Gebäudekomplexe ergriffen hatte und die Temperatur in schwindelerregende Höhen trieb.
In Panik fliehende Menschen zogen an ihm vorbei, während er nur auf den entstellten Leichnam vor sich blickte.
Seine rechte Hand umklammerte dabei das schwere Bowiemesser, dessen Klinge blutbesudelt rötlich schimmerte. In der Linken hielt er etwas glitschig weiches, etwas organisches.
Betrayer! Er war auf Betrayer.
Betroffen blickte er auf den geöffneten Brustkorb des Regenten des Planeten und dann auf das frisch herausgeschnittene Herz in seiner Hand.
In einer geringen Entfernung erblickte Jack den gestürzten Atlas des Regenten, der noch im abgeschalteten Zustand seinen schwer beschädigten Marodeur umklammerte.
Wie eine grausige Statue ragten die beiden Battlemechs aus den Trümmern des Veraltungszentrums auf und die Restwärme der beiden Kampfmaschinen ließ die Luft um sie herum flimmern.
„Das ist nicht fair, Peter. Ich hatte keine andere Wahl. Er war eine Bestie!“
Seine Worte klangen traurig und waren von Selbstzweifeln angefüllt.
„Ja, Jack, ihr wart euch sehr ähnlich. Zwei Bestien im Kampf gegeneinander. Aber er war auch der Mann deiner Halbschwester. Und du hast ihm sein Herz herausgeschnitten. Sein Herz, Jack.“
Peter trat neben ihn und blickte ebenfalls auf die Leiche hinab, um die sich schnell eine dunkle Blutlache ausbreitete.
„Er war ein Scheißkerl, der meine Schwester misshandelt und ins Koma geprügelt hat. Was hätte ich denn machen sollen? Tatenlos zusehen?“
Achtlos ließ Jack das blutige Herz zu Boden fallen und wischte die Klinge seines Messers an seiner Boxershorts ab, bevor er es wieder in der Scheide an seinem Rücken verstaute.
„Wie ich schon sagte, Jack, in diesem Punkt stimme ich dir voll und ganz zu. Er hatte den Tod tausendfach verdient. Aber blick dich doch mal um. Deine Banditen haben seine Garde innerhalb von wenigen Minuten völlig ausgelöscht. Und das mitten im Stadtzentrum. Wie viele Unschuldige sind hier ums Leben gekommen, Jack? Haben eure Fehlschüsse mit dem Leben bezahlt, sind verbrannt oder von einstürzenden Gebäudeteilen erschlagen worden? Wie viele, Jack? War es das wert? Was hatten diese Menschen mit deinem Rachefeldzug zu tun?“
Wie zur Bekräftigung seiner Worte stürzte hinter den beiden Piraten ein vierstöckiges Bürogebäude brennend in sich zusammen und legte ein dichtes Leichentuch aus Staub über die Szenerie.
Jacks Sicht verschwamm und nur Peters Stimme klang klar und deutlich über das Tosen der Flammen.
„Ich will dir nicht deinen Blutdurst vor Augen führen, Jack. Du weißt selbst, dass du eine durch und durch abartige Kreatur bist. Ich will dir zeigen, was deine Entscheidungen für Folgen haben. Wer für deine Fehler bezahlen muss. Ich glaube dir, dass du diese Menschen nicht töten wolltest, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie gestorben sind. Jede deiner Taten, jede deiner Entscheidungen kostet Leben.“

Als Jack seine Augen wieder öffnete, befand er sich in seinem Quartier und erkannte es auch sofort. Die Desorientierung war einer tiefen Trauer gewichen, welche von Schuldgefühlen unterstützt wurde.
Peter saß noch immer neben ihm, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, den Blick in die Dunkelheit des Raumes gerichtet.
„Warum tust du das? Warum tust du mir das nur an?“
Jacks Worte wurden von einem leisten Schluchzen unterbrochen und er musste sich beherrschen, die Träne aus seinem gesunden Auge nicht wegzuwischen.
„Wir zahlen alle für unsere Sünden, Jack. Früher oder später. Die einen fallen im Kampf, die anderen zerbrechen. Du hast eine verdammt lange Zeit vor dich hin gelebt, ohne die Konsequenzen zu beachten. Und das wird sich nun rächen. Und schieb es nicht auf mich, alter Griesgram. Für das Folgende bist du ganz alleine verantwortlich. Niemand sonst.“
Damit erhob sich die Einbildung von dem Bett und wandte sich Richtung Tür.
Nur einmal kurz wendete Peter seinen Kopf zu dem auf dem Bett kauernden Jack und blickte ihn traurig an.
„Es tut mir leid, dass ich dir jetzt nicht helfen kann, Jack. Aber diese Seelen möchten alleine mit dir sprechen.“
Damit verschwand sein Freund und ließ den am Boden zerstörten Piraten alleine in seinem Quartier zurück.
„Was meinst du mit Seelen? Peter, was zur Hölle meinst du damit? Wer will mit mir sprechen? Peter! Was soll das alles?“
Seine Worte waren immer leiser geworden, als die Dunkelheit um ihn herum lebendig wurde.
Schatten huschten durch das Zimmer und wispernde Stimmen umgaben ihn.
Panisch zuckte sein Blick zu dem Bürostuhl am Schreibtisch, über dessen Lehne sein Waffengurt mit der Automatikpistole und dem schweren Bowie-Messer hing.
Viel zu weit entfernt.
Er kroch weiter in die Ecke des Bettes und umschlang in einer hilflosen Geste seine Beine mit den Armen. Drückte sein Gesicht gegen die Knie. Aber die Stimmen in seinem Kopf ließen nicht nach. Im Gegenteil. Sie wurde stärker.
Angsterfüllt blickte er auf, als die Stimmen in seinem Verstand zu einem brutalen Rauschen verschmolzen.
„Hallo, Sergeant. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen. Ich wollte mich eigentlich nur bedanken.“
Second Lieutenant Toni Holle stand in seiner Ausgehuniform vor dem Bett und starrte aus leeren Augen emotionslos auf ihn herab.
„Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! Nein!“
Jack wollte schreien, wollte aufstehen und dem neuen Geist das Gesicht zu blutigem Brei schlagen, aber die Furcht hatte seine Muskeln erstarren lassen. Er konnte nur weiter auf die makabre Szenerie blicken, die sich vor ihm auftat.
„Oh doch, Jack. Ich wollte mich dafür bedanken, dass Sie mir meine Unfähigkeit vor Augen geführt haben. Dass Sie mich vor der gesamten Einheit bloß gestellt haben. Das Sie mich in den Selbstmord getrieben haben! Dafür möchte ich mich erkenntlich zeigen.“
Immer mehr Personen manifestierten sich in dem kleinen Raum, traten aus der Dunkelheit oder erschienen einfach vor ihm.
„Mein Herz! Verflucht seiest du Ryan! Gib mir ein Herz zurück!“
Der Regent von Betrayer machte einen stolpernden Schritt auf das Bett zu, die Arme weit ausgestreckt und damit das ausgefranzte, fast faustgroße Loch in seiner Brust entblößend.
„Nein! Verschwindet! Ihr seid alle nicht real. Ihr könnt mir nichts anhaben. Ich bin Jack Ryan-Jones. Verzieht euch in die Hölle, aus der ihr gekrochen seid.“
Er versuchte alle ihm verbliebene Kraft in seine Stimme zu legen, sich darauf zu konzentrieren, dass dies alles nur ein böser Traum war, aber seine geistige Instabilität in Verbindung mit den Geschehnissen der letzten Tage machten ihm dies unmöglich.
„Nicht aus der wir gekrochen sind, Jack. In die du uns geschickt hast!“
Das kleine Mädchen mit den braunen, schulterlangen Haaren und dem Blumenkleid trat aus der Menge und richtete anklagend ihren zarten Zeigefinger auf ihn.
Er musste nicht überlegen.
Er kannte das Gesicht des jungen Wesens aus hunderten seiner Alpträume… und aus den Sensordaten seines Marodeurs.
Sie war auf einem der zahllosen Planeten, die den Banditen zu Opfer gefallen waren, durch den konzentrierten Feuersturm seiner Kompanie gestolpert.
Eigentlich hatten die Angreifer eine versteckte Stellung der Miliz auslöschen wollen, aber irgendwie war plötzlich eine Gruppe Zivilisten in der Feuerlinie aufgetaucht.
Und im Hagel von Raketen, Autokanonensalven, Laser und Partikelblitzen ausgelöscht worden.
Jack hatte versucht, den Befehl zum Einstellen des Feuers zu geben, war jedoch vom Antwortfeuer der Verteidiger abgelenkt worden.
Er hatte das kleine Mädchen wahrgenommen, Sekundenbruchteile bevor sie von den Explosionen eines Schwarms Langstreckenraketen in Stücke gerissen worden war.
„Es war deine Idee, Jack. Die Verteidiger in der Innenstadt zu binden, damit sie zurückhaltender mit dem Feuer sind. Das dabei hunderte Unschuldiger ihr Leben lassen würden hast du als gegeben hingenommen, du Monster. Du hast mich auf dem Gewissen!“
Noch immer den Finger auf ihn gerichtet, zog sich der kleine Körper des Mädchens aus seinem Blickfeld zurück und machte den beiden jungen Frauen Platz, die er als Sklavinnen der schwarzen Legion an Bord der New Zeeland zurück gelassen hatte.
Die zwei nackten jungen Frauen pressten noch immer die Kleidungsfetzen an ihre Körper und ihre bloßen Füße machten platschende Geräusche bei jedem Schritt auf dem kalten Zimmerboden.
„Du hättest uns mitnehmen müssen, Jack. Uns aus den Klauen deines Vaters erretten müssen. Stattdessen hast du uns zurück gelassen. Mit diesen Bestien!“
Die Gestalten kamen nun auf ihn zu, während ihre Worte in seinem Gehirn zu einem unverständlichen Rauschen verschmolzen. Mit ausgestreckten Armen fingen die Geister seiner Vergangenheit an, an ihm zu zerren, während er sich wünschte durch die Wand flüchten zu können.
Wieder wollte er schreien, wollte sich gegen diese Flut wehren, aber seine Kraft schien ihn verlassen zu haben.
Hilflos ließ er sich treiben. Es gab nichts mehr, das er tun konnte. Er war dem Hass seiner Opfer ausgeliefert, ohne Fluchtmöglichkeit gefangen in den Qualen derer, dessen Leben er genommen hatte.
Und dann war da wieder Peters Stimme. Klar und deutlich über dem Raunen und Rauschen des Stimmenwirrwarrs.
„Es tut mir leid alter Griesgram. So furchtbar leid. Aber deine Reise ist noch nicht zu Ende. Wie bei Dickens fehlt noch ein Geist. Ich habe dir deine Vergangenheit aufgezeigt, die Fehler die du gemacht hast und die Opfer die das forderte. Holler hat dir die Seelen gezeigt, die auf deinem Gewissen lasten. Deren Qualen dich belasten und dich nicht zur Ruhe kommen lassen. Aber es gibt da noch jemanden, der dir deine Zukunft zeigen muss. Der dir klar machen wird, was mit dir geschehen wird, wenn du deine Zerrissenheit nicht in den Griff bekommst. Wenn du wie Desmond wirst, Jack. Mach dich bereit für den dritten Geist!“
Mit diesen Worten verschwamm sein Blickfeld erneut und die nach ihm greifenden Gestalten verschwanden fast augenblicklich.
Schluchzend öffnete er die Augen und blickte sich um.
Grob behauene Steinquader bildeten eine vier niedrige, fensterlose Wände an deren Decke eine nur schwach leuchtende Lampe ihren Dienst flackernd verrichtete.
Er hockte in einer Ecke des feucht-kalten Raumes und blickte auf eine massive Eisentür, die neben etwas Stroh und einem stinkenden Eimer die einzige Abwechslung in der tristen Erscheinung der Zelle bot.
Zitternd erhob sich der Pirat, als er leise Schritte auf der anderen Seite der Tür vernahm. Egal was Peter sich hatte einfallen lassen, schlimmer konnte es nicht mehr werden. Sollte sein alter Freund ihm nur noch mehr Schrecken präsentieren.
Er war am Boden der Tatsachen angelangt, moralisch völlig zerstört und am Ende. Nichts würde ihn noch mehr hinunter ziehen können.
Das zumindest waren seine Gedanken, bis sich die Tür öffnete und der Anblick sein sich gerade erholendes Selbstbewusstsein in Fetzen riss.
Als die verrosteten Scharniere der Tür kreischend ihren Dienst versahen, entblößte die sich öffnende Tür eine Frau, deren Schönheit ihm direkt Tränen in das gesunde Auge trieb.
Ihre Augen hingegen waren angefüllt von ehrlichem Mitleid, während das geblümte Sommerkleid ihren zierlichen Körper umwehte.
„Nein, bitte nicht. Nicht du!“
Sie stand einfach nur in der Tür und blickte ihn auf eine so bekannte Art an. Ihr langes Haar umrahmte das engelsgleiche Gesicht und ihr Körper verströmte den Geruch von frischen Aprikosen. Das Parfum hatte er ihr noch an Bord des Landungsschiffes gekauft, mit dem Sie von Conny’s Horden geflohen waren.
„Es tut mir so leid, Liebster. Aber ich kann dir das nicht ersparen. Ich muss dir zeigen, was du nicht sehen willst, damit dir klar wird, welcher Weg vor dir liegt, wenn du dich weiter von Hass und dem Verlangen nach Rache leiten lässt. Ich habe dich einmal gerettet und ich hoffe, es auch ein zweites Mal zu schaffen, auch wenn ich nicht mehr bin. Komm jetzt, wir haben nicht viel Zeit.“
Jessi streckte ihm ihre kleine Hand entgegen und nach kurzem Überlegen ergriff er sie zitternd, hielt sich einem Ertrinkenden gleich daran fest, während Sie ihn durch die Tür und einen dunklen Gang zog, hinaus auf einen großen, von hohen Mauern umgebenen Platz.
In dem Moment, in welchem er den ersten Schritt in das gleißende Licht des Tages machte und seine Hand schützend über das Auge schlug, hörte er ein mechanisches Klacken und nur Sekundenbruchteile später einen Knall.
Schnell erholte sich sein Auge von dem hellen Licht und er erblickte die Ursache für die Geräuschkulisse.
In einer kleinen Menge entfernt stehender Menschen befand sich ein zwei Meter hohes Podest, das von einem Galgen um weitere zweieinhalb Meter überragt wurde. Auf dem Podest befanden sich der Henker, mit der für seinen Berufsstand typischen schwarzen Kapuze, ein Pfarrer in der ebenfalls für Geistliche üblichen Soutane nebst zwei Wachen in nichtssagenden Uniformen.
Sein Blick war jedoch starr auf die Gestalt gerichtet, die an dem groben Hanfseil baumelte. Offensichtlich hatte der Ruck des Sturzes nicht den gewünschten Effekt hervorgerufen und das Genick des Delinquenten gebrochen, so dass die Person hilflos, mit auf dem Rücken gebundenen Händen und gefesselten Füßen in der Luft zappelte.
Jack konnte sich bildlich vorstellen, welche Qualen sich auf dem Gesicht der Person abzeichneten, welches unter einer ebenfalls schwarzen Kapuze verborgen war. Langsames Ersticken rangierte in seiner persönlichen Liste unschöner Todesarten so ziemlich auf einem der ersten Plätze. Gleich nach dem Verbrennen in einem aufgeheizten Mechcockpit und ertrinken.
Fassungslos starrte er auf die Szenerie, aber keiner der Umherstehenden schien dem armen Teufel gnädig gesonnen zu sein oder ihm zumindest einen schnelleren Tod durch einen Schuss zu gönnen.
„Warum zur Hölle tut keiner von denen was, Jessi? Was sind das nur für Bestien?“
Er blickte ihr in die tränengefüllten Augen.
„Er ist verurteilt worden, Jack. Von einem zugelassenen Gericht. In dem Gesetz ist die Strafe wortwörtlich festgehalten worden. Hängen, bis der Tod eintritt. Niemand kann ihm helfen, Jack. Niemand wird es tun.“
Mit knirschenden Kiefern wand er sich wieder der Szenerie zu und beobachtete völlig aufgelöst, wie die Zuckungen des Verurteilten langsamer wurden, bis sie schließlich völlig erstarben und das grausame Bündel zur Ruhe kam.
„Warum zeigst du mir das, Jessi? Was soll mir das sagen? Ich habe schon hunderte Menschen sterben sehen. Auch auf wesentlich qualvollere Arten.“
Ihre Stimme war nur ein Flüstern, als sein Engel ihm antwortete.
„Kannst oder willst du es nicht sehen, Jack? Fällt dir nichts an diesem Verurteilten auf? Sieh genau hin!“
Erst jetzt nahm der Pirat sich die Zeit, den zum Tode verurteilten eingehend zu mustern. Wahrscheinlich war es ein Mann mit breiten Schultern und groß gebaut. Er trug ein zerrissenes schwarzes Shirt und verschmutzte Hosen gleicher Farbe, an deren Seiten silberne Münzen in der Sonne glitzerten.
Scharf sog er Luft zwischen seinen Zähnen ein, als die Bedeutung dieser Einzelheiten in sein Gehirn vordrang.
„Die Bastarde hängen einen Lusan-Banditen. Pest und Hölle soll auf sie herabregnen. Egal was er verbrochen hat, das hat er nicht verdient!“
„Du verstehst noch immer nicht, Jack. Sie hängen nicht irgendeinen Banditen. Sie hängen den letzten Banditen! Sie hängen…“
Noch bevor die Erscheinung seiner toten Verlobten den Satz beenden konnte, erschlaffte der Körper des Verurteilten völlig und auch die letzten Zuckungen endeten. Als die Muskeln ihre Kraft verloren, fiel ein silberner Gegenstand aus der Hand des Gehängten und landete scheppernd auf den Pflastersteinen des Platzes.
Der verbeulte Flachmann klapperte über die einzelnen Steine und die Umherstehenden beeilten sich, dem Gegenstand aus dem Weg zu gehen, als wäre er verflucht.
„…dich, Jack. Das hier ist deine Hinrichtung.“
Sein Schrei war unmenschlicher, als es selbst jedes Tier zustande gebracht hätte.
Er schrie selbst noch, als er die Lieder aufschlug und in die Augen der ihm bekannt vorkommenden Frau blickte.
Unfähig, zwischen Realität und Wahnvorstellungen zu unterscheiden, verkrampfte sich sein Griff in Ihren Körper und zog sie an sich heran um sein tränenüberströmtes Gesicht in ihren Bauch zu drücken. Unkontrollierte Muskelkontraktionen schüttelten ihn durch und er war nicht in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.
Speichel lief aus seinem Mund und benetzte ihre Uniform noch zusätzlich zu den Tränen seines gesunden Auges.
Das immer mehr Personen in den Raum stürmten, in dem er sich befand, nahm er genau so wenig wahr, wie die beruhigenden Worte von Miko Tsuno.
Seine Qualen endeten erst, als ein herbeigerufener Sanitäter ihm ein starkes Narkotikum in den völlig verkrampften Arm spritzte und wohlige Dunkelheit ihn umfing.


Mechhangar der Rosemarie
Im Anflug auf die Sprungschiffe
Wayside System

Jack Ryan-Jones schreckte aus seinem leichten Schlaf hoch und blickte sich hektisch um. Die summende Betriebsamkeit der Instrumente seines Brandschatzer Battlemechs beruhigte ihn innerhalb von Sekundenbruchteilen und half ihm, sich zu orientieren.
Die Kampfmaschine stand sicher verzurrt in dem gigantischen Laderaum des Union-Landers der Chevaliers und sein Bordcomputer hatte gerade die Diagnose der Systeme der Kampfmaschine beendet.
Das durchdringende Fiepen der Meldung musste ihn aus dem Schlaf gerissen haben, worum er ehrlich dankbar war. Seit seinem Nervenzusammenbruch waren zwar schon einige Tage vergangen, aber noch immer plagten ihn Alpträume und zittrige Anfälle, besonders in Zeiten, in denen er sich nicht beschäftigen konnte.
„Ist alles in Ordnung, Jack?“
Die Stimme von Robert Steinberger erklang Sekunden, bevor der Kopf des ehemaligen lyranischen Offiziers in der Einstiegsluke erschien. Sein Tonfall klang besorgt, wie immer seit dem er Jack zusammengekrümmt auf dem Boden des Quartiers gesehen hatte, verkrallt in den Körper von Miko Tsuno, die ihn so vorgefunden hatte.
Irgendwie half es Jack, dass sich anscheinend zumindest eine Seele noch Gedanken um ihn zu machen schien.
„Ja, Robert. Alles in Ordnung. Ich war nur kurz eingedöst. Der Systemcheck des Bordcomputers ist durchgelaufen. Sieht wirklich gut aus. Wenn wir jetzt noch die Panzerung wieder drauffummeln und das Cockpit zusammenschrauben, können die Parder kommen.“
Sich ausgiebig streckend blickte er zu dem nun grinsenden Steinberger hinauf und schaffte es wirklich, in dem geräumigen Cockpit mit seinem Ellebogen an ein Schaltpult zu stoßen.
Flimmernd erwachte der Primärmonitor zum Leben, als das Abspielgerät ihm die Daten eines Com-Star Chips zukommen ließ.
„Hallo, Jack. Ich wusste, dass die Gerüchte über deinen Tod mehr als nur übertrieben sind. Dich will also nicht einmal der Teufel, Bruder. Wie du dir sicherlich denken kannst, melde ich mich nicht bei dir, um nach deinem Wohlbefinden zu fragen. Es ist viel eher so, dass du meine letzte Chance bist und alleine diese Tatsache ist schon traurig genug.“
Das Bild einer wunderschönen Frau Mitte zwanzig, mit fast nachtschwarzen, langen Haaren und durchdringenden grau-grünen Augen hatte sich auf dem Bildschirm manifestiert und blickte frostig auf Jack herunter, der bereits dabei war, fluchend die Stoptaste des Abspielgerätes zu suchen.
„Es ist viel vorgefallen zwischen uns, Bruder. Sehr viel. Und das meiste davon möchte ich lieber vergessen. Aber wenn ich mir einer Sache immer sicher sein konnte, dann das du da sein würdest, wenn ich deine Hilfe brauchte. Jetzt benötige nicht nur ich deine Unterstützung, Jack, nein, deine Heimat benötigt deine Unterstützung. Ich kann nicht weiter ins Detail gehen, aber Betrayer ist in erheblichen Schwierigkeiten. Deshalb bitte ich dich, nein, ich flehe dich an. Komm zurück und bring deine Banditen mit, denn ihr seit unsere letzte Hoffnung.“
Das Bild verschwand in der Sekunde, in der Jack endlich den Knopf des Abspielgerätes entdeckt und gedrückt hatte.
Verdammt!
„Du hast eine Schwester?“
Roberts Stimme troff förmlich vor Neugierde, während er sich in das Cockpit hangelte. Wieder einmal bewahrheitete sich der alte Spruch, dass die beiden wissbegierigsten Berufsstände der Menschheit Wissenschaftler und Soldaten waren.
Natürlich würde auch Isabelles sprichwörtliche Schönheit nicht gerade dabei helfen, Roberts Interesse zu unterbinden.
Verdammte Lyraner!
„Ja, Robert. Ich habe eine Schwester. Um da etwas genauer zu werden, sie ist meine Halbschwester, wir verstehen uns nicht besonders gut und haben uns auch seit Jahren nicht mehr gesehen.“
Der ehemalige Adlige von Maestu ließ sich auf dem Reservesitz schräg hinter seinem Vorgesetzten nieder und blickte interessiert auf dessen Hinterkopf, was Jack fast wahnsinnig machte.
„Okay, aber sie hat dich um Hilfe gebeten, Jack. Es hat sich ziemlich dringend angehört, wenn du mich fragst. War das die Nachricht, die du kurz vor unserem Abflug erhalten hast?“
Völlig entnervt schloss der ehemalige Pirat die Augen und wägte seine Optionen ab.
Einen Mord hier in dem Cockpit würde er niemals vertuschen können und ein Unfall war eher unglaubwürdig.
Eine Lüge würde ihn hier nicht wirklich weiter bringen, also…
„Ja, das war eine der Nachrichten die mich per HPG erreicht haben, bevor wir Wayside verließen. Ich habe auf einem Hinterwäldlerplaneten mit einem Klasse C HPG ein Postfach eingerichtet, dass alle Nachrichten an mich speichert. Als ich hier ankam, habe ich eine Abrufnachricht an dieses Postfach gesendet und bekam so alles gebündelt zugeschickt. Sehr kostspielig das Ganze, aber für Piraten die einzige Möglichkeit erreichbar zu sein.“
Er atmete tief durch, bevor er zum nächsten Satz ansetzte und hielt seine Stimme so leise, wie es ihm nur möglich war.
„Ich schwöre dir, Robert Steinberger, ich werde dir die Zunge aus deinem Maul reissen, wenn etwas über diese Nachricht bekannt wird und es wird mir absolut scheißegal sein, was Danton daraufhin mit mir macht. Haben wir uns soweit verstanden?“
Ein kurzer Schulterblick zeigte einen blass werdenden Mechpiloten, sodass Jack sicher sein konnte, dass seine Drohung angekommen war und auch ernst genommen wurde.
Nach einem kurzen Nicken seines Gesprächspartners fuhr er fort.
„Wie du weißt, leben Piraten nicht gerade sicher. Wir sind ständig auf der Flucht, es gibt immer irgendeine Söldnereinheit, Miliz oder reguläre Armeetruppe die uns den Gar ausmachen will. Manchmal kommt es sogar vor, dass wir uns gegenseitig attackieren. Ist gar nicht so selten. Isabelle ist einige Jahre jünger als ich und ich habe immer auf Sie aufgepasst, aber leider konnte auch ich nicht verhindern, dass sie an… na sagen wir mal… die falschen Männer geriet.“
Jacks Blick zuckte kurz zu dem Privatfach mit der Reserveportion Absinth, aber er verwarf den Gedanken schnell wieder. Wenn Shepard ihn mit einer Fahne erwischte, gab es mächtige Probleme und ein Mann, der ständig mit einer ungesicherten Waffe durch die Gegend lief war nicht zu unterschätzen.
Stattdessen griff er in die Brusttasche seines Uniformhemdes, zog eine Packung Kaugummis hervor und steckte sich einen der grauen Streifen in den Mund, bevor er die Augen schloss und den Anisgeschmack voll in sich aufsog.
Die Kaugummis waren eine Idee des Paters gewesen und Jack danke dem Herrn für diesen glorreichen Einfall.
„Und was hast du getan, damit sie nicht mehr gut auf dich zu sprechen ist?“
Jack hatte noch immer die Augen geschlossen und kaute auf der klebrigen Masse herum, während er über Roberts Worte nachdachte. Oder vielmehr darüber, wie er möglichst diplomatisch darauf antworten konnte.
„Ich hab dem Bastard, der sie verletzt hat, sein verdammtes Herz bei lebendigem Leib aus der Brust geschnitten nachdem ich seine Einheit Mann für Mann niedergemacht und seine Basis bis auf die Grundmauern niedergebrannt hatte.“
Da außer einem trockenen Schlucken keine Reaktion von dem Reservesitz kam, beschloss Jack seinen neuen Freund mit der ganzen Wahrheit zu beglücken.
„Leider hatte sie den Kerl geheiratet und Frauen sind in solchen Dingen einfach unglaublich irrational. Zumindest hat sie nach diesem Schwein einen richtig guten Mann bekommen. Den besten den ich je kennen gelernt habe. Einen mit Herz und Verstand, der sie wirklich geliebt hat.“
Wie zufällig spielte Jack plötzlich mit einem gelben Cocktailschirmchen herum, ohne dass es ihm wirklich bewusst geworden wäre.
„Kurz nach der Verlobung ist dieser Kerl dann unter meinem Kommando gestorben. Das war wohl der Todesstoß für unsere familiäre Bande. Ich konnte ihr nicht mehr unter die Augen treten und sie wollte mich auch nicht mehr sehen. Wir sind im Streit auseinander gegangen. Diese Nachricht ist das erste, was ich seit Jahren von ihr höre.“
Kurz dachte Jack, Robert sei an einer Herzattacke verschieden, so ruhig war es hinter ihm. Dann jedoch räusperte sich der junge Mann und antwortete ihm mit belegter Stimme.
„Manchmal müssen Geschwister wohl tun, was der andere nicht versteht. Aber hast du wirklich vor, nichts zu unternehmen? Ich meine, das hat sich wirklich ernst angehört, Jack.“
Bedächtig nickte er.
Das war eine passende Analyse der Nachricht. Wenn Isabelle ihn um Hilfe anflehte, musste sie wirklich in Schwierigkeiten stecken.
„Oh, Robert, ich werde ihr zur Hilfe eilen, aber Sie hat nicht nur mich gerufen. Sie hat gesagt ich soll mit meinen Banditen kommen. Das bedeutet, dass es wirklich übel werden könnte. Alleine muss ich da gar nicht erst aufkreuzen.“
Mit einer schnellen Bewegung ließ Jack die Cockpitluke zu gleiten und deaktivierte den Funk. Jetzt waren die beiden Männer alleine in der hektischen Betriebsamkeit der Schaltzentrale des Battlemechs, isoliert von jedem unerwünschten Zuhörer.
„Für den Fall das die Banditen versprengt werden, habe ich irgendwann begonnen geheime Kommunikationskanäle zu installieren. Tote Briefkästen auf dutzenden von Welten. Postfächer bei ComStar, automatisch geschaltete Kontaktanzeigen mit geheimen Inhalten und Ähnliches. Kurz bevor wir abgehoben sind, habe ich Nachrichten abgeschickt, die alle überlebenden Banditen zusammenrufen. Aber das wird Monate dauern, Robert und meine Kampfeinheiten sind bis auf drei Ausnahmen aufgerieben worden. Das bedeutet, dass wir wahrscheinlich genügend Transportkapazität zur Verfügung stehen haben werden, aber nur verdammt wenige Krieger.“
Jack hatte langsam das Bowiemesser aus seiner Scheide gezogen und wartete mit angespannten Muskeln auf die Reaktion des anderen Mannes. Es würde schwer werden, eine Leiche an Bord eines Landungsschiffes verschwinden zu lassen, aber unmöglich war es definitiv nicht.
Die Mündung der Laserpistole am Schädelknochen hinter seinem linken Ohr ließ ihn die Augen öffnen.
„Steck das Messer wieder genau dahin, wo du es her hast, Jack. Ich bin ein verurteilter Kriegsverbrecher und ein Adliger, der seine Ländereien an die Clans verloren hat. Außer den Chevaliers würde keine respektable Einheit auch nur darüber nachdenken, mich aufzunehmen und ich muss dir nicht sagen, wie ungern ich unter dem Mörder meines Bruders diene. Also wenn du mich fragen willst, ob ich dir in die Piraterie folgen möchte, so lautet die Antwort ja. Wenn du mich fragen möchtest, ob ich dir helfe, eine neue Einheit auszuheben um deiner Schwester zur Hilfe zu kommen lautet die Antwort ebenfalls ja. Aber bedroh mich noch ein einziges Mal mit diesem Zahnstocher und ich schieße dich nieder wie einen reudigen Köter.“
Ein brutales Lächeln auf den Zügen schob Jack sein Messer wieder zurück in seine Halterung, woraufhin der kalte Stahl hinter seinem Ohr ebenfalls verschwand.
„Wie gehen wir vor?“
Die Frage von Robert klang wieder absolut sachlich, fast schon routiniert, ganz im Gegensatz zu der tödlichen Kälte, die noch vor ein paar Worten darin unterschwellig zu hören gewesen war.
„Egal wo meine Leute sind, sie werden nach Fury Station kommen. Aber es wird wahrscheinlich Monate dauern. Wir werden also brav weiterhin mit Danton die Parder jagen und ausschalten, aber nebenbei kochen wir unser eigenes Süppchen. Wir rekrutieren alle Unzufriedenen und Rebellen innerhalb der Chevaliers und Husaren und wenn wir den Auftrag erfüllt haben werden wir uns gediegen absetzen. Ganz nach Piratenart, so schnell, als hätte es uns nie gegeben. Wir werden die Ausrüstung zurück lassen müssen, aber das dürfte kein Problem sein. Ich habe finanzielle Mittel und Kontakte um uns alles zu beschaffen was wir benötigen.“
„Auch Battlemechs und Kampffahrzeuge? Waffen, Munition, Ersatzteile?“
Die Offiziersausbildung hatte bei Robert wieder das Denken übernommen und hätte Jack seine Augen sehen können, so wäre ihm klar geworden, dass der jüngere Mann bereits damit beschäftigt war, taktischen Erwägungen nachzugehen.
„Alles was wir brauchen, Robert.“
„Gut, personell kann ich im Moment nur für Jesse sprechen, aber der ist absolut vertrauenswürdig. Vielleicht malt er sich gerade eine Karriere bei den Chevs aus, aber das kann ich ändern. Miranda ist ebenfalls auf meiner vorläufigen Liste. Da bin ich mir aber noch nicht sicher. Du solltest aber in jedem Fall mit deinen beiden Freundinnen sprechen.“
Wütend wandte sich Jack zu Robert um und funkelte ihn aus seinem gesunden Auge an.
„Lieber fresse ich Scheiße und ordere Nachschlag!“
„Beruhig dich, Jack. Die beiden sind gutes Material und nach dem Ding mit dir haben die unter Danton keine wirklich guten Karten mehr. Bei den meisten Husaren sind sie ebenfalls unten durch und werden höchstens noch als lebende Matratzen gehandelt. Wie ich sagte, gutes Material.“
Ächzend drehte sich Jack wieder den Instrumenten zu. Er wusste, dass Robert Recht hatte, aber gefallen musste es ihm trotzdem nicht.
„Das übernimmst du, Robert. Aber unauffällig. Wenn wir Gefahr laufen auf zu fliegen, müssen wir Unfälle vortäuschen und das würde ich bei einem Spürhund wie Danton nur sehr ungern tun.“
Robert nickte und lächelte dann verwegen.
„Klar, Boss, aber ich will eine eigene Lanze.“
„Sollst du bekommen, Robert. Und jetzt verschwinde, ich muss mich hier noch um die Elektronik kümmern.“
Mit einem leisen Zischen öffnete sich die Einstiegsluke auf einen Knopfdruck von Jack hin wieder und Steinberger begann, aus dem Cockpit zu klettern, nachdem er sich aus dem Reservesitz gezwängt hatte.
„Ach ja, Robert eins noch…“
Der Angesprochene verharrte mitten in der Bewegung und sah zu dem abwesend vor sich hin grübelnden Jack hinab.
„…Danton ist tabu. Wenn ihm irgendwas passieren sollte, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich. Ich schulde dem Mann eine ganze Menge!“
Das verächtliche Brummen des ehemaligen Offiziers klang eher wie ein Knurren, aber Jack war sich sicher, dass seine Botschaft angekommen war.

__________________
Wahnsinn und Genie liegen oft näher beieinander als man denkt.

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"Und wer behauptet, dass Napoleon schwach ist, der verdient..."
"Zwanzig Kugeln!"
"Ich wollte sagen, meine Missachtung, aber Ihre Interpretation ist auch ganz nett, Marschall."
***
Das Schöne an interstellaren Reisen war die unumstößliche Tatsache, dass man nur an den Sprungpunkten mit Null G unterwegs war. Menschen mit empfindlichen Mägen waren dafür regelmäßig dankbar. Es bedeutete allerdings auch, dass diese empfindlichen Mägen besser nie in die Sprungschiff-Branche wechseln sollten.
Im Moment waren die fünf Landungsschiffe der Chevaliers dabei, nach halber Strecke zum Piratensprungpunkt abzubremsen. Das bedeutete durch die Geschwindigkeitsreduzierung Andruck, und damit Schwerkraft. Schwerkraft, die es erlaubte, seinen Kaffee aus einer normalen Tasse zu trinken, ohne diese Null G-Mistdinger benutzen zu müssen. Es bedeutete allerdings auch, dass Germaine Danton wieder mal seine Knochen spürte. Insbesondere die kaum verheilten Brüche der vorletzten Mission und die frisch geschossenen Verletzungen von Wayside V. Seine linke Hand schmerzte fürchterlich. Was aber vielleicht daran liegen konnte, dass er bei eine Besprechung mit Shepard mit beiden Händen auf den Tresen gehauen hatte. Und sein rechtes Knie war irgendwie steifer als sonst. Was seine Ursache in der ermüdenden Marathon-Sitzung mit seiner Stabschefin haben könnte, in der am dritten Reisetag ein Komplettabriss über den Zustand der Ausrüstung besprochen worden war.
Nun saß er wieder in seinem kleinen Büro, und studierte zum zehnten oder elften Mal den Bericht von Fokker und Brenstein, den die beiden dankenswerterweise beendet hatten, bevor die Husaren über Wayside V hergefallen waren. Dafür stand noch ein Dankeschön aus, ein Umstand den Germaine seit Wochen aufschob.

Es klopfte an der Tür. "Herein."
Copeland betrat mit einem gewinnenden Lächeln das Büro. In der Hand hielt er ein Bündel C-Noten. "Ihr Pott, Germaine. Alles in allem fünfhundert Scheinchen."
Germaine hob die Augenbrauen. "Ich habe das Chevaliers-Lotto gewonnen? Wie überraschend."
Chevaliers-Lotto, so nannte die Truppe den eigentlich höchst illegalen Wettpool von Colonel Copeland, der sich mit dem Schicksal der Chevaliers befasste. Aber da es ein Oberlimit für den Wetteinsatz gab, und da eine erlaubte Wette immer noch besser war als ein Dutzend illegaler Pools, hatte Germaine ein Auge zugedrückt und selbst eine C-Note investiert. Die Höhe der Gewinnsumme machte deutlich, dass er der alleinige Gewinner war.
Copeland zog die Hand mit den Scheinen wieder zurück. "Sie haben doch nicht etwa was von dem blinden Passagier gewusst? Dann muss ich Sie disqualifizieren und den Pool wieder eröffnen."
"Blinder Passagier? Erzählen Sie, Harry."
Beim Chevaliers-Lotto wurde etwas polemisch gewettet. Nämlich auf den Tag, an dem das nächste ungewöhnliche Ereignis stattfand. Also ein Piratenüberfall, eine Meuterei, ein Pin Up-Kalender mit Jara Fokker als Hauptmotiv, irgend etwas Ungewöhnliches halt, das die Chevaliers mit der Selbstverständlichkeit einer "zielsuchenden Rakete irgendwann treffen" würde, wie Copeland gesagt hatte. Und er pflegte hinzu zu fügen: Wenn ungewöhnliche Ereignisse, merkwürdige Begebenheiten und unwahrscheinliche Zufälle LSR wären, dann wären die Chevaliers permanent mit Zielsuchlaser markiert. Germaine hatte auf den ersten Tag gewettet, weil er ihm eigentlich - eigentlich - unwahrscheinlich erschienen war. Aber das hatte sich dann wohl erledigt.
"Ein Tech der Wayside-Miliz. Ist drüben auf der PRIDE aufgetaucht. Hat sich in der Ladung versteckt. Er behauptet, in Schwarzmarktgeschäfte verwickelt zu sein, und seine Handelspartner wollten ihn nun als Bauernopfer umbringen, weil er zu viel weiß. Der Bordarzt hat bei ihm eine nicht selbst zugefügte Verletzung festgestellt. Bringt noch kein Licht ins Dunkel, aber - hier ist die Kohle, Boss."
"Danke, nein. Geben Sie es Juli. Sie soll es für einen guten Zweck spenden."
"Ich wüsste einen guten Zweck: Freibier für die Offiziersmesse", wandte Copeland grinsend ein.
"Ein Deserteur also. Wie interessant", wich Germaine aus. "Irgendwie verwickelt in unseren Kriminalfall um den armen Toni?"
"Kann man so und aus der Ferne nicht sagen." Copeland runzelte die Stirn. "Könnte auch was mit Captain Brenstein zu tun haben. Sie erwähnten, dass er in der Handelsbranche vor unserem Angriff leichten Ärger hatte."
"Ich hatte Charles darauf angesetzt, das näher zu untersuchen. Aber ein Regiment kam dazwischen."
"Ich behalte das im Hinterkopf, Germaine. Jedenfalls scheint der Tech in seiner Arbeit ganz gut zu sein, und seit dem Artillerieangriff und trotz der Personalspritze durch die Husaren sind wir an guten SeniorTechs weit unterbesetzt. Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, kümmere ich mich um eine formelle Überstellung des Manns von der Miliz zu den Chevaliers."
"Wenn der Mann so gut ist, meinetwegen. Ich habe jedenfalls keine Lust, wieder zurückzufliegen oder ihn auf ein uns kreuzendes Landungsschiff auf Gegenkurs zu bringen. Aber ich verlange, dass Doreen ihn bewertet."
"Ist notiert, Boss. Apropos notiert: Wieder die Arbeit vom Brenstein-Fokker-Duo?"
"Wieder ihre Arbeit, ja." Germaine rieb sich die Nasenwurzel. "Über den ganzen Trubel der planetaren Invasion, die Nachwirkungen, die Erweiterung der Chevaliers und meine Ernennung zum Grafen bin ich bestenfalls ein halbes Dutzend Mal dazu gekommen, hier wirklich rein zu sehen. Die Eagles waren gründlich und nachdrücklich, aber wenn man diesen Angaben glauben kann, dann hat es mindestens ein verdammter Sternhaufen wieder raus ins All geschafft. Aufgeteilt auf siebenunddreißig Einheiten, und garantiert uneins und zerstritten, mit zerschossenen Maschinen, ohne die Strukturen ihres ausgelöschten Clans. Aber auf Wayside hat man ihre Leichen nicht gefunden, geschweige denn ihre Maschinen. Und seitdem ist viel Zeit vergangen. Sehr viel Zeit."
Danton sah auf. "Sie kennen doch das Sprichwort: Wenn die Innere Sphäre die Generalmobilmachung beendet hat, haben die Clans schon zwei neue Generationen Krieger gezeugt!?"
"Schon mal von gehört, ja."
"Ich möchte den geflohenen Nebelpardern nicht unterstellen, dass sie ihre eigenen Wissenschaftler und Biologen dabei hatten, geschweige denn ihre Brutkästen. Aber Clans pflanzen sich nicht nur durch ihre Brutkästen fort. Und die Parder müssen nur verzweifelt genug sein, dann beginnen sie auch damit, fähige Soldaten zu adoptieren. Selbst wenn es Piraten sind."
"Waren, in dem Fall. Menschen neigen oft genug dazu, ihre eigene Logik zu verdrehen, bis sie ihnen wieder zur Situation passt."
"Das ist eine Erklärung für vier Nachfolgekriege, Harry", gab Danton zurück.
"Eventuell. Also lauert da draußen ein Sternhaufen?"
"Aufgeteilt auf hoffentlich viele kleine Grüppchen. Keine der Einheiten, die sich retten konnte, beziehungsweise vor der Vernichtung dem Hasenpanier Ehre erwies, war größer als ein Binärstern, und eher selten nicht angeschlagen. Das heißt aber nicht, dass sich nicht doch eine größere Einheit formieren konnte. Wenn wir Pech haben, treffen wir auf eine gut strukturierte Galaxis. Bei großem Pech mit eigenen Kriegsschiffen, falls sich andere Parder dazu entschlossen haben, statt der Assimilation die Nähe zu den letzten freien Pardern zu wählen. Wenn wir nicht so viel Pech haben, kommen wir zum Sternhaufen, der, bei etwas mehr Glück, in kleineren getrennten Verbänden operiert. Die Operation am Pulsar auf der freien Handfelsstation Fury bietet uns da einige Aufschlüsse, womit wir minimal rechnen müssen."
"Und deshalb sind wir jetzt auf dem Weg, um der gleichen Raumstation einen Besuch abzustatten."
"Ein paar Informationen sind nicht verkehrt. Unsere Parder haben da seit dem Überfall sicher keine Freunde. Wenn wir ins Caliban-System weiter ziehen, wüsste ich vorher schon gerne, mit welchen Mechs wir uns anlegen, und welchen Zustand sie haben."
"Zumindest wüssten wir, welche Mechs die Parder gegen Fury eingesetzt haben, welche Mittel sie haben."
"Das war der Vater dieses Gedanken, ja. Deshalb habe ich Jara und Mathew überhaupt erst an dieser Aufstellung arbeiten lassen."
"Ungeachtet der Möglichkeit, dass sich uns vollkommen unbekannte Verbände unserer Beute angeschlossen haben."
"Weshalb wir auf dem Weg nach Fury sind. Ergeben die dortigen Überwachungsbilder Änderungen in den Konfigurationen oder neue Maschinen, sollten wir den Begriff Vorsicht neu erlernen."
Copeland strich sich übers Kinn. "Was mir gerade eingefallen ist: Die Kacke dampft ganz schön, Chef. Wir reden hier von Einheiten, die per Sprungschiff ins Wayside-System gekommen sind, und die von Landungsschiffen gebracht wurden. Alle Einheiten, die entkommen konnten, haben garantiert ihre Landungsschiffe mitgenommen, und auch ihre Sprungschiffe. Wenn wir davon ausgehen, dass die meisten Einheiten, welche die Eagles attackiert haben, ein leichteres Gebot einer Einheit waren, die nach der Vernichtung des Gebots weiter nach Diana gezogen sind, bleiben noch eine Menge Lander und Springer übrig. Was würden Sie mit einem Überschuss an Landungsschiffen und Sprungschiffen tun?"
"Ich? Ein Handelsimperium aufbauen und mit meinen überlebenden Streitkräften schützen." Danton griff nach seinem Kaffee. "Es gibt hier in der Region Dutzende besiedelter Welten, deren Zivilisationsstandard nach der Besiedlung nicht wesentlich degeneriert ist. Kein IS-Standard, aber sicher weit genug, um interstellaren Handel zu betreiben."
"Sicher einer der Gründe, warum unsere Parderpiraten nicht weiter gezogen sind. Es gibt genügend Beute zu schlagen. Aber kommen wir zu den Schiffen zurück, deren Wartung Zeit und Geld kostet, vom Unterhalt ganz zu schweigen. Gehen wir mal ganz frech davon aus, dass unsere Gegner zur letzten Welle der Nebelparder gehören, die von den nachstoßenden Truppen der Operation Bulldog von Diana abgeschnitten wurden. Gehen wir davon aus, das sie acht bis zehn Landungsschiffe und drei bis fünf Sprungschiffe mitgebracht haben, zusätzlich zum Sternhaufen an Mechs, Elementaren und Luft/Raumjägern. Wie unterhalten sie diesen Schiffspark? Wo warten sie sie? Und da sie zu Überfällen fliegen, in denen ihre kostbaren Lander beschädigt werden können: Wo ist das Gerüst, in dem sie ihre Lander und Springer vollwarten können?"
"Langsam, langsam. Eine Werft, selbst nur eine Reparaturwerft, ist LosTech, noch immer. Und ausgerechnet hier draußen sollen wir so etwas finden?", wandte Germaine ein.
"Eben. Falls das ComStar-Explorercorps hier keine geheime Anlage erbaut hat, um die Deep Space Explorer, die Richtung Milchstraßenzentrum unterwegs waren, etwas außer Sicht zu warten, wird es so etwas hier draußen nicht geben. Abgesehen von Materialknappheit. Der Umstand, dass die Parder beim Überfall auf Fury hauptsächlich Verbrauchsgüter erbeutet haben, spricht für sich. Abgesehen von Wayside V ist dies der beste Ort, um an höherwertige Technologie und interstellare Handelswaren zu kommen. Allerdings hat selbst Fury keine Wartungsmöglichkeiten für Landungsschiffe, wenn meine Informationen auf dem neuesten Stand sind."
"Dann werden die Parder, vornehmlich unsere Gegner, höchstwahrscheinlich einige der Schiffe ausschlachten, um die anderen am Laufen zu halten. Wenn sie sie nicht gleich auf dem Schwarzmarkt zu horrenden Preisen abgestoßen haben."
"Eine Horrorvorstellung: Reiche Nebelparder." Copeland schüttelte sich.
Danton grinste dünn. "Wenn, dann haben sie das Geld nicht sichtlich investiert. Seit der Verteidigung von Wayside V sind Jahre vergangen. In dieser Zeit haben sie nie besonders von sich reden gemacht. Aufgefallen sind sie nur ComStar."
Copeland nickte. "Und wir sind hier draußen, weil die Weißkapuziner befürchten, dass sich um unsere Clanner der Clan Nebelparder neu formieren wird. Die Blutlinie Showers wurde größtenteils von den Wölfen und den Novakatzen assimiliert, aber eben nur größtenteils. Und von allen Bluthäusern der Parder ist das des ehemaligen IlKhans dasjenige, dem intern das meiste Recht zugestanden wird, den Clan neu entstehen zu lassen und anzuführen. Normalerweise wäre das kein großes Problem, solange sich nicht genügend ehemalige Nebelparder dafür interessieren."
"Womit wir bei unserem Auftrag und dem Problem wären. Anscheinend interessieren sich einige Parder für ein bestimmten Showers, und deshalb kommen unsere Freunde in letzter Zeit so deutlich ins Licht, dass sogar ComStar hingeschaut hat. Hier, hinter der Flanke der Geisterbären und Wölfe."
"Aber das ist Meta-Plot, Chef. Unser Problem ist viel naheliegender. Wir werden wohl kaum ins Caliban-System platzen, während dort eine Galaxis ehemaliger Parder, unterstützt von drei, vier vermissten Kriegsschiffen gerade ihre konstituierende Sitzung zur Neugründung des Clans abhalten. Für uns geht es um die Einheit, und um einige Namen auf einer Liste."
Danton schüttelte tadelnd den Kopf. "Harry, Sie haben Regel eins gebrochen: Niemals beschreiben, was schlimmstenfalls passiert, sonst tritt es sein. Wenn wir also tatsächlich auf eine überwältigende Übermacht treffen, und ein paar Parder-Kriegsschiffe, dann lasse ich Sie kielholen. Zweimal."
"Tschuldigung, Chef", merkte Copeland reuig an. Die meisten Söldner waren abergläubisch; es war zumeist reines Glück, das sie am Leben erhielt. Copeland bildete da eigentlich keine Ausnahme, auch wenn er keine vierblättrigen Kleeblätter oder Hufeisen bei sich trug, und in seiner Kabine der Daruma darauf wartete, dass er das zweite Auge ausmalte.
"Unser Kurs ist also klar. Wir bereiten uns auf den schlimmsten Fall vor, nämlich mit dem ersten Sprung ins Caliban-System rein zu hüpfen, und mit dem zweiten gleich wieder raus, weil es mit Nebelpardern überfüllt ist."
"Was gleichbedeutend mit unserem Scheitern wäre."
"Richtig, Harry. Dann ist unser oberstes Gebot Fersengeld zum nächsten HPG geben, und die schlechte Nachricht an ComStar zu übermitteln.
Die nicht so aussichtslosen Szenarien sehen gleich starke Gegner oder weit schwächere Einheiten vor. Natürlich immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass in der Nähe noch mehr Parder lauern könnten."
"Das ist der große Nachteil, wenn man die Stärke des Gegners nicht exakt kennt", pflichtete Copeland bei. "Und dann gibt es noch das Szenario, das wir gar nichts finden, obwohl Mr. Cole mit ihnen im Caliban-System aneinander geraten ist."
"Noch so ein Punkt. Eine Sauerstoffwelt wie Caliban IV ist für sich bereits ein riesiges Terrain. Wenn sich die Parder aber für den Aufwand entschieden haben, auf einem der beiden Monde zu siedeln, oder auf einer der anderen Welten des Systems - also effektiv Verstecken zu spielen - bestimmen sie Ort und Zeit der Auseinandersetzung. Falls sie es überhaupt darauf ankommen lassen. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass ihre Omni-Mechs mittlerweile in so einem schlechten Zustand sind, dass sie den Kampf mit einer Frontklasse-Einheit der IS nicht riskieren werden."
"Sie meinen, die Parder handeln gegen ihre Natur?"
"Ich meine, dass die Parder nicht hier draußen überleben konnten, wenn sie sich an den Codex des Clans gehalten hätten. Andernfalls hätten sie sich schon längst einem anderen Clan anschließen oder sich den Eagles beziehungsweise dem Kombinat anschließen müssen. Behalten Sie das unbedingt im Hinterkopf, Harry. Sie sind der Chef meiner Mechtruppe, mein Hammer und mein Amboss. Sie sind vorne mit im Feld, und von Ihren taktischen Entscheidungen kann das Überleben der Einheit abhängen. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass diese Parder auch nur einen Clansbrauch benutzen werden, der uns in der Vergangenheit Vorteile gegen sie verschafft hat."
"Hm. Ich werde meine Kompaniechefs drauf einstellen. Was unser Training angeht, so schlage ich vor, Verbundwaffentraining zu üben, in der wir gegen gleich starke Clanseinheiten antreten. Frontklasse. Es kann nichts schaden, wenn unsere Krieger auf schwächere Ziele treffen, anstatt auf jene, gegen die sie trainiert wurden."
"Einverstanden. Wir warten damit aber bis nach dem nächsten Sprung. Nur Schulungen und leichter Dienst für alle. Auch für Jara. Bläuen Sie es ihr ein. Die großangelegten Szenarien heben wir uns für Zeiten auf, in denen unseren Leuten wegen der mangelnden Privatsphäre, der Enge und den nervigen Kameraden links und rechts das erste Mal die Decke auf den Kopf fällt."
"Was zwangsläufig irgendwann der Fall sein wird", sagte Copeland nickend. "Ich werde entsprechende Vorbereitungen treffen." Er winkte mit dem Geld. "Und die Scheinchen hier übergebe ich Major Harris, verbunden mit Ihrem Wunsch, die Offiziersmesse dafür mit Bier zu bestücken."
"Was ich sagte, war... Ach, hauen Sie ab, Harry. Manchmal weiß ich nicht, ob Sie der größere Kindskopf sind, oder ich."
Copeland grinste und tippte sich in Andeutung eines Gruß an die Stirn. "Das fasse ich als Kompliment auf, Sir." Fröhlich pfeifend verließ er das Büro.

Germaine Danton blickte wieder auf das Hologramm. Nicht zum ersten Mal war er dankbar dafür, dass er damals bei der Gründung der Chevaliers daran gedacht hatte, einen Pionierzug aufzustellen. Auch gegen diesen Gegner würde er sich als sehr effektiv erweisen.
***
"Lieutenant!"
Trudy Swanson blieb stehen und wandte sich um. Einer der Techs - Wakefield, wenn sie sich recht entsann - lief hinter ihr her, in der Hand ein Klemmbrett. "Lieutenant Swanson!"
"Was gibt es, AsTech?"
"Der MeisterTech hat gesagt, Sie wollten das hier so schnell wie möglich haben. Es ist der aktuelle Wartungsbericht Ihres Vogels."
Swanson lächelte wohlwollend. "Ah, danke." Sie nahm das Klemmbrett entgegen und blätterte durch die Seiten. "Sieht doch alles nicht so schlecht aus."
"Die LSR-Lafette braucht noch ein wenig Arbeit und eine Neuabstimmung für die interne Computerkommunikation. Ist alles Routine und hat nichts mit den Gefechtsschäden zu tun. Natürlicher Verschleiß. Ich kann das heute noch richten, wenn Sie es wünschen."
"Heute noch? Sie haben Dienstschluss, oder? Und außerdem muss ich dabei sein." Sie runzelte die Stirn.
Der junge Tech druckste verlegen. "Nun, es besteht wirklich keine Eile. Aber ich könnte frischen Kaffee aus der Messe holen, vielleicht was Süßes dazu. Die Mechkekse müssten fertig sein."
"Mechkekse?"
"Eine alte Chevalierstradition mit viel echtem Marzipan", erklärte Wakefield, nicht ohne eine Mischung aus Stolz und Wehmut in der Stimme.
Swanson musterte den Mann amüsiert. "Also Ihre Freizeit, Kaffee und Süßes? Sind Sie sicher?"
Der junge Bursche straffte sich. "Selbstverständlich, Lieutenant! Das wäre eine gute Gelegenheit für mich, gerade wo ich doch vor meiner Tauglichkeitsprüfung zum SeniorTech stehe."
"Sie werden zum SeniorTech geprüft? Das wusste ich ja noch gar nicht. Gratuliere, Wakefield."
"Sam. Sagen Sie Sam, Lieutenant." Er lachte verlegen. "Magus hat es mir gesagt, kaum das sie aus dem Krankenhaus raus war. Wir haben ihre Beine getuned, und da meinte sie, es wäre an der Zeit für mich, nicht mehr herumgescheucht zu werden, sondern andere herum zu scheuchen. Also? Es wäre für einen guten Zweck, Lieutenant."
Sie seufzte und atmete gespielt heftig aus. "Also gut. In einer Viertelstunde an meiner Maschine. Und wehe, Ihre Mechkekse sind nicht so gut, wie Sie sagen."
Das Gesicht des jungen Techs strahlte heller als eine Nova. "Wirklich? Dann... Dann laufe ich sofort in die Messe!" Er wandte sich um und stürmte los.
"Hallo, Sam, Ihr Klemmbrett!", rief Swanson ihm nach, doch da war er schon außer Hörweite.
Seufzend klemmte sie sich das Brett unter den Arm. Eine Viertelstunde konnte sie es ruhig mit sich herum tragen.

Leiser Applaus klang auf. Swanson wandte sich um und erkannte Tancrid, der blasiert klatschte. "Ich gratuliere dir, Trudy. Dein erstes Date an Bord. Hätte ich nicht gedacht, das für dich auch mal einer abfällt."
"Date? Er arbeitet an seiner Prüfung", erwiderte sie trotzig. "Und außerdem, was geht es dich an? Teilst du meine Zeit ein, oder was?"
"Er arbeitet an seiner Prüfung", äffte er ihren Tonfall nach. "Himmel, Trudy, der Mann ist Mech-Tech! Es ist doch wohl offensichtlich, worum es dem hübschen kleinen Jungen mit dem Babylächeln geht! Wundere dich also nicht, wenn du dich in einem halb abgeschlossenen Container mit ihm wiederfindest."
"Hm? Was? Ach so, du meinst deine Lieblingsbeschäftigung: Sex."
"Ich wollte nur sichergehen, dass du weißt, welchem Risiko du dich aussetzt", murmelte er.
"Was interessiert dich das? Wenn ich mit dem Jungen schlafen will, dann werde ich das auch tun. Und wenn du das moralisch nicht in Ordnung findest, dann bist du ein Schizo, Tancrid."
"Das ist es nicht. Aber du bist so naiv und leicht auszunutzen. Da dachte ich... Da dachte ich..."
"Ah, interessant. Für dich ist es in Ordnung, das blonde Frolleinwunder zu bumsen, aber für mich gelten andere Regeln? Vielleicht macht es mir ja Spaß, benutzt zu werden? Du weißt gar nichts über mich!"
"Ich weiß, dass du kleine Titten hast! Ist also ein Wunder, dass sich mal einer für dich interessiert! So gesehen musst du mit ihm schlafen! Wer weiß, wann der Nächste mit einem Hang zu kleinen Mädchen vorbei kommt!", rief Vogt in Rage.
"Seit wann interessiert dich, was ich tue oder lasse? Geh, schleich dich und kümmere dich um Miss Chevaliers 3066!"
"Ach", machte Vogt, "bist du etwa eifersüchtig, Trudy?"
"Ei-eifersüchtig? Ich? Wegen dir?" Sie lachte gehässig. "Du bist nicht mein Typ, und du bist mir auch zu promiskuitiv! Selbst wenn du der letzte Mann in der Inneren Sphäre wärst, würde ich eher die Menschheit aussterben lassen, als etwas mit dir anzufangen!"
"Schön!", blaffte Vogt.
"Schön!", blaffte Swanson zurück.
"Dann ist ja alles geklärt!"
"Ja, einfach alles! Nun schleich dich, bitte! Ich habe ein Date an meiner Maschine!" Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen drückte sie sich an ihm vorbei in Richtung Laderaum. Ob es eine gute Idee war, den armen Sam zu Boden zu reißen und an Ort und Stelle zu vernaschen? Verdient hätte er es ja, dieser elende, Frauenvernaschende Scheißkerl Tancrid!
"Schön!", rief er ihr nach. "Wirklich schön!"

Aus einem Seitengang musterten zwei Chevaliers diese Szene. Mit gerunzelter Stirn sagte der eine: "In Momenten wie diesen bin ich froh, das ich verlobt bin. Das erspart es mir, mich zum Trottel zu machen."
Der zweite musterte Vogt skeptisch. "Moanst, des is g'sund, wos der Bua mit dem Kopf und der Tüa mocht? Oder moanst, der Fliegerjung' broacht den Kopf nit?"
"Nein, der denkt weiter unten."
"Jo mei, dann passt's scho..."
***
Es war immer eine Erleichterung, nach einer langen Zeit im Raum, unter Schwerelosigkeit und konträrer Beschleunigung, wieder mehr Konstante, und vor allem mehr Platz zu haben. Fury Station versprach von alledem eine Menge, und Germaine war froh, die vertraute, aber doch einzwängende Enge der ROSEMARIE verlassen zu können. Wenigstens für einige Zeit. Und er war froh darüber, dass dies eine Emotion war, die er glücklicherweise gut genug im Griff hatte, um sie sich gönnen zu können.
Der Herflug war erschreckend ereignislos vor sich gegangen, es hatte keine Konflikte und keine Zwischenfälle gegeben - wenn er mal von einer kleinen Hochzeit und der improvisierten Partymeile auf dem Sprungschiff absah, die sein Pirat ins Leben gerufen hatte. Sein Pirat. Ein Kapitel für sich. Natürlich war es eine zweischneidige Sache, so zu denken, vor allem nachdem sich Ryan augenscheinlich etwas zu gut mit Steinberger und Stonefield verstand. Auch wenn sie unter direkter Kontrolle vom Spieß waren, sie konterten einander nicht aus, ging es Germaine durch den Kopf. Eine eventuell gefährliche Entwicklung, die er im Auge behalten musste. Aber wenn es half, die ehemaligen beiden lyranischen Offiziere mehr an die Einheit zu binden, und dem jungen Steinberger die Racheflausen auszutreiben, dann sollte es so sein. Selbst wenn die drei Männer nicht ewig bei den Chevaliers blieben, so lernten sie jetzt vielleicht Lektionen, die ihnen später helfen würden. Sprich: genug, um sie wieder auf die Menschheit loslassen zu können. Germaine behielt es sich vor, dies irgendwann einmal zu tun.
Ein anderer Fall war die schmucklose, aber sehr würdevolle Hochzeit von seinem alten Freund Decius Metellus mit seiner fliegenden Braut Sarah Slibowitz gewesen. Germaine hatte gesehen, wie sehr es der Frau in ihrer Rehabilitiation nach Anerkennung und Normalität gelechzt hatte. Also hielt er diesen Schritt für eine gute Entscheidung. Und das nächste Paar stand ja ohnehin schon fest, wenn Jaras Gejammere über ihren wichtigsten Sergeant und dessen Unkonzentriertheit durch Liebeskummer echten Hintergrund hatte.
Paar Nummer drei, waren das er selbst und Miko? Dieser Gedanke war ihm schon tausendmal gekommen. Andererseits, war es wirklich klug, in die Kuritas einzuheiraten, selbst wenn er selbst draconischer Graf war? Mikado hatte ihn ermutigt, aber der Mann war - entschuldige, Ace - auch nur ein verdammter Gaijin und hatte nur wenig Ahnung davon, was wirklich in den Dracs vor sich ging. Und damit waren die Probleme noch nicht am Ende angelangt. Es gab noch Dutzende weitere, wie etwa die von Jara und Dawn so offen zur Schau gestellte Beziehung, die ungefähr fünfzig Prozent der ungebundenen männlichen Chevaliers hatte aufheulen lassen - und die andere Hälfte nach Kameras schreien. Selbst er blieb von dem Gedanken nicht unberührt, dass die beiden Küken... Nun, vielleicht war es unfair, die zwei als Küken zu bezeichnen, nach allem was sie erlebt hatten. Jedenfalls hatte er Anweisung gegeben, die Quartiere der beiden ab und an auf versteckt installierte Kameras zu untersuchen. Menschen waren erfinderisch. RICHTIG erfinderisch, wenn er an die vor einiger Zeit kursierenden Duschfotos von Jara dachte, deren Quelle er nie hatte entdecken können. Wenigstens hatte er die Affäre vor Jara verheimlichen können. Zumindest nahm er das an.
Und dann war da noch das Problem mit den Höllenhunden, die sich aus Kontraktgründen von den Chevaliers losgesagt hatten. Zwar hatte Manfred versprochen, nach Kontraktende wieder zu den Chevaliers zu wollen, aber man hatte schon Pferde kotzen sehen, und das nicht nur vor Apotheken.
Und wenn er daran dachte, dass die Husaren in den Reihen der Chevaliers nicht nur in der Mehrheit waren, sondern vielleicht irgendwann dem Geld gegenüber nicht mehr so loyal sein konnten, wie Ace das gehofft hatte, kam Germaine die Galle hoch. Noch gab es dafür allerdings keine Anzeichen.

Das war übrigens nur der interne Ärger. Der externe stand ihnen noch bevor, in Form renitenter Parder-Überlebender, die mittlerweile auf das Niveau durchschnittlicher Piraten abgerutscht waren, wie der Überfall auf Fury Station bewies.
Die Analysen von Jara und Matthew hatten ihnen einen Überblick darüber gegeben, welche Parder-Einheiten auf Wayside V gekämpft hatten und nicht auf Diana oder allgemein im Clanraum wieder aufgetaucht waren. Die Hinweise von Loren Cole und die letzte Nachricht von Fury Station hatten zumindest einen Teil der Legende bestätigt. Was dummerweise noch kein Gesamtbild ergab. Nur ein "Soll" und ein "Könnte sein". Die Wahrheit lag irgendwo dazwischen. Und sollte das "Könnte sein" zu nahe am "Soll" liegen, dann führte er das Regiment rein kräftetechnisch in den Untergang. Dann blieben ihm nur seine taktischen Fähigkeiten und das Vertrauen in die Entscheidungen seiner untergebenen Offiziere. Dann blieb ihm nur noch einer der vielen kleinen Tricks, die er sich im Laufe der Jahre an der Spitze der Chevaliers erarbeitet hatte. Oder so fiese kleine Schweinereien wie seine Scharfschützen auf Kopfjagd zu schicken, um die gegnerischen Offiziere auszuschalten. Der Möglichkeiten gab es viele, und Germaine würde nicht zögern, sie anzuwenden, wenn sie für das Überleben der Einheit notwendig waren.

Doch all das musste zurückstehen. Jetzt. Hier. Heute.
"Germaine. Wir können", sagte Loren Cole, und lächelte dabei sein arrogant-verwegenes Heldenlächeln. Vor ihnen öffneten sich die Hangartore der ROSEMARIE in Richtung Nordpolkappe der Fury Station. Da sie an der Achse angedockt hatten, also von der Gravitation erzeugenden Rotation des Asteroiden - dank der geringen Masse - nicht betroffen waren, blieb es den Chevaliers erspart, quasi nach oben zu klettern, weil die Richtung "außen" an Bord von Fury Station "Fußboden bedeutete. Nur eben nicht im Zentrum, und vermindert in der Achse.
Germaine stieß sich ab, drehte sich um neunzig Grad, und kam an der Spitze seiner Leute im Frachttunnel an. Er hätte auch schweben bleiben können, im neunzig Grad-Winkel zum kleinen Empfangskomitee, aber dies war ihr Zuhause, und die Chevaliers waren die Gäste.
Dass sie die Hausherren waren, war leicht daran zu erkennen, dass sich ungefähr zwanzig gepanzerten Infanteristen betont gelangweilt im Gang verteilt hatten. Germaine überdachte seine Optionen, und kam zum Schluss, dass er nur einen Zwanzigtonner hier hätte rein schicken müssen, um die erste Hürde im Kampf um diese Station zu überwinden. Wenn er das gewollt hätte.
Ein Beweis dafür, dass die Chevaliers nicht wirklich als Bedrohung angesehen wurden, sonst wären ihnen die großen Frachttore nie geöffnet worden.
"Colonel Danton?", empfing ihn ein breitschultriger Bursche, der durchaus ein abgebrochener Elementare hätte sein können. "Ich bin Lieutenant Schwank. Willkommen an Bord von Fury Station."
"Danke, Lieutenant." Er ließ den Blick ein erstes Mal schweifen. "Ein Mech-Hangar?"
"Einer von zweien. Leider ohne Mechs, sonst hätten die Parder, für die Sie sich so interessieren, Colonel, nicht ein so erbärmlich leichtes Spiel mit uns gehabt. Aber damals hieß es, ein paar Vorräte verlieren und sie wieder los zu sein, oder einen langen, blutigen Kampf vom Zaun zu brechen, der mehr als einen Toten gefordert hätte." Schwanks Miene wurde kurz rot, als er den "einen Toten" erwähnte, aber seine Gesichtsfarbe normalisierte sich wieder. "Bitte hier entlang, Colonel, meine Damen und Herren." Der Offizier stieß sich ab und schwebte in den sich endlos ziehenden Gang. Durch die Perspektive wirkte er nicht wie ein Schacht. Mehr wie ein Autobahntunnel. Schwerelosigkeit hatte einige Macken.

"Fury Station wurde ursprünglich vom ComStar Explorerkorps erbaut", erzählte der Lieutenant, ohne aufgefordert worden zu sein. "Ursprünglich sollte der Pulsar erforscht werden. Und von hier waren in der Vor-Clanzeit viele Expeditionen gestartet, die das galaktische Zentrum zum Ziel hatten. Eine von ihnen muss das Pech gehabt haben, die Clans aufgespürt und aufgeschreckt zu haben. Was danach geschah... Na ja. Jedenfalls hat ComStar später verkauft, und zwar an ein privates Konsortium, das im Asteroidengürtel Bergbau betreibt. Die Region hier ist reich an Uran, Tallium, Tantal, Eisen, Gold, Platin, Blei, Aluminium, Germanium. Ein halbes Dutzend Firmen teilt sich hier den Kuchen. Um aber zu überleben, brauchen sie alle Fury Station und dessen Versorgungsmöglichkeiten. Vor allem aber die Industrien. Wir hatten ja genug Platz, um welche aufzubauen, nachdem ComStar die Hauptbewaffnung, zwei Anti-Schiffs-PPKs, deinstalliert hatte. Nun verfügen wir über genug Kapazitäten, um das eintreffende Erz aufzubereiten. Viele freie Händler bringen die Metallbarren anschließend zu unseren Abnehmern wie das Draconis-Kombinat, oder die Clans. Vieles davon läuft über Wayside V, die Welt von der Sie kommen." Schwank wandte sich halb um und grinste breit. "Habe da letztes Jahr ein paar Monate Urlaub gemacht. Auch wenn der eiskalte Staubball nur in den trockenen Meeresbecken Luft hat, Parkensen City hat eine tolle Badeanstalt, und ein paar anständige Bars."
"Das ist mir bewusst. Ich besitze ein wenig Land da unten", erwiderte Danton eher unterbewusst, während er sich ebenso wie seine Offiziere staunend umsah. Die Dimensionen der Erzaufbereitung waren selbst für jemanden, der es gewohnt war, mit Mechs umzugehen, nicht gerade klein.
"Sind Sie vor dem Trubel davon gekommen?", hakte Schwank wie beiläufig nach.
"Was? Nein. Ich habe mit meiner Einheit den Herzog unterstützt. Der Grund dafür, dass ich etwas Land besitze."
Schwank lächelte dünn. "Na, da hat der alte Mikado Sie ja ganz schön abgespeist. Ich habe mir sagen lassen, einen seiner Offiziere hat er wegen herausragender Tapferkeit glatt eine eigene Grafschaft geschenkt. Soll fast ein Viertel des ganzen Planeten groß sein."
"Es ist nur nicht bebautes Land auf dem ehemaligen Meeresgrund", erwiderte Danton noch immer halb abwesend. "Außerdem ist es eher ein Hundertstel. Aber ich weiß das eigene Meer im Zentrum zu schätzen."
Schwank wurde für einen kurzen Moment blass. "Moment mal, Sir, heißt das etwas, Sie...?"
"Ganz Recht. Ace meinte, der Titel gehört einfach dazu, aber ich bestehe nicht auf ihn. Es ist ohnehin sehr vage in meinem Beruf, wenn man nicht weiß, ob man morgen noch lebt."
"Verzeihung, Mylord. Meine Informationen waren veraltet." Der Sicherheitsoffizier versteifte sich sichtlich.
Germaine runzelte die Stirn. "Machen Sie nicht so ein Gewese, Lieutenant. Es ist nur ein Titel, und nur auf einem draconischen Drecksklumpen, über dem nur der Drache weht, weil ein Clan darauf Anspruch erhoben hat."
Schwank schüttelte energisch den Kopf. "Mylord, achtzig Prozent unseres Handels geht über Wayside V, wie Ihnen Kapitän Cole jederzeit bestätigen wird. Die Zahlen nehmen eher noch zu, weil der Planet immer wichtiger für den Sektor wird. Und Ihr, Mylord, seid der einzige Adlige, den Herzog Mikado bisher auf seiner Welt berufen hat. Damit seid Ihr der stellvertretende Herzog auf eine Welt, die unser wichtigster Absatzmarkt ist."
"So habe ich das bisher nicht gesehen", gestand Germaine.
"Gewöhne dich besser dran", klang es schnippisch von Juliette Harris herüber. "Die einen werden es zu schätzen wissen, was du da für einen schönen Titel trägst. Die anderen werden es hassen. Gleichgültig lässt es sicher niemanden. Wie immer, eigentlich."
"Ja, wie immer." Germaine Danton seufzte. "Aber ich hoffe, Sie kommen jetzt nicht auf die Idee, hieraus einen Staatsempfang zu machen."
Schwank lächelte dünn. "Mylord, für unsere Begriffe war das bereits ein Staatsempfang. Letztendlich sind wir nur ein kleiner Vorposten. Aber hätte ich vorher gewusst, dass Ihr Graf von Wayside V seid, hätten die Wachen salutiert, und nicht auf Euch gezielt."
"Was für ein kleiner, aber feiner Unterschied", bemerkte Jara von hinten. Sie stieß sich vom Boden ab und schwebte tiefer in den Gang hinein. "Ich nehme an, in der Peripherie gibt es stärkere Gravitation."
"Stärkere Gravitation, je nach Rotationsgeschwindigkeit. Dazu Unterkünfte, Lager, und teilweise sogar noch aktive Erzstollen. Wir haben einen eigenen Vergnügungssektor, und noch einiges mehr. Die Zeit würde doch etwas lang werden, wenn man nicht ab und zu mal... Schwimmen gehen könnte."
Dantons Mundwinkel zuckten. Er war sich sicher, dass der Lieutenant ursprünglich etwas anderes hatte sagen wollen.
"Weiter, Herrschaften. Wir haben einen Termin beim hiesigen Boss", sagte er und trieb seine Leute wieder an. "Wie viele Menschen kann Fury auf einen Haps fassen? Ich meine als Gäste, Lieutenant Schwank."
"Hm. Bedenken wir, dass die Chevaliers nicht alleine hier sind, und bedenken wir, dass wir den Südpol permanent für eines Eurer Landungsschiffe freihalten können, nicht aber die Nordpoldocks. Dann würde ich sagen, zwischen zweihundert und sechshundert Chevaliers können sich permanent auf Fury Station aufhalten. Es kommt halt darauf an, wie viele weitere Gäste wir haben, und wie viel die Luftreinigung schafft. Außerdem müssen wir Elementare als anderthalb Verbraucher rechnen. Dazu kommen die Sportfanatiker, und so weiter. Der Rechenschieber ist hier unsere größte Geissel, Mylord."
"Das kenne ich irgendwoher", murmelte Major Harris gespielt gewitzelt.

Sie passierten ein riesiges Wasserbassin, dessen Wände zum Gang hin transparent waren. Gewaltige, molluske Tiere schwammen darin herum, und beäugten die Passanten neugierig.
"Wasser-Kaimane. Wir haben sie von Star`s End. In den Wasserbassins reinigen wir einen Großteil des Stationssauerstoffs", sagte Schwank. "Mit Hilfe von Algen. Diese neigen dazu, durch die Stationsabfälle überdünkt zu werden und unkontrolliert zu wuchern. Seit wir die Wasser-Kaimane haben, tun sie das nicht mehr. Jetzt wuchern uns aber die Kaimane über den Hals. Wenn Ihnen also jemand auf Fury Station ein Steak aus echtem Rindfleisch vorsetzt, dann ist es zu einhundert Prozent ein Kaiman." Schwank stutzte. "Kaiman schmeckt gut, Sir. Das Fleisch kann mit einigen Kniffen dazu gebracht werden, total verschieden zu schmecken. Das geht vom ursprünglichen Kaiman-Geschmack über Rindfleisch und Hühnchen bis zu Artopol."
Schwank erklärte nicht, was ein Artopol war, aber es war offensichtlich, dass er sich seine Kaimane nicht madig machen lassen wollte. Wie aus Trotz fügte er an: "Die Clanner, die uns überfallen haben, haben etwa eine Tonne Kaiman mitgenommen." Das klang nach einem trotzigen: Wenn es ihnen nicht schmecken würde, warum sollten sie das tun? Eher wahrscheinlich war hingegen, dass es einfach kein anderes Fleisch auf Fury Station gegeben hatte. Aber Germaine verkniff sich eine entsprechende Antwort. Zudem waren sie dem Zentrum schon sehr nahe. Hier herrschte ebenfalls Null G.

Eine kleine Delegation empfing sie, nicht mehr als fünf Männer und Frauen.
Der Vorderste streckte beide Hände nach Germaine aus. "Colonel Danton. Ich begrüße Sie aufs Herzlichste auf Fury Station. Sie kommen uns wie gerufen. Ich hoffe, Ihre Leute sind vergnügungssüchtig, und werden die eine oder andere C-Note auf der Station lassen. Anzubieten haben wir genug. Unsere Barmittel aber haben die Clanner mitgehen lassen."
Danton ergriff die dargebotenen Hände und schüttelte sie. "Ich habe einen Aufenthalt von einer Woche geplant. Kommandant Gunning?"
Der schlanke Mann Mitte vierzig nickte gewinnend. Richtig geraten. Ach.
"Hauptsächlich geht es mir darum, alles von Ihnen zu erfahren, was mit den Angreifern zusammen hängt. Aber es spricht nichts dagegen, in Schichten von zwei- bis sechshundert Leuten meine Chevaliers an Bord zu lassen, damit sie Ihr Schwimmbad benutzen können. Oder die anderen Erholungseinrichtungen. Zufällig hat es gerade Bonuszahlungen gegeben, aber wenige Möglichkeiten, sie auszugeben."
"Schwimmbad?", argwöhnte Gunning. "Dafür interessieren sich Besucher am wenigstens."
Schwank hüstelte verlegen.
"Natürlich stelle ich Ihnen gerne alle Unterlagen zusammen, die wir über die Angreifer haben. Außerdem docken diese Woche noch drei freie Miner an. Zwei von ihnen hatten ebenfalls mit den Clannern zu tun, und können Ihnen sicher mehr berichten. Ah, da kommt Ihre Delegation vom Südpol. Dann sind wir ja komplett. Kommen Sie, ich habe ein Essen vorbereiten lassen. Es gibt Steak und Bier. Alles hier auf der Station erzeugt. Währenddessen können wir über einige Details reden. Auch über das Caliban-System, das Sie so brennend interessiert. Aber ich sage Ihnen gleich, dass das System heiß ist. Nur Hitzköpfe wie Mr. Cole wagen sich da rein. Und diesmal sogar mit Begleitschutz."
"Wer hat, der hat. Nur kein Neid, Lukas", neckte Cole.
Captain Sleijpnirsdottir schwebte mit ihrer Delegation heran. "Sir", meldete sie knapp. Kurz wechselten sie einen Blick, den Danton aber mit einem dünnen, nur die Augen erreichenden Lächeln erwiderte. Keine Gefahr. Kiki entspannte sich leicht.
"Keine Formalitäten, Kiki", sagte Germaine. "Es gibt gleich Kaiman und Algenbier."
"Sir?", fragte sie nun etwas irritiert.
"Wir machen es wie immer. Wir lassen uns überraschen und machen anschließend das Beste draus."
"Oh. Das kann ich nachvollziehen", erwiderte Captain Sleijpnirsdottir lächelnd. Die anderen Chevaliers lachten. Damit waren sie angekommen, auf Fury Station. Es stand eine aufregende Woche bevor. Entweder ihnen, oder der Stationsbevölkerung - oder beiden. Das würde die Zeit zeigen.
"Kommen Sie, hier entlang. Für das Essen sollten wir den Luxus von Gravitation genießen", sagte Gunning, stieß sich ab und schwebte in Richtung eines Ganges davon. Seine Begleiter und die Chevaliers folgten ihm. Auf jeden Fall war der Empfang und der erste Eindruck ein recht freundlicher gewesen, fand Germaine.

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Landungsschiff ROSEMARIE,
unbekanntes Sternsystem
14. September 3066, 19:30 Uhr

Ächzend beugte sich Sarah Slibowitz über das kleine Becken und starrte in ihr bleiches Gesicht im Spiegel.
Ein abgemagerter und stumpfer Anblick und so elend wie sie aussah, fühlte sie sich auch.
Sie drehte sich um die eigene Achse und bemühte sich in der Schwerelosigkeit nicht zu sehr in Rotation zu verfallen.
Die rechte Hand krampfte sich unwillkürlich um den kleinen Beutel darin, als der Sprungalarm ertönte.
„Sprung in zehn. Alle auf ihre Positionen!“
Murrend griff sie nach dem kleinen Handgriff seitlich von dem kleinen Plasstahl Becken und klammerte sich daran fest.
Die letzten Wochen waren eindeutig zu schnell vergangen. Ihr Blick lag auf dem kleinen Stück Metall das sich um ihren Ringfinger wand. Sarah Slibowitz, verheiratet mit Decius Cecillius Metellus.
Die Trauung war im kleinen Kreis vollzogen worden. Germaine Danton, die ibn Beys, Christine und Charles Decaroux hatten dem Ganzen beigewohnt.
Die Erinnerung daran verblasste schlagartig, als eine Welle der Übelkeit sie erfasste.
Reflexartig hob sie den Beutel vor den Mund, aber es kam nichts.
Ebenfalls ein Effekt, dem sie den letzten Wochen zu verdanken hatte.
Die Genesung nach ihrer schweren Verletzung war gut vorangegangen und auch das Implantat, dass der Doc ihr eingesetzt hatte tat seinen Job. Leider nur bei Schwerkraft und bei Sprüngen setzte es regelmäßig aus.
„Sprung in drei…zwei...eins!“
Schlagartig dehnte sich der Raum in die Länge und sie hatte das Gefühl die Zeit bleibe stehen, nur um schlagartig nach vorne gerissen zu werden und sich wieder zusammenzuziehen.
Ihr Magen tat einen Sprung und vermutlich kam er gerade ein System weiter an, als sich der Inhalt in den kleinen Plastikbeutel entleerte.
Der bittere, beißende Geruch nach Erbrochenem lag in der Luft und kleine Bröckchen der unverdauten Nahrung, die es nicht in den Beutel geschafft hatten, schwebten an ihr vorbei.
Sie fühlte sich noch elender als zuvor, und das als Luft-Raumpilotin.
Schwer atmend griff sie nach der kleinen Flasche mit dem herausragenden Strohhalm und spülte sich den Mund mit Wasser, bevor sie in kleinen Schlucken trank.
Ob das jemals aufhören wird? Instinktiv griff sie nach dem kleinen, silbernen Knubbel hinter ihrem linken Ohr und fuhr die Konturen des kleinen Wunderwerkes der Technik nach, während sie durch die kleine Kabine trieb.
„Lieutenant Slibowitz bitte auf die Brücke!“
„Na super…! „
Sie warf einen Blick in den Spiegel und straffte sich, bevor sie sich zu dem nahen Schott abstieß.
Solange die landungsschiffe an das Sprungschiff angedockt waren, würde es keine Schwerkraft geben und sie würden nicht abdocken, bevor sie von den Fallen Angels nicht das OK hatten. Sie öffnete das Schott und ließ sich in den schwach beleuchteten Gang treiben.
„Reiß dich zusammen, Slibowitz, verdammt nochmal!“
Grummelnd glitt sie durch das Zwielicht und hangelte sich von Haltegriff zu Haltegriff, während sich alles um sie herum zu drehen begann.
Der Weg zur Brücke würde sehr lange dauern.


Ein schwacher Ruck ging durch Sandrina Gurrow, als ihr Stingray beschleunigt wurde und aus dem kleinen Jägerhangar schoss.
Sie wollte vor Freude jauchzen, als das befreiende Gefühl endlich wieder fliegen zu dürfen sie erfasste.
Sie drückte den Schubhebel nach vorne und ließ den Jäger einen Satz machen, direkt in die unendlichen Weiten des Weltalls.
Der Anblick raubte ihr nahezu den Atem.
Während sich im Hintergrund das ernüchternde Schwarz mit seinen glitzernden Sternen breit machte, tat sich vor ihren Augen ein wundervolles Spektakel auf.
Ranken des Lichtes wanden sich durch das nahe All. Vom satten rot, zu einem pulsierenden Purpur, bis hin zu grün und schwachem blau. Wie lebendig zuckten die Lichtfäden durch das All und zogen ihre Bahn um den kleinen Pulsar, der das zentrale Gestirn für sie bildete.
Das Schauspiel war überwältig.
Mit ruhigen Bewegungen zog sie den Steuerknüppel heran und jagte durch eine Bahn aus Purpur direkt auf den kleinen Haufen Asteroiden vor sich zu.
„Unglaublich!“
Tancrid Vogt schob seinen Korsar nach vorne und zog mit ihr gleich.
„Ja, das erinnert mich jedes Mal daran, warum ich das Fliegen und das Weltall so liebe.“
Die beiden Chevaliers flogen Flügel an Flügel und tauchten in die Farbbahnen ab, die sich um die Tragflächen ihrer Maschinen zu verflüchtigen schiene, sobald sie auf sie trafen. Sichtbar, aber nicht greifbar. Der Flug dauerte nahezu zwei Stunden, in denen sie sich trieben ließen und das Farbspektakel verfolgten.

Mit geübten Bewegungen steuerten sie die beiden Maschinen durch eine Ansammlung von Asteroiden, um die sich gerade die Farbbahnen des Pulsars schlichen.
„Hot Shot von Rosemarie. Vergesst bei dieser Aussicht aber euren Auftrag nicht. Ihr seid Späher, keine Wissenschaftler.“
Sandy musste schmunzeln, als sie die Stimme von Sarah Slibowitz hörte. Ein leichtes Zittern schwang darin mit, aber ansonsten war Icecream scheinbar wieder ganz die alte. Professionell und sachlich.
„Hot Shot hat verstanden. Nähern uns auf Vektor zwo-fünnef. Müssten eigentlich bereits Kontakt haben.“
Sie starrte durch die Bugscheibe ihrer Kanzel, aber vor dem Schwarz des Alls ließ sich wenig ausmachen. Lediglich ein kurzes Aufzucken eines Pulsar Schweifes, getrieben von den kosmischen Winden ließ sie Schemen im Dunkel erkennen.
Ihr Komm knackte:
„Jagdmaschine identifizieren sie sich.“
Die Stimme war ruhig, aber ein bedrohlicher Unterton schwang darin mit.
Sie griff nach dem Kommgerät und aktivierte die allgemeinen Frequenz Codes, die sie von Loren Cole erhalten hatte.
„Fury Station, hier spricht Lieutenant Sandrina Gurrow, Callsign Hot Shot von Dantons Chevaliers. Wir sind in friedlicher Absicht hier. Haben gehört ihr hattet kürzlich etwas Ärger.“
Ein kurzes Schnauben antwortete ihr, dann knackte das Komm wieder.
„Das können sie laut sagen Hot Shot. Wir hatten hier…“
„Hot Shot, fliegen sie auf ihrem aktuellen Vektor weiter und docken sie an Luftschleuse drei-fünnef an.“
Die neue Stimme war schroff und weit bedrohlicher.
„Sollten sie von ihrem Kurs abweichen, werden wir sie abschießen.“
Sandy schnaufte. Abschießen, na klar. Die hatten nicht mal Clanner aufhalten können, mit ihren mickrigen Geschützen, wie sollten zwei PPKs zwei Luft-Raumjäger aufhalten, wenn sie Ärger stiften wollten?
„Negativ Fury Station. Wir werden nicht andocken, sind nur das Vorauskommando. Colonel Danton würde sie allerdings gerne persönlich sprechen und wird uns in ein paar Stunden folgen!“
Eine kurze Pause folgte, die deutlich machte, dass dem Mann am anderen Ende diese Aussicht nicht gefiel. Ein Mann der wohl gerne die Kontrolle behielt, aber in letzter Zeit zu oft abgeben musste.
„Verstanden Hot Shot. Ladenzone Alpha ist freigegeben.“
„Copy.“
Sie wechselte kurz den Kanal.
„ROSEMARIE von Hot Shot. Landezone Alpha!”
“Verstanden Hot Shot.”
Sie zog den Stingray in eine Enge Kurve, als vor ihr Positionslichter aufflammten.
Der Asteroid war der bei weitem größte in der Ansammlung und rotierte friedlich um seine Längsachse vor sich hin.
Die Aufbauten an den relativen Nord- und Südpunkten kamen gerade in Sicht. Schlicht, aber zweckmäßig fanden sich dort Landebuchten und Luftschleusen, sowie zwei Geschütztürme, die in ihre Richtung zeigten.
Die Station selber war nicht weiter zu erkennen und verbarg sich unauffällig im inneren des Asteroiden. Am Rande des Pulsars gelegen, streiften nur gelegentliche Winde die Station und erzeugten so wenig Licht, das etwas entblößen konnte. Wenn man nicht wusste, wonach man suchte, würde man glatt vorbeifliegen.
„Hot Shot, GAZ bei 2 Stunden. ROSEMARIE, DEVONS PRIDE und DORN KAAT gehen zuerst raus. Eure Schicht.“
„Verstanden ROSEMARIE. Unsere Schicht.“
Sie passierten die Station und zogen die Jäger in eine enge Kehre. Direkt voraus tat sich wieder der Pulsar auf und beeindruckte sie mit seiner Pracht.
„Tja, dann genießen wir wohl mal die Aussicht.“


Etwa zwei Stunden später

Christine Sleijpnirsdottir, auch Kiki gerufen, setzte als erste den Fuß auf das kühle Metall, während hinter ihr die Elementare aus der DEVONS Pride strömten.
Zumindest Sergeant Rowan und Krieger Tarik Loken. Der blonde Hüne, der mit ihr zusammen den blinden Passagier aufgegriffen hatte. Die Brestwick hatte einiges Interessantes von sich gegeben und zumindest wurde nun klar, was mit Toni Holler wirklich geschehen war.
Beunruhigender war für sie eher die Geschichte über diesen Schwarzmarkthändler und die letzte Begegnung des Mannes.
Loken schob sich an ihr vorbei, ohne seine Elementarrüstung wirkte er zwar anfälliger, aber immer noch bedrohlich genug. Ebenso wie Rowan trug er leichte Kleidung mit Panzerweste darüber, sowie bedrohlich aussehende Lasergewehre.
Sie standen in einer kleinen Luftschleuse, direkt vor dem Schott, dass sich zischend öffnete und den Blick auf ein Trio Männer freigab.
Alle drei trugen gepanzerte Anzüge und Helme mit verspiegelten Visieren, das ihre Gesichter verbarg, waren von der Statur her äußerst muskulös.
In Vorhalte trugen sie schmale Gewehre, die zwar weitaus weniger bedrohlich aussahen, als ihre Gegenstücke in den Händen der beiden Elementare, aber vermutlich genauso tödlich waren.
Der mittlere Mann trat vor und schulterte das Gewehr lässig. Die behandschuhte Hand griff nach oben und schob das Visier bei Seite. Die grünen Augen musterten erst die beiden Elementare misstrauisch, fixierten sich dann aber auf Kiki.
Dann wanderte die Hand in ihre Richtung.
„Ich bin Sergeant Gerald McTavish. Stellvertreter von Lieutenant Garvi Schwank, Sicherheitspersonal auf Fury Station.“
Kiki ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie. Sein Druck war fest, aber nicht schraubstockartig. Eher bestimmend und selbstsicher.
„Captain Christine Sleijpnirsdottir. Ich befehlige die Fallen Angels, die Luft-Raumeinheit der Chevaliers, aber Kiki reicht völlig aus.“
McTavish nickte ernst und schmunzelte dann.
„Sie müssen die Vorsicht entschuldigen. Wir wurden das letzte Mal schon böse überrascht und wollten kein Risiko eingehen. Für einen Moment dachte ich sogar, sie wären doch Clanner!“
Er warf einen Blick zu Rowan, der entwaffnend lächelte. Im Gegensatz zu Loken, der grimmig dreinblickte und die beiden Männer am anderen Ende des Schotts unter seinen Blicken schmelzen ließ.
Kiki musste auch lächeln, dann beugte sie sich vor.
„Ganz im Ernst, würden wir es darauf anlegen, wäre die Station sehr schnell in unserer Hand. Die Daten von Kapitän Cole sprechen nicht unbedingt für eine große Crew an Sicherheitspersonal oder kämpfender Besatzung.“
McTavish lächelte ebenfalls, aber es wirkte eher mitleidig.
„Auf lange Sicht mögen sie Recht haben, aber vorher würde es ein gewaltiges Blutvergießen und Verluste auf beiden Seiten geben und zur Not bleibt ja noch das All.“
Er warf einen vielsagenden Blick auf das geschlossene Schott hinter Kiki.
„Wenn Fury eines ist, dann ein Musterbeispiel an Sicherungsmaßnahmen gegen Druck- und Atmosphärenverlust, als auch in dem Sinne unliebsamen Gästen.“
„Das letzte Mal hat es ihnen allerdings auch nicht geholfen.“
McTavish seufzte kurz.
„Das ist wahr, Anweisung des Kommandanten. Er wollte unnötiges Blutvergießen vermeiden.“
„Sehr weise von ihm.“
McTavish kommentierte das nicht mehr, sondern wandte sich um.
„Gehen wir. Ich zeige ihnen ein wenig die Station, bevor wir zu ihrer anderen Delegation stoßen. Eine Frage, wie viele Leute gedenken sie rüber zu bringen?“
„Das hängt ganz von ihrem Platz und der Bereitschaft ab uns zu ertragen. Ich denke aber etwas Ausgleich, nach den letzten Woche, wird den meisten von uns gut tun.“
„Wahrscheinlich. Eines noch vorneweg. Wir haben stark schwankende Schwerkraft, das reicht von nahezu Schwerelosigkeit bis hin zu einem halben G, je nach Rotation und Geschwindigkeit. Stellen sie sich bitte darauf ein, ich habe nicht groß Lust, die Krankenstation für sie ausbauen lassen zu müssen.“
„Natürlich und das Rauchen werden wir auch einstellen. Ebenso natürlich das sinnlose Rumgeballere in der Kneipe! Ich werde unsere Cowboys da etwas bremsen“
McTavish lachte kurz auf, als er sich abstieß und einen kleinen Hüpfer durch das Schott machte, getrieben von der geringen Schwerkraft.
Kiki folgte ihm, während hinter ihr ein kleineres Gerangel um Kompetenzen entbrannte.
Loken stand dem letzten verblieben Sicherheitsmann gegenüber, der sich weigerte den Elementar vorgehen zu lassen. Der unnatürliche, wölfische Knurrton jagte ihr einen kurzen Schauder über den Rücken und auch der Sicherheitsmann machte nicht gerade den sichersten Eindruck, während er sich zitternd an sein Gewehr klammerte.
„Loken kommen sie, das hier ist deren zu Hause und wir sind Gäste. Benehmen sie sich.“
Als der Mann nicht reagierte, wollte Kiki gerade zurücksetzen und ihn nochmal anweisen, als Schwung in den Berg von Mann kam.
Sichtlich unzufrieden sprang der Elementar in einem großen Sprung voraus, während der Sicherheitsmann die angehaltene Luft ausstieß und ihnen wankend folgte.
McTavish schwebte bereits mit einem weiteren großen Sprung weiter, zu dem großen Lastenaufzug.
„Wie sie sehen, sind die Schotts hier recht groß.“
Kiki blickte sich um und stellte erst jetzt die ohne decke fest, die sich weit über ihrem Kopf erstreckte.
Das Schott hinter ihr war Deckenhoch, mit einem kleinen integrierten Personenschott an der Seite.
„Die Anlage war früher für die Lagerung von Battlemechs angelegt und wir haben wenig daran geändert. Die Stellplätze sind alle zwar etwas eingestaubt, aber noch voll funktionsfähig. Zumindest, die, die nicht der Erzanlage weichen mussten.
Dieser Gang hier und der Aufzug dort vorne, ebenso wie die Schotten, dienen als Transportweg. Unter unseren Füßen findet sich eine magnetische Laufbahn, dass man bei Bedarf aktivieren kann. Allerdings frisst es uns ziemlich die Reaktoren leer.“
„Wow, ich bin beeindruckt.“
McTavish hob die Hand in einer wegwerfenden Geste.
„Warten sie ab, bis sie die Erzaufbereitungsanlagen gesehen haben.“
Dann stieg er in den wartenden Lift.

Die Führung dauert gut eine Stunde und McTavish erwies sich als recht gesprächiger Führer.
Nach dem Schleusenbereich, den McTavish als Frachtsektion bezeichnet hatte, waren sie zu den Erzaufbereitungsanlagen gekommen.
Die riesige Anlage füllte den Großteil des Asteroiden aus. Laufgängen wanden sich durch das Gestein und an ihm entlang, während im Zentrum eine riesige Verarbeitungsanlage mit kleineren Brennöfen und Laufbändern fand.
An die Erzaufbereitungsanlage schlossen sich direkt die Mechhangars an. Der Anblick war vertraut, aber dennoch überwältigend. Laut McTavish bot die Anlage Platz für knapp ein Bataillon Mechs, ursprünglich mal ein ganzes Regiment und beherbergte alles, was man zum Warten, Reparieren und instand setzen der Maschinen brauchte. Selbst die Wartungskräne waren vorhanden.
Der darauf folgende Vergnügungsbereich blieb ihnen verwehrt, als McTavish sie direkt mit dem Lift zur Kommandoebene, im Zentrum des Asteroiden brachte.
„Das werden sie alles noch früh genug sehen.“
War sein Kommentar dazu gewesen, während die drei Chevaliers das alles schweigend in sich aufnahmen. Was Kiki besonders beeindruckte, war die Vielfalt an Menschen, die ihnen auf der kurzen Strecke begegneten und auch das hohe Sicherheitsniveau.
Nahezu jede Ebene beherbergte mehrere Sicherheitsschotts zum Druckausgleich, wie McTavish es bereits angedeutet hatte und sogar zentral gelegene Schutzräume für den Katastrophenfall.
Die Station war definitiv zum großen Teil autark und konnte lange ohne externe Hilfe leben. Selbst ein kleiner hydroponischer Garten war vorhanden. Allerdings war Nahrung das erste, was hier knapp werden würde und das sehr zeitig, wie McTavish ihnen versichert hatte.

Die Kommandoebene war die einzige, die noch in dem kalten weiß der ursprünglichen Stationsmaterialien strahlte. Peinlich sauber und mit kalten Markierungen schrie sie ihre Funktionalität nur zu offensichtlich heraus.
„Das wirklich besondere an der Kommandoebene ist, dass sie sich sogar komplett von der Station abkapseln kann. Sie verfügt über einen eigenen, abgeschirmten Generator, der sie für bis zu eine Woche mit Energie versorgen kann. Theoretisch könnte der ganze Asteroid auseinanderbrechen und das Personal hier würde das überleben. Zumindest solange bis die Lufttanks leer sind und der Sauerstoff ausgeht, oder sie anfangen sich selber zu fressen.“
„Hoffen wir, dass wir beides nie erleben müssen.“
McTavish nickte und führte sie um eine Ecke. Eine kleine Gruppe stand vor einem offenen Schott, hinter dem Mann diverse Computerbildschirme erkennen konnte.
Germaine Danton stach als erstes heraus. Neben ihm standen Loren Cole und Jara Fokker. Dahinter reichten sich Juliette Harris und Jan Jensen ein.
Germaine hatte darauf bestanden als erster auf die Station zu kommen, aber letztendlich hatte er den Führungsstab aufgeteilt, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte.
Copycat und Pilum bleiben, wie die restlichen Offiziere vorerst auf den Landern.
Sie trat auf ihren Colonel zu und nickte auf die stumme Frage in seinen Augen bestätigend.
Alles in Ordnung.

__________________
Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein!

"Ich treffe alles, was ich sehe!"
Starcolonel Kurt Sehhilfe, Clan SeeBug
18.03.2011 08:25 Andai Pryde ist offline E-Mail an Andai Pryde senden Homepage von Andai Pryde Beiträge von Andai Pryde suchen Nehmen Sie Andai Pryde in Ihre Freundesliste auf Fügen Sie Andai Pryde in Ihre Kontaktliste ein
Thorsten Kerensky
Colonel


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Raumstation Fury
Landungsschiff DORNKAAT
15. September 3066, 07:00 Uhr

Manchmal gab es auch im Leben eines Söldners schöne Überraschungen. Probleme mit dem Triebwerk zwangen die DORNKAAT dazu, zwei Tage an die Raumstation angedockt zu bleiben. Das ärgerte die Techniker des Landungsschiffes. Das ärgerte die Raumstationsverwaltung. Und das ärgerte zweifellos auch die übrigen Chevaliers, die nun einen Dockkragen weniger zur Verfügung hatten, um im Rotationsprinzip die Raumstation zu besuchen.
Jara und ihre Kompanie allerdings freuten sich über zwei Tage am Stück, an denen sie die Enge des Raumschiffes gegen die relative Weite der Station tauschen konnten.
Fury war nicht unbedingt ein Paradies. Ganz im Gegenteil war sie eher das Gegenteil. Gammlig, überfüllt, veraltet und verstopft mit zwielichtigen Gestalten.
Aber nach zwei Wochen an Bord eines Landungsschiffes von der Größe der DORNKAAT war man über jede Abwechslung froh.
Die Kompanie, die hier das Schiff verlassen hatte, war nicht mehr die gleiche, die auf Wayside an Bord gegangen war. Es wehte ein frischer Wind, die Soldaten waren motivierter, positiver drauf. Germaine, der gestern mit der ROSEMARIE ebenfalls angedockt hatte, war nicht umhin gekommen, Anerkennung zu zeigen. Jara hatte irgendwie in nur vier Tagen das kleine Wunder vollbracht, auf dass sie gehofft hatte.
Das war eine Gemeinschaftsleistung von allen Chevaliers der Kompanie gewesen und sie hatte befohlen, dass jeder sich einen netten Abend auf Fury gönnt.
Sie selber hatte mit Dawn ein Restaurant aufgesucht und sie hatten sich bemüht, ein wenig Zeit für sich freizuschaufeln.
Yamada hatte sich darüber gefreut, Zeit mit ihrem Chappi zu verbringen. Es blieb zu hoffen, dass sie die nächsten Tage nicht wieder in Liebeskummer verfiel. Sie hatte sich zuletzt deutlich besser im Griff gehabt und das hatte auch auf die Soldaten in ihrem Umfeld gewirkt. Einen Rückfall konnte nun niemand gebrauchen.
Sharpe und der Rest der Truppe waren alleine oder in kleinen Gruppen losgezogen, um sich auszutoben. Sogar Kotare hatte entgegen seiner Natur die Zerstreuung gesucht.
Nun, während ein sanftes Rütteln vom Abdocken der ROSEMARIE durch die Station und die noch angedockten Schiffe ging, fühlte Jara sich fit, erholt und bereit für einen neuen Tag. Später würde die BOREAS den freien Dockkragen belegen und Copeland und Harris würden hier auftauchen. Germaine hatte angedeutet, dass ihr direkter Vorgesetzter noch irgendwelche Formalitäten mit ihr besprechen wollte.
Aber fürs Erste hatte sie Zeit, um ihren Papierkram abzuarbeiten und das Lanzentraining für die kommende Woche vorzubereiten.
Als es klopfte, sah sie verwundert auf. Wer mochte das zu dieser Zeit sein?
„Herein!“
Die Tür zum Besprechungsraum, den sie gerade gleichzeitig auch als ihr Büro nutzte, solange McAllister ihn nicht brauchte, öffnete sich und Dawn trat ein, zusammen mit einem sichtlich geknickten Corporal Noah-Joel van Eening.
Van Eening, der als zig-facher Neffe eines unbedeutenden Adelsgeschlechts relativ behütete aufgewachsen war, war ein wenig das Sorgenkind der Kompanie. Er macht seine Arbeit und er machte sie gut, aber er war oft ein wenig naiv und unsicher. Aber sein Gesichtsausdruck, seine Körperhaltung, sein ganzes Erscheinungsbild ließen ihn heute noch fragiler erscheinen.
Dawn hingegen wirkte wütend und aufgebracht.
Hatte der arme Junge irgendwas ausgefressen?
„Captain, ich melde mich mit einem Kameraden in einer dienstlichen Angelegenheit“, meldete die rothaarige Mechkriegerin und salutierte.
Jara erwiderter den Gruß und lehnte sich zurück. Neugier stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Was kann ich denn für Sie tun, Lieutenant?“
Dawn stupste den Corporal an: „Erzählen Sie dem Captain, was Sie mir erzählt haben, Noah!“
Mit unglücklicher Leidensmiene sah der Soldat zu Jara. „Es ist eigentlich gar nichts, Ma’am“, druckste er. „Nur…“
„Nur was?“, hakte Jara nach, als er mitten in der Erklärung abbrach.
„…nur haben ihn gestern ein paar Kerle auf der Station nach Strich und Faden ausgenommen“, führte Dawn den Satz zu Ende. „Beim Pokern.“
Die Kompaniechefin verzog das Gesicht. „Schöne Scheiße. Aber warum ist das mein Problem?“
Als van Eening nicht antwortete, wurde Jara ungeduldig. Sie stand auf und trat vor ihn. „Corporal, wenn Sie Sich beim Pokern haben abzocken lassen, dann ist das Ihr Problem. Wenn es irgendwas gibt, was das zu meinem Problem macht, dann erzählen Sie es mir besser jetzt.“
„Es ist so, Ma’am…“, druckste er rum, „… ich habe nur ein Bier getrunken und ich kann mich an fast gar nichts mehr erinnern. Die müssen mir was in den Drink getan haben. Und als ich mein Geld zurückwollte, haben sie mich bedroht. Mit Messern.“
„Warum erzählen Sie mir das nicht gleich?“ Jara schüttelte den Kopf, aber ihr Blick war voller Mitgefühl. „Haben Sie bei den Sanis einen Drogentest machen lassen?“
Dawn trat vor und drückte ihr ein DataPad in die Hand. „Ergebnisse sind da drauf, aber noch versiegelt.“
Jara griff nach dem Gerät, rief die entsprechende Datei auf und gab ihren Zugangsschlüssel ein. Konzentriert las sie die Ergebnisse, dann schließlich legte sie das Pad auf den Schreibtisch.
„Sie haben ganz richtig vermutet, Corporal. Sie standen gestern unter Drogen. Haben Sie vorher schon einmal Drogen genommen?“
„Nein, Ma’am!“
Jara seufzte und deutete auf den einzigen Stuhl im Raum: „Setzen Sie Sich erst mal. Um wie viel haben die Leute sie denn erleichtert?“
„500 C-Noten, Ma’am.“
Jara stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Eine ganze Menge Geld, das Sie dabei hatten. Aber solange es nur Geld ist, könnte es schlimmer sein.“
„Ist es“, murmelte van Eening.
„Bitte?“
„Sie haben auch noch eine Uhr gestohlen. Nicht viel Wert, aber ein Familienerbstück, an dem ich sehr hänge. Ich würde diese Uhr niemals verspielen, Ma’am.“
„Können Sie denn die Täter beschreiben?“
Van Eening nickte.
Eine Täterbeschreibung später trat Jara an die Kommunikationsstation. Auf dem Bildschirm vor ihr erschien das Gesicht eines Techs.
„Stellen Sie mich bitte zur ROSEMARIE durch!“
Das Bild erlosch kurz, dann war ein anderer Tech zu sehen.
„KommTech Higgs, ROSEMARIE, was kann ich für Sie tun, Captain?“
„Holen Sie mir bitte den Colonel an die Leitung! Und sorgen Sie dafür, dass er ungestört reden kann!“
„Zu Befehl, Ma’am.“
Sie sah wie der Tech aufstand und aus dem Bild trat und nur wenige Augenblicke später erschien Germaines Gesicht auf dem Schirm.
„Schon Sehnsucht, Jara?“, witzelte er.
„Wow, das ging fix. Hattest du gerade vor, mich anzurufen?“, spöttelte sie zurück.
„Touché. Nein, ich war gerade zufällig in der Nähe. Was kann ich für dich tun?“
Jara wurde ernst. „Germaine, einer meiner Corporals ist gestern auf der Station unter Drogen gesetzt und beim Pokern in Privaträumen um 500 C-Noten erleichtert worden. Die Sanis haben seine Version bestätigt und er konnte eine Täter- und Tatort-Beschreibung machen. Ich bitte um Erlaubnis, der Sache nachzugehen.“
Der Colonel dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. „Immer das Gleiche. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn… Jara, halt bitte die Füße still. Ich werde mit dem Aufseher der Station reden und das auf dem Dienstweg regeln.“
„Auf dem Dienstweg?“ Jara zog eine Augenbraue hoch. „Bis da etwas passiert sind wir schon wieder auf Wayside oder Outreach.“
„Bitte, Jara, ich werde sehen, was ich tun kann.“
„Aber ich bin vor Ort“, beschwerte sie sich. „Ich kann das sofort regeln.“
Germaine seufzte und betonte jedes der folgenden Worte einzeln: „Jara, ich kann dir nicht BEFEHLEN, da etwas zu tun. Wir haben Vorschriften und ICH muss mich daran halten. Mich ärgert es auch, dass diese Typen vermutlich heute Abend schon mit dem gleichen Trick und am gleichen Ort den nächsten Chevalier ausnehmen werden. Aber MIR sind die Hände gebunden. Hast Du das verstanden?“
Jara dachte einen Augenblick nach und nickte dann. „Ja, verstanden. Ich fertige einen Bericht an und gebe ihn Juliette, wenn die BOREAS angedockt hat.“
Ihr Mentor lächelte: „Gut, das ist wohl das Einzige, was ich für Dich tun kann. Ist sonst noch etwas?“
„Nein, das war alles.“
„Gut, dann genießt Euren Extra-Tag auf Fury. ROSEMARIE aus.“
Die Verbindung erlosch und Jara drehte sich zu Dawn und van Eening um. Der Corporal wirkte ernsthaft geknickt.
„Das war’s dann wohl. Aber vielen Dank für die Mühe, Captain.“
Mit einem verschmitzten Grinsen schüttelte Jara den Kopf. „Noch nicht, Corporal.“
„Ma’am?“
„Ich verspreche Ihnen, dass Sie Ihre Uhr und Ihr Geld noch heute wiederbekommen.“
„Aber der Colonel…“
„…hat gesagt, was er sagen musste“, fiel sie ihm ins Wort. „Dawn, trommel bitte die Kompanie zusammen! Ich habe das Gefühl, dass wir heute Abend einen gemeinsamen Ausflug unternehmen werden.“


Raumstation Fury
Wohnquartiere
15. September 3066, 21:15 Uhr

Bo Peterson grinste triumphierend und rieb sich die Hände. Wieder war einer dieser Soldaten-Trottel ins Netz gegangen und saß an seinem Poker-Tisch. In kürzester Zeit würde das kleine Mittelchen, das er in seinen Drink getan hatte, anfangen zu wirken und dann musste er nur noch zugreifen und dem Bürschchen seinen Sold abknöpfen.
Die Masche funktionierte jedes Mal und es fiel genug für ihn und seine drei Kumpanen ab, um davon einige Zeit sehr angenehm zu leben. Das einzige Problem war immer, die Trottel danach wieder aus der Wohnung zu bekommen, bevor sie zu viel begriffen.
„Ich erhöhe um zehn“, tönte es von Dwight. Kleine Beträge, noch. Solange der Söldner noch halbwegs klar denken konnte, musste das hier nach einem seriösen Poker-Spiel aussehen.
„Ich bin raus.“ Chuck, ein Berg von einem Mann, dem man nicht im Dunklen begegnen wollte, schmiss seine Karten auf den Tisch. Er war kein guter Poker-Spieler, aber er war ein überzeugendes Argument, wenn doch mal eines der Opfer Ärger suchte oder sich auf irgendeine Art und Weise unkooperativ zeigte.
Auch Johnny stieg aus und ließ Bo, Dwight und diesen Typen alleine im Spiel. Private First Class Montgomery hieß der Kerl, wenn er sich richtig erinnerte.
Und er ging mit. Was für ein Fest. So stümperhaft wie der Junge spielte, hätten sie die Drogen vermutlich nicht einmal gebraucht, geschweige denn das gezinkte Blatt. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
„Game Over!“ Die Stimme aus Richtung der Tür ließ die fünf Männer herumfahren und Bos verschlagenes Grinsen erstarren.
Dort stand eine schlanke Frau mit unendlich langen blonden Haaren und in der Uniform dieser Söldnereinheit. Kein Namensschild, keine Rangabzeichen, aber sie war niedlich und alleine. Bei dem Gedanken, was ihm das Glück da gerade angespült hatte, stahl sich das Grinsen wieder in Bos Gesicht, diesmal aber noch ekliger und breiter.
„Was haben wir denn da? Bist Du hier, um mitzuspielen?“
Die Blonde hob eine Augenbraue und die berechnende Kälte in ihrem Blick hätte ihm eine Warnung sein können. „Ich bin hier, um diese Spielrunde aufzulösen.“
„Har! Mit welchem Recht?“
„Das spielt überhaupt keine Rolle. Übrigens… schicke Uhr.“ Sie blickte auf die Armbanduhr, die er gestern diesem anderen Trottel abgenommen hatte. „Die hätte ich auch gerne wieder. Und das Geld, dass Ihr gestern gestohlen habt.“
„Pah!“ Bo verzog das Gesicht und stand auf. „Gestohlen? Wir haben es in einem fairen und ehrlichen Spiel gewonnen. Und Glücksspiel ist hier nicht illegal, Schätzchen!“
Die Kleine gab immer noch keine Ruhe. Sie griff nach einem Stuhl und brach mit einer kurzen, nachdrücklichen Bewegung ein Stuhlbein ab, das sie nun wie eine Keule in der Hand hielt. „Ehrlich?“, höhnte sie. „Ich weiß nicht… ich würde Dir ja glauben, aber… dieses Stuhlbein hier glaubt Dir sowieso nicht.“
„Große Worte für eine kleine Frau“, gab Bo zurück und nun erhoben sich auch seine Kumpane. „Aber Du bist alleine und wir sind zu viert. Was willst Du also tun?“
In diesem Moment sah der Söldner am Pokertisch auf und schien zum ersten Mal mitzubekommen, was um ihn herum passierte. Sein Blick blieb auf der Blondine haften. „Ah… Captain! Mir geht es gar nicht gut!“
„Ich weiß. Halten Sie einfach die Schnauze, Private!“
„Aber Captain…“
„SCHNAUZE hab ich gesagt!“, blaffte sie und der junge Soldat gehorchte.
Bo musterte die aufdringliche Kleine erneut. Sie gefiel ihm. „Captain?“, hakte er nach. „Das ist interessant. Musst Du Dich da nicht an irgendwelche Dienst-Vorschriften halten?“
„Dumm für Dich. Ich bin nicht im Dienst. Scheint, als hättest Du zu hoch gepokert.“ Sie grinste ihn herausfordernd an und in ihren Augen erkannte er die Wut und den Hass, den sie aufbaute. Umso besser. Das würde den Kampf zwar nicht interessanter machen, stachelte ihn aber auch an.
„Du pokerst ganz schön hoch, Kleine. Dienst hin oder her… du bist immer noch alleine.“ Dwight, Johnny und Chuck hatten sich nun neben ihm aufgebaut. „Und wir haben Messer“, fuhr er fort und zog ein Kampfmesser, das er mal einem Davie abgenommen hatte.
„Oh“, machte sie und tat für einen Moment überrascht. „Und damit willst Du mich jetzt angreifen?“
„Das ist der Plan“, gab Bo freimütig zu. „Auf dieser Station gibt es immer wieder mal… Unfälle.“
„Na gut“, entgegnete die Frau, immer noch ungerührt, aber mit deutlich lauterer Stimme. „Dann gehe ich All in!“
Kaum dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, wurde die Tür aufgestoßen und eine Meute Söldner strömte in den Raum.
Bo verfluchte sich und zählte nun insgesamt zwölf Gegner. Allesamt ohne Rangabzeichen oder Namensschilder. Er hätte es wissen müssen. Verdammte Soldaten-Ehre.
Allerdings waren sechs Frauen dabei und auf seiner Seite hatte er Messer. Und Chuck.
Als er zum Angriff überging, registrierte er den Triumph im Blick der Blonden. Er merkte zu spät, dass er einen Fehler begangen hatte.

Jara jubelte innerlich. Diese idiotischen Verbrecher waren tatsächlich blöde genug gewesen, anzugreifen. Hätten sie das Geld freiwillig rausgerückt, hätte es nur halb so viel Spaß gemacht.
Als sie das Messer auf sich zukommen sah, übernahmen ihre Reflexe und ihr Training die Kontrolle. Nur am Rande nahm sie wahr, dass der Rest ihrer Kompanie sich auf die Komplizen ihres Gegners stürzte.
Ohne Mühen wich sie dem Messerstich aus und packte ihren Kontrahenten am Handgelenk. Mit einem brutalen Ruck riss sie seinen Arm nach hinten und trat in einer fließenden Bewegung in seinen Angriff ein. Sie nahm das deutliche Knacken mit Befriedigung zur Kenntnis, als seine Schulter auskugelte.
Mit ihrer linken Faust schlug sie ihm dreimal kurz und heftig in die Rippen und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Als sie die Spannung aus ihrem Griff nahm, sank er zu Boden, nur noch am Handgelenk von ihr gehalten.
Mit einem weiteren Griff brach sie ihm das Handgelenk und nahm das Messer aus seinen Fingern, bevor es zu Boden fallen konnte.
Sie sah sich nach einem weiteren Gegner um, aber der Kampf war genauso schnell vorbei gewesen, wie er begonnen hatte.
„Sind alle in Ordnung?“, fragte sie in die Runde.
„Spirit hat nen Schnitt an der Schulter und Cookie einen Schlag gegen die Rippen abbekommen, aber nichts Ernstes. Dem Rest geht’s gut“, fasste Sharpe zusammen.
Jara sah sich um. Sergeant Torres presste bereits einen Stofffetzen auf die Schnittwunde. Er blutete, aber nicht übermäßig stark. Corporal Patty-Smith hielt sich die Seite. Natürlich musste es ausgerechnet die Schwächste treffen. Aber vermutlich würde sie außer einem blauen Fleck keine Verletzungen davontragen.
Dawn kümmerte sich um den völlig verstörten Private der Panzertruppe und der Rest ihrer Kompanie passte auf, dass die Ganoven keine Dummheiten machten. Allerdings sahen sie auch nicht danach aus.
Ihr Gegner hielt sich jammernd seinen verletzten rechten Arm. Die anderen beiden Schurken bluteten aus frischen Zahnlücken und einer gebrochenen Nase und lagen zusammengekrümmt am Boden. Am Schlimmsten hatte es aber den Koloss erwischt. Vermutlich hatten sie sich direkt zu viert oder fünft auf ihn gestürzt, um seine Kraft aus dem Kampf zu nehmen. Er schien bewusstlos zu sein.
Jara war es Recht.
Sie kniete neben dem Typen nieder, der sie hatte niederstechen wollen und hebelte seinen linken Arm zu Boden, was ihm einen spitzen Schrei entlockte. Dann streifte sie die Uhr von seinem Handgelenk und war sie van Eening zu.
„Wo ist das Geld?“
„Wir haben kein Geld“, jammerte der Typ.
Jara hob seinen unverletzten Arm, legte ihn mit dem Ellenbogen nach unten auf ihrem Knie ab und drückte seine Hand nach unten. Nicht der brutalste Hebel, den sie kannte, aber er würde es merken. „Ich frage nur noch einmal: Wo. Ist. Das. Geld?“
„… Box… unter dem Bett…“, keuchte er.
„Nachschauen!“, befahl Jara und Sharpe zog ein kleines Kästchen unter dem Bett hervor. „Wie viel ist drin?“
„Etwas 150.“
Jara seufzte theatralisch. „Wie dumm.“ Sie grinste den Kerl an, der vorher noch so großmäulig gewesen war und sah die Panik in seinem Blick. Geschah ihm Recht. „Durchsucht alle Räume. Ich glaube, unsere Freunde schulden uns noch 350 C-Noten.“
Das Splittern und Bersten verkündete, dass die zweite Kompanie nicht gerade zimperlich beim Durchsuchen war.
Wenige Momente später hatte sich das kleine Appartement in eine Trümmer-Wüste verwandelte und Sharpe hielt exakt 500 C-Noten in der Hand, die er an van Eening weiterreichte.
„Na bitte“, grinste Jara. „Das hätten wir auch einfacher haben können. Wir sind hier fertig. Einen schönen Abend noch, meine Herren!“
Sie achtete darauf dass nichts am Tatort zurückblieb, was Eigentum der Chevaliers war und wies Spirit, Cookie und den Panzersoldaten an, umgehend zur Krankenstation der DORNKAAT zu gehen. Dann warf sie einen letzten Blick in die Runde und drehte das Kampfmesser unschlüssig in den Händen. Schließlich zuckte sie mit den Schultern und steckte es ein. Es war ein gutes Messer und da der Kerl es vermutlich auch gestohlen hatte, was es nicht mal wirklich Diebstahl.
Als sie die vier Gauner und ihre sauber zerlegte Unterkunft hinter sich ließ, pfiff sie eine fröhliche Melodie.
Sicher, es würde keine zwei Stunden dauern, bis sie zu Copeland zitiert werden würde. Sicher, ihre Kompanie würde vermutlich einen ordentlichen Anschiss und ein paar Wochen Strafdienst aufgebrummt bekommen.
Aber sie hatten heute zwei Dinge klargemacht. Erstens: Die zweite Kompanie war eine Gruppe, ein Team, das zusammenstehen und gemeinsam kämpfen konnte. Zweitens: Es war keine gute Idee, einen Chevalier auszunehmen. Er hatte Freunde.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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Unbekanntes Sternsystem
Landungsschiff DEVON’S PRIDE
14. September 3066, 19:30 Uhr

Mit einem Knacken im Äther erwachte die Funkanlage an Bord der Devon’s Pride zum Leben.
„Devon’s Pride, hier Startrader. Bereithalten, wir springen in zehn.“
Matias Nelissens drückte einen Knopf an seinem Panel und bestätigte den Ruf des Sprungschiffs, an dem sein Leopard seit dem Beginn ihrer Reise angedockt war.
Er unterbrach die Funkverbindung zum Sprungschiff, mit einem weiteren Knopfdruck hatte er die interne Funkanlage eingeschaltet.
„Achtung, an alle. Wir springen in wenigen Sekunden. Alle man bitte festhalten. Nelissens aus.“
Zum Glück für ihn war er bereits auf seinem Stuhl festgeschnallt, genauso wie die anderen auf der Brücke der Devon’s Pride, dennoch konnte er sich ein krampfhaftes Festhalten an den Lehnen seines Stuhls nicht verkneifen.
Als die Startrader den FTL-Antrieb anwarf, schien für den Lyraner für einen Moment die Zeit still zustehen. Vor Matias Gesicht verschwamm die Brücke und mir ihr das gesamte Universum, zog sich scheinbar auf die Größe eines Stecknadelkopfs zusammen. Dann mit einem Mal dehnte es sich wieder auf seine normale Größe aus.
Der Sprung war vorüber, aber Matias hatte für ein paar Sekunden dennoch mit den Nachwirkungen des Sprungs zu kämpfen. Wie sonst üblich fielen die Symptome nicht wirklich ins Gewicht, er musste sich zunächst neu orientieren und sein Körper musste erst einmal wieder Blut in das Gesicht pumpen.
Doch Nelissens hatte das bis jetzt immer ausgehalten und auch diesmal würde sich daran nichts ändern.
Matias blickte sich auf der Brücke seines Landungsschiffes um und verschaffte sich einen Überblick über den Rest seiner Leute. Wie nicht anders zu erwarten hatte sich Enrico Davids von allen am schnellsten von den Strapazen des Sprungs erholt und überprüfte mit geübtem Blick seine Instrumententafel.
Tim Vries, sein erster Offizier dagegen rieb sich mit beiden Händen die Schläfen, so als ob er damit die pochenden Kopfschmerzen vertreiben könnte. Vries hatte Matias einmal erklärt, dass er selbst nach all den langen Jahren als Raumfahrer nicht dagegen ankam.
Mit dem alten Mann will ich nicht wirklich tauschen schoss es Matias durch den Kopf. Sein Gedanke hatte sich wohl in einen entsprechend besorgten Gesichtsausdruck verwandelt, denn Vries hob kurz den Daumen hoch und zeigte ein gequältes Lächeln. Das wird schon wieder.
Jeder, der unter dem Transitions-Desorientierungs-Syndrom, oder kurz TDS, litt, hätte zumindest die Symptome mit Medikamenten unterdrücken können. Doch diese Pillen hatten ihrerseits wieder unangenehme Nebenwirkungen, weshalb Nelissens und seine Crew nur dann darauf zurückgriffen, wenn es wirklich nicht mehr anders zu verkraften war.
Lieber benehm ich mich für ein paar Sekunden wie ein Alkoholiker am nächsten Morgen anstatt mich mit dem Zeug vollzupumpen. Matias vergewisserte sich, dass ihm nicht durch eine zu schnelle Bewegung eventuell übel wurde, anschließend öffnete er die Sitzgurte.
„Okay, das wäre dann mal überstanden. Vries setz‘ dich mit der Rosemarie in Verbindung. In dem System gibt es eine Station, an der die Chevaliers einen Zwischenstopp einlegen wollten. Ich möchte wissen, ob und wann wir an die Station andocken können.“
Vries, der sich von seinen Kopfschmerzen langsam zu erholen schien, bestätigte Matias Anweisung mit einem kurzen Kopfnicken.
Er selbst erhob sich langsam von seinem Stuhl und mit der jahrelangen Erfahrung eines Raumfahrers griff an er an die Halterung über sich, bevor er durch sein eigenes Bewegungsmoment und die nicht vorhandene Schwerkraft mit dem Kopf voran gegen die Decke der Brücke knallte. Eine derbe Beule und den Spott der Crew hätte der Skipper der Devon’s Pride nicht wirklich gebrauchen können.
Ihm fiel erst jetzt auf, dass sich die Lichtverhältnisse auf der Brücke in konstanten Intervallen veränderten. Zunächst schaute sich Matias nach einer möglichen defekten Lichtquelle oder anderem Bordteil um, aber er konnte nicht entdecken. Erst als er in Richtung des Bugfensters blickte, stellte er fest, dass draussen anscheinend immer wieder eine Lichtbahn vor ihnen vorbeihuschte und dann wieder verschwand.
„Was ist das?“ wunderte sich Matias. Niemand von seinen Leuten hatte darauf eine Antwort, sie waren genauso ratlos wie er, aber alle starrten sie gebannt nach draussen.
„Kriegen wir vielleicht mit einer der Geschützkameras ein Bild von dieser Lichtquelle?“
„Möglich, ich schau mal, ob ich eine gute Einstellung hinbekomme“, erwiderte Vries.
Es dauerte einige Sekunden, in denen Vries einige Kontrollen am Feuerleitsystem der Devon’s Pride bediente. Einer der Bildschirme zeigte zunächst nur die Schwärze des Alls mit einer endlosen Zahl an Sternen. Kurz darauf hatte der junge Lyraner die Antwort auf seine Frage.
Was die Besatzung der Devon’s Pride auf dem Bildschirm sehen konnte war schön und schrecklich zugleich. Das Zentrum des Sonnensystems wurde von einer festen, kugelförmigen Masse dominiert, wenngleich kleiner als die Sonnen anderer Systeme, die Matias je besucht hatte. Zwei helle Lichtkegel tanzten um das Gestirn herum und tauchten das System in sich ständig variierendes Licht, von schwachem Blau zu grün, kräftigem Rot und intensivem Violett.
Matias erinnerte das Schauspiel an Erzählungen über sogenannte Leuchttürme, die die Menschheit an den Küsten Terras errichtet hatte, ein Versprechen an alle Seefahrer, sicher nach Hause zu gelangen. Der Pulsar dagegen versprach allen, die sich zu nahe heranwagten, eine tödliche Dosis seiner Strahlung. Und die Schiffsbesatzung, die noch lebte um weiter vorzudringen, würde unweigerlich durch die massive Schwerkraft dieses bösartigen Neutronensterns angezogen und zerquetscht werden.
Glücklicherweise befand sich der Sprungschiff-Konvoy der Chevaliers weit genug von beiden Gefahren entfernt und so konnten Matias und seine Leute das herrliche Lichtspektakel genießen.
„Habt ihr sowas schon mal gesehen?“ Die Frage kam von Enrico Davids.
Vries schüttelte nur den Kopf. „Ich hab zwar davon gehört und auch Holovids davon gesehen, aber mit eigenen Augen? Nö.“
„Vielleicht kriegen wir die Chance das Ding durch die Sichtfenster zu sehen anstatt mit den Geschützkameras. Matias wandte sich Vries zu. „Ich werde mich jetzt erst einmal aufs Ohr hauen. In vier Stunden gibst du mir Bescheid, dann wechseln wir ab. Falls von Danton und seinen Söldnern etwas zu hören ist, will ich es direkt wissen. Und was den Rest von euch betrifft: Wer nicht unbedingt etwas erledigen muss, ruht sich ebenfalls aus. Ist das klar?“
„Kein Problem Matias“, antwortete Vries ehe er sich zu Enrico Davids zuwandte. „Enrico, ich möchte, dass du auch erst einmal hier bleibst. Wir übernehmen die erste Schicht. Danach darf sich der Skipper an den Kontrollen versuchen, während du weg bist.“ Er zwinkerte mit einem Auge.
„Gott steh uns bei“, frotzelte der Angesprochene mit einem Lachen.
„Sich über den Chef lustig machen, könnte sich demnächst negativ auf euren Gehaltsschecks bemerkbar machen“, konterte der Skipper der Devon’s Pride in einem vielsagenden Tonfall und einem skeptischen Blick.
„Und ausserdem wäre es wahrscheinlich wirklich besser, wenn ich euch nachher die Kontrollen abnehme. So wie ihr zwei Vollmondsüchtige auf den Bildschirm starrt, kann ich mich glücklich schätzen, wenn wir halbwegs geradeaus fliegen“, beendete Matias seinen Konter schnippisch.
Nicht, dass er ein paar kleine Witze gegen sich nicht vertragen konnte, aber sein Können als Pilot in Frage zu stellen empfand er dann schon als kleinen Knacks für sein Selbstbewusstsein. Und dennoch hinterließ diese kleine Bemerkung auch einen Zweifel bei ihm selbst.
Vielleicht sollte ich den nächsten Flug selber wieder übernehmen, sonst könnte es noch wirklich passieren, dass ich einroste... ja, vielleicht wäre es wirklich mal wieder Zeit.
Mit einem kräftigen Schwung stieß sich Nelissens von der Decke ab und trieb durch die offene Luke auf den Gang, während hinter ihm Vries und Davids es sich auf der Brücke vorerst gemütlich machten.

Matias schloss die Luke zur Brücke hinter sich, eher er sich wieder über den hell erleuchteten, engen Gang zu seiner kleinen Kabine treiben liess. Zu seinem Glück musste er sich auf dem Weg dorthin nicht an einem Elementar oder anderen Söldner vorbeizwängen. Ihm fiel dabei ein, dass er noch ein oder zwei Gespräche mit Rowan über die Clans führen wollte.
Wenn er allerdings weiter versucht mir auszuweichen, wird das wohl nichts.
Völlig gedankenverloren wollte der junge Skipper der Devon’s Pride an eine Eckwand schweben, als er plötzlich mit etwas oder jemandem zusammenstieß. Durch das jeweils eigene Bewegungsmoment verhedderten sich Nelissens und die andere Person in eine Masse aus Fleisch und Stoff und trieben ohne Halt gegen die harten Metallwände des Landungsschiffes. Matias quittierte den Aufprall mit einem Fluch.
Um sein Gesicht herum schwebte eine Unmenge von blondem Haar, dass ihm jegliche Sicht nahm, aber erst als er aus lauter Ärger den Anderen von sich und gegen die Wand stieß, erkannte Nelissens an dem darauf folgenden weiblichen Schmerzschrei, dass er mit keiner anderen als dieser Christine Sleijpnirsdottir zusammengeprallt war.
Ganz langsam – um sicherzugehen, dass er sich beim Aufprall nicht verletzt hatte – brachte sich Matias wieder in eine senkrechte Position und befühlte mit seiner Hand den eigenen Hinterkopf. Die leichte Schwellung, die er dort ertastete, ließ auf eine ordentliche Beule schliessen.
„Alles in Ordnung?“, wollte Matias von Sleijpnirdottir wissen.
„Ja, ich glaube schon“, kam es von der anderen Seite des Ganges. „Ich habe Sie gar nicht kommen sehen, Nelissens.“
„Ich muss mich wohl entschuldigen, Cap… ach nein, Major.“ Nelissens fiel im letzten Augenblick wieder Tim Vries’ Erläuterung ein, dass es an Bord eines Schiffes nur einen Kapitän gab und der war er selbst. Alle anderen mit diesem Rang bekamen eine Beförderung ehrenhalber.
„Wo wollten Sie eigentlich hin?“, fragte er die blonde Jägerpilotin.
„Eigentlich war ich auf dem Weg zur Brücke, weil ich mich mit Colonel Danton in Verbindung setzen wollte. Und sie?“
„Nun, ich habe erst einmal ein wenig dienstfrei und war auf den Weg in meine Kabine.“ Matias fasste sich noch einmal leicht an die Beule an seinem Hinterkopf. „Aber ich glaube ich mache erstmal einen kleinen Umweg zu unserer Kantine und hol mir was zum Kühlen.“
„Kein Besuch der Krankenstation, nur um sicher zu gehen?“, fragte ihn Sleijpnirsdottir mit einem Schmunzeln.
„Oh tut mir leid, sie enttäuschen zu müssen, aber ich werde diesen Unfall sehr wahrscheinlich überleben“, entgegnete Nelissens mit leichtem Sarkasmus.
Die Staffelführerin der Chevaliers rollte entnervt mit ihren Augen. „Sagen Sie mal, Nelissens, was haben Sie eigentlich gegen mich? Seit unserem ersten Treffen auf Wayside V legen Sie eine Feindseligkeit mir gegenüber an den Tag, dass es nicht mehr feierlich ist. Selbst bei einem kleinen Scherz ändert sich da nichts. Also, was habe ich Ihnen getan?“
„Getan? Hmm, nur eine Frage gestellt und ich habe entsprechend geantwortet. Ist nicht mein Problem, wenn Ihnen die Antwort nicht gefällt, Werteste.“ Wäre er in der Lage dazu gewesen, Matias hätte eine übertrieben deutliche Verbeugung vor Sleijpnirsdottir gewagt.
„Aber ich mag es nun mal nicht, wenn man mir einen Aufpasser zur Seite stellt.“ Sleijpnirsdottir wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber Matias schnitt ihr das Wort ab und streckte seinen Zeigefinger in ihre Richtung.
„Tun Sie nicht so, als wüsste ich nicht, warum Danton Sie auf mein Schiff verfrachtet hat. Er will sichergehen, dass ich bei seinem kleinen Trip schön mitmache. Und Ihnen sollte jawohl kaum entgangen sein, dass ich nicht gerade glücklich darüber bin, für das Militär arbeiten zu müssen. Nur bleibt mir momentan nun einmal nichts anderes übrig.“
„Tja, das Leben ist schon richtig unfair, nicht wahr?“, konterte sie. „Aber es hätte auch noch schlimmer für Sie kommen können, Nelissens.“ Mit diesen Worten liess Christine Sleijpnirsdottir ihn im Gang stehen, während Sie sich wieder in zur Brücke aufmachte.
„Und das wäre“, rief Matias ihr hinterher, aber er erhielt keine Antwort darauf.
Ganz toll. Da ergibt sich mal die Gelegenheit, ein wenig das Miteinander aufzubessern und dann geht es auch schon wieder den Bach hinunter. Zumindest keift sie noch nicht herum.
Missmutig machte sich der junge Kapitän wieder auf den Weg.


23:56 Uhr

Seit ihrer Ankunft im System waren mehr als vier Stunden vergangen. Leider hatte Matias nur eine davon zum Schlafen nutzen können, ehe er von Tim Vries geweckt und mit neuen Informationen versorgt worden war.
Zwei Luft-/Raumjäger der Chevaliers waren als Vorhut weiter in das System vorgedrungen und dabei auf die Station Fury gestoßen. Nachdem was Matias in Erfahrung bringen konnte, waren die Betreiber der Station nicht gerade glücklich über die Ankunft der Söldner, konnten es allerdings auch nicht verhindern.
Und somit hatten die Landungsschiffe Rosemarie, Dornkaat und seine Devon’s Pride die Erlaubnis zum Andocken an die Station bekommen.
Matias hatte es sich nicht nehmen lassen, den Flug dorthin selbst übernehmen, unter belustigtem Staunen von Enrico Davids und Tim Vries. Beide hatten sich aber weitere Kommentare darüber gespart, was dem lyranischen Skipper auch nur Recht war. Der Flug durch die Lichtbahnen des Pulsars und das Asteroidenfeld, in dem sich Fury Station befand, waren für Matias und seine Mannschaft ein einmaliges Erlebnis, dass wohl keiner von ihnen so schnell vergessen würde.
Vor allem aber hatte Fury Station den jungen Kapitän der Devon’s Pride beeindruckt. Er hatte vorher noch keine Weltraumstation besucht, kannte nur Holovids und Bilder des bekanntesten Typs, den Olymp-Stationen. Eine in einen riesigen Asteroiden gebaute Minenstation aber, das war ihm neu.
Die gewaltige Größe des Planetoiden, eingerahmt von kleineren Brocken des Asteroidenfeldes strahlte für Matias eine gewisse Bedrohlichkeit aus, allerdings machte er sich schnell klar, dass Fury Station mit seiner armseligen Bewaffnung, sofern es eine gab, nicht einmal seiner kleinen Devon’s Pride gefährlich werden konnte, Größe hin oder her.
Ein Eindruck, der sich bestätigte, als Christine Sleijpnirsdottir, Rowan Geisterbär und ein weiterer Elementar auf das Wachpersonal der Station gestoßen waren. Über eine der Schiffskameras am Schott hatte Matias die Situation grob mit verfolgen können. Da Sleijpnirsdottir und die Clan-Krieger seitlich mit dem Rücken zur Kamera standen und kein Ton zu hören war, hatte Nelissens die Konversation zwischen den beiden Parteien nicht hören können, allerdings deutete er die Körperhaltung der Wachsoldaten als pure Nervosität beim Anblick der Elementare. Dabei schienen sie weniger vor Rowan Angst zu haben als vor dem anderen Elementar. Er hatte es ihnen nicht verdenken können, ein schadenfrohes Grinsen hatte sich bei diesem Anblick aber schon auf sein Gesicht gestohlen.

Kurze Zeit später waren alle sechs durch das riesige Innenschott der Station verschwunden, so dass Matias nun Zeit hatte, sich um sein Schiff zu kümmern. Dabei hätte die Nachbereitung der Ankunft eigentlich ruhig ablaufen können, hätte Fury Station nicht über ein paar übermotivierte Dockarbeiter verfügt. Nelissens und Vries hatten nun seit einer Viertelstunde alle Hände voll zu tun, James Luray, den Vorarbeiter am Südpol-Dock, und seine Leute davon abzuhalten, wie ein Piranha-Schwarm über sein Landungsschiff herzufallen.
„Jetzt hören Sie doch noch mal genau zu. ICH… HAB…NICHTS…AUS-ZU-LADEN! Kapiert?“, blaffte Matias den hellhäutigen Vorarbeiter an. Der jedoch schien Nelissens Einwand gar nicht bemerkt zu haben.
„Als schön, ich habe nicht viel Zeit, am besten Sie lassen meine Jungs und mich endlich ihr ganzes Zeug ausladen, dann können wir damit anfangen, die ganzen Container voller Germanium einzuladen und Sie sind wieder in Richtung Innere Sphäre unterwegs. Wo ist das Problem?“ Luray legte eine regelrechte Unschuldsmiene an den Tag.
„Und kommen Sie nicht auf die Idee, das Verladen selbst zu übernehmen. Erstens ist das hier wegen in diesem Umfeld etwas gefährlich und zweitens würden wir ihnen so oder so Gebühren dafür aufbrummen. Und jetzt machen Sie endlich Platz, ich hab keine Zeit für Sie, Jungchen.“
Nelissens rieb sich mit beiden Händen durch das Gesicht. Er hatte schon vor ein paar Minuten die Geduld mit dieser Tunnelratte verloren, es wurde wohl Zeit, ein wenig mehr Druck auszuüben.
Zu Lurays Überraschung zog Matias den Vorarbeiter mit beiden Händen am Kragen zu sich rüber.
Vielleicht versteht er ja diese Sprache, schoss es Matias durch den Kopf. Die drei anderen Mitarbeiter der Station waren zunächst schockiert, allerdings hatten sie sich schon in der nächsten Sekunde zusammengerauft und rückten bedrohlich näher an Vries und Nelissens heran. Argwöhnisch die Dockarbeiter beobachtend hob Vries langsam seine linke Hand in Richtung Kommgerät, dazu bereit, jederzeit Verstärkung vom Landungschiff zu rufen. Eine Schlägerei stand kurz bevor.
„Also schön, wir hatten eine recht lange Reise, wir sind müde und möchten eigentlich nur noch pennen“ knurrte Matias den etwas eingeschüchterten Vorarbeiter an. „Jetzt noch einmal für alle, die es auf den Ohren haben. Mein Schiff, die Devon’s Pride, hat momentan nichts zu verladen. Und wir werden auch nichts einladen. Rein gar nichts! Sie und Ihre Leute werden mein Schiff nicht betreten, noch nicht einmal schief ansehen, ausser einer von uns beiden erlaubt es Ihnen.“
Allmählich hatte sich dieser Luray ein wenig von Matias unerwarteter Reaktion erholt und lief langsam vor Wut rot an.
„Lassen Sie mich los, Jüngelchen, oder Sie bekommen von mir eine Lektion verpasst, die Sie so schnell nicht wieder vergessen.“ Bei seinen Worten fletschte er wie ein Wolf die Zähne, doch er wurde schlagartig ruhiger, als Matias hinter sich das Schott öffnen hörte.
„Skipper, alles in Ordnung?“, hörte Nelissens die markante Stimme seines Senior-Techs Theodor Markenson.
Der Skipper der Devon’s Pride schaute vorsichtig nach hinten. Neben dem stämmigen Markenson hatten sich noch Antonio Luengo, Michael Zargens und Julia Bakers eingefunden. Die zierliche AsTech hielt einen schweren Schraubenschlüssel in beiden Händen und behielt mit herausforderndem Blick und verschmitztem Lächeln Lurays Untergebene im Auge. Allerdings war es weniger der schwere Schraubenschlüssel als vielmehr die riesige Elementarin, die sich hinter Julia aufgebaut hatte und mit ihren Blicken wohl jeden, der Widerstand wagte, einäschern wollte.
Grace? Was macht die denn hier? Oh man, Luengo steht wohl seit neuestem auf bizarre Spielchen. Naja, schaden kann’s momentan nicht.
Mit der Ankunft seiner Leute stahl sich ein unverkennbares Lächeln auf Matias Gesicht und ersah dem Vorarbeiter direkt in die Augen.
„Tja, sieht so aus, als wären meine Leute und ich in der Überzahl.“ Matias sprach mit ruhigem Ton, während er noch immer Luray am Kragen festhielt. „Ich schlage daher vor, dass Sie und ihre Männer jetzt dorthin verschwinden, wo Sie hergekommen sind, ansonsten erteile ich Ihnen eine Lektion. In Ordnung?“
Der Vorarbeiter von Fury Station schien nicht gerade begeistert von diesem Vorschlag zu sein, aber war klug genug zu erkennen, dass für ihn nichts mehr zu machen war. Er nickte einmal.
„Na also, warum nicht gleich so?“ Nelissens liess Luray langsam los, dennoch ballte er die rechte Hand zur Faust, falls sein Gegenüber doch noch auf dumme Gedanken kam.
Die vier Dockarbeiter der Station stiessen sich rückwärts ab und schwebten aufgrund der niedrigen Schwerkraft durch das Schott zurück ins Innere der Station. Matias und seine Leute hielten sie dabei weiterhin im Auge.
„Puh, das war haarscharf“, entsprang es einem erleichterten Tim Vries.
„Oh ja“, war Nelissens Antwort. „Ich habe zwar gesehen, dass du die Hand am Kommgerät hattest, aber dass du die anderen gerufen hast, ist mir völlig entgangen.“
„Du warst auch zu sehr auf diesen Luray fixiert“, war der Kommentar seines ersten Offiziers. „Wird jetzt nur interessant zu sehen, was das Ganze für ein Nachspiel hat. Du bist nicht gerade zimperlich mit ihm umgesprungen, Skipper.“
„Ja, ich hoffe sogar, dass es eins haben wird“, entgegnete Matias. „Und ausserdem hat er sich das selbst zuzuschreiben. Oft genug hab ich ihm das ja wohl erklärt.“
„Trotzdem, Skipper, nimm es mir nicht übel, wenn ich das jetzt so sage, aber das war ein wenig übertrieben.“
Matias konnte nur müde lächeln. „Du hast wohl vergessen, dass ich recht gut austeile, oder? Ist ja auch egal, es ist ja noch einmal gut gegangen. Ich denke, wir sollten zurück auf’s Schiff. Ich bin nämlich noch immer müde.“
Die kleine Gruppe drehte sich langsam um und setzte sich langsam in Richtung des Landungschiffs in Bewegung.
„Hey Sie da! Sie gehören doch zu diesen Söldnern, oder?“, erklang es mit einem Mal hinter Matias.
Nicht noch mehr von diesen Typen. Kriegen die hier gar nichts mit?
Noch halb in der Vorwärtsbewegung drehte sich Matias langsam und erkannte zwei Männer in leicht verschmutzten Overalls.
„Ja, wir sind transportieren unter anderem ein paar davon“, antwortete Nelissens. „Und wer sind Sie?“
Der rechte der beiden Dockarbeiter tippte kurz an seine Kappe zum Gruß.
„Ich bin Senior-Tech George Jeffers und das ist einer meiner Leute, Dex. Wir wollten mal fragen, ob wir Ihnen irgendwie helfen können?“
Nicht nur, dass die Kerle hier aufdringlich waren, sie hielten wohl auch nichts von Absprachen. Völlig entnervt schloss Matias kurz die Augen.
„Kann es sein, dass Sie hier an Bord der Station ein kleines Kommunikationsproblem haben? Wir haben ihren vier Kollegen gerade schon sehr deutlich gemacht, dass wir im Moment nichts brauchen.“
Jeffers schien ob Nelissens Antwort ziemlich überrascht.
„Welche Kollegen? Wir haben von der Stationsleitung erst gerade den Auftrag erhalten hier mal nachzuschauen. Vorher sollte eigentlich noch keiner hier gewesen sein.“
Jetzt war es an Matias zu stutzen. Bei ihm stellte sich ein leiser Verdacht ein.
„Soll das heissen, dass dieser Luray, der sich uns gegenüber als Vorarbeiter für das Südpol-Dock der Station vorgestellt hat, eigentlich ohne Erlaubnis hier war“, wollte Tim Vries wissen.
„Es gibt hier für das Süddock keinen Vorarbeiter mit diesem Namen, Sir“, kam es aus Jeffers Mund. Matias und Tim schauten sich mit wissendem Blick an.
„Vries, ich schätze, wir sollten mal den anderen Skippern eine kleine Information zuspielen lassen. Scheint, als wären hier ein paar Langfinger auf der Station unterwegs.“

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Es war ein merkwürdiges Gefühl, nichts zu tun zu haben. Aber Germaine hatte seit der Schlacht - oder genauer gesagt, seit der Auftragskiller auf ihn geschossen hatte - viele seiner kleineren Aufgaben delegiert, und bisher machte niemand Anstalten, sie ihm wieder aufs Auge zu drücken. Im Gegenteil, Copeland war sogar richtig gut darin, diese Aufgaben an sich zu reißen. Und Germaine konnte sich nicht darüber beschweren, dass er dabei schlecht informiert war.
Auch Shepard machte als Regimentsspieß einen guten Job und hielt die Offiziere stets up to date, aber ohne in die Falle zu geraten, zu viel aus den Dienstgradrängen nach oben zu tragen. Natürlich hatte Germaine exzellente Quellen und wusste, was der Spieß verschwieg und lieber selber regelte. Zumindest einen Teil. Auf jeden Fall hatten die Chevaliers mit diesem Mann einen sehr guten Fang gemacht. Wenn man mal von einigen seiner Marotten absah. Andererseits waren Marotten in Ordnung, solange sie den Dienstbetrieb nicht störten.
Fassungslos schüttelte Germaine Danton den Kopf. Da hatte er nun wirklich zwei Stunden Freizeit nach einer Besprechung auf Fury Station, und er wusste nichts Besseres mit sich anzufangen, als über die Arbeit nachzudenken. Ja, wenn es wenigstens um die Nebelparder gegangen wäre, die das Thema der kleinen Konferenz gewesen waren. Aber nein, es waren Interna und Verwaltungsaufgaben, die ihn ablenkten. Und das Schlimmste an der Situation war, dass sich Mikos Dienstplan mit seiner Freizeit überschnitt.
Also saß er hier in einer Art Café an einem der Wasserbassins der Station, betrachtete den gepflegten Algendschungel, trank eine Tasse erstaunlich gut schmeckenden Algenkaffee - und war allein. So hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt, als er den Mördern seiner Verlobten nachgehetzt war. Er hatte mit einem kurzen, heftigen Leben gerechnet, das ein abruptes Ende finden würde. Nicht aber, dass ihm seine Sandhurst-Ausbildung noch einmal würde nützlich sein können. Was würden Shriver und Anhurt wohl sagen, wenn sie jetzt vor ihm sitzen würden?

Er stellte sich vor, dass Kenneth Shriver, der hagere Asket mit mehr Orden und Gefechtsabzeichen als jeder andere Mann den Germaine kannte, auf dem linken Stuhl saß, seine stoische Miene einem Eistee widmete, den er nachgesüßt hatte - seine einzige Sünde war Zucker - während er Stirnrunzelnd über die Karten der Gefechte gegen Clan Wolf und Clan Jadefalke fuhr.
Germaine stellte sich vor, auf dem Stuhl gegenüber würde Natalia Anhurt sitzen, jung, lebenslustig für eine Sandhurst-Lehrerin, wegen einem weg geschossenen Bein aus den ComGuards entlassen - aber noch immer ungebremst. Auch sie stellte er sich vor, wie sie die Berichte für Lord Kell über die Schlacht auf der fernen Clanswelt studierte, ab und an innehielt und sich Notizen machte.
Und bevor er es sich versah, ließ er die beiden in seiner Vorstellung reden.
"Nun sieh dir das doch mal an, Nattie", sagte Shriver ärgerlich und wischte in seiner unnachahmlichen Gestik über das Papier der Karten. "Exponierte Frontstellungen durch Infanterie." Er wandte sich dem Chevalier zu. "Germaine, ich hätte nie gedacht, dass du jemals zu den Idioten wechseln würdest, die Infanteristen als Kanonenfutter ansehen. Ich habe dir nicht beigebracht, auf Verlustraten zu setzen. Schaff dir viele elitäre Soldaten an, deren Leben kostbar sind, und die dem Feind überlegen sind."
"Man kann nicht sagen, dass die übliche Gefechtsdoktrin für Infanterie sinnlos wäre", entgegnete Germaine. "Auf Wayside V am südlichen See wurde Klein durch eine Falle aus Infanterie ganz schön durch den Wolf gedreht."
"Und zu welchen Bedingungen? Welchen Verlusten?" Anhurt sah ihn vorwurfsvoll an. "Sicher, in einer reinen Kosten-Nutzenrechnung haben diese Infanteristen nicht nur enormen Schaden angerichtet, sie haben auch militärische Werte vernichtet."
"Ich wundere mich nicht, dass du es so siehst, Nattie", tadelte Shriver grinsend. "Einmal Lehrstuhl für Gefechtsökonomie, immer Gefechtsökonom."
"Auf den ersten Blick", schränkte sie ein. "Dann nämlich kommen die wahren Kosten. Zahlungen an die Hinterbliebenen, Beerdigungskosten, Totalausfall aller Investitionen in die Toten, Verlust der Ausrüstung. Dazu kommt auch noch der Schock bei den überlebenden Kameraden, die Versorgung bei den Verletzten. Hast du übrigens schon drüber nachgedacht, was passiert, wenn einer der Infanteristen aus dieser Schlacht beschließt, dir aus Rache die Kehle durchzuschneiden? Immerhin hatte die Infanterie der Husaren wirklich üble Verluste."
"Versteckte Infanterie hat schon Clan-Sternhaufen besiegt", wandte Germaine ein.
"Ja, aber zu welchem Preis? Natürlich, in deinem Geschäft geht es nicht ohne Verluste, und viel zu oft geht es nicht ohne Tote, Germaine. Aber Tote die du verhinderst, bedeuten Soldaten die dir weiterhin zur Verfügung stehen. In die du nicht nur weiter investieren kannst, sondern in die du bereits investiert hast. Es muss immer die Gefechtsmaxime sein, so wenige Tote wie möglich auf eigener Seite zu zu lassen. Notfalls auch auf Kosten für das Material."
"Milchmädchenrechnung, und das von einer Ökonomin. Gegen Mechs kämpft man nur mit Mechs", beschwerte sich Shriver. "Und das weißt du nur zu genau. Du kannst Infanterie-Ausrüstung für Infanterie aufrechnen, aber nicht gegen Mechs. Nur weil es tragbare Infernowerfer gibt, bedeutet das nicht, dass Infanterie mit Mechs gleichwertig ist. Es bleibt ein großes, böses Geschlachte. Was uns wieder zu dir bringt, Germaine. Wie viele deiner Spähposten wurden von den Jadefalken platt gemacht? Zwei? Drei? Was würdest du diesen Soldaten sagen, die gestorben sind, weil sie deine Augen waren?", sagte Shriver ernst.
"Sie stehen auf einer Liste mit all den anderen Soldaten, die an diesem Tag gestorben sind. Und das nur, um drei meiner Chevaliers zurück zu holen", gab Germaine zu. "Und um zwei alte Freunde zu rächen. Mehr oder weniger."
"Wie wir schon festgestellt haben, lassen sich Verluste nie vermeiden. Vor allem bei einem Überraschungsangriff, im Chaos unter Feindfeuer, sind die Verluste sehr hoch." Anhurt nickte gewichtig. "Was uns zu einer Erkenntnis bringt: Es wird Zeit, dass du überrumpelt wirst, Germaine. Die Schlachten, die du bisher geschlagen hast, fanden alle auf deinem Gelände statt, zu deinen Bedingungen. Ich erinnere nur an den Hinterhalt auf Thannhausen. Dein Gelände, deine Bedingungen, dein Vorteil. Oder die Schlacht mit Herzog Mikado: Deine Verteidigung, deine vorbereiteten Stellungen, dein Elementare-Hinterhalt. Es wäre interessant zu erfahren wie du agierst und befehligst, wenn es mal nicht dein Gelände ist. Wenn du mal im Hinterhalt bist. Wenn du unsichere Informationslage hast. Du erinnerst dich an die erste Schlacht von König David, damals noch ein einfacher Krieger unter seinem König Saul, sollte eine Schlacht schlagen. Dafür bekam er achttausend Mann. Das war in etwa die Stärke des Gegners. Doch das war David zu viel, und er sortierte einen Großteil von ihnen aus, bis nur noch dreihundert übrig blieben. Denen gab er Schwerter und Töpfe, in denen Feuer brannte, und ließ sie mit lautem Gebrüll auf das feindliche Lager zulaufen. Die Verwirrung in der Nacht war so groß, dass das gegnerische Heer sich gegenseitig dezimierte und geschlagen abziehen musste. Was ist, wenn dich mal ein David so ran nimmt? Was, wenn dir der erste Schuss, den du nicht erwidern kannst, ein paar Mechs aus der Gleichung nimmt?"
"Nattie, du bringst da ein paar Bibelstellen durcheinander. Aber du hast natürlich Recht. Germaine, du warst noch nie in der Lage, der Gejagte zu sein. Selbst gegen die Ronin hat dein Schmierenkomödientalent dafür gesorgt, dass du im Vorteil bist." Nachdenklich sah Shriver ihn an. "Wie viele deiner Leute kannst du retten, wenn du richtig auf die Schnauze fliegst?"
"Ich werde es wissen, wenn es soweit ist. Oder schlagt Ihr mir vor, ich soll so eine Situation herbei führen? Absichtlich?"
Die beiden Sandhurst-Lehrer sahen sich an und begannen zu lachen. "Dummkopf", tadelte Shriver. "Was habe ich dir beigebracht? Nimm jeden verdammten Vorteil mit, der sich dir bietet. Immer. Und wenn du den Rest deiner Karriere verbringen kannst, ohne je im Nachteil zu sein, oder vollkommen überrascht zu werden, dann ist das gut so."
"Außerdem hast du ja zumindest ein wenig Erfahrung mit Situationen, die nicht nach deinem Lehrbuch ablaufen. Der Rückzug auf Bryant unter dem Feuer der BlakeGuards war so eine Situation", fügte Anhurt hinzu. "Eine recht gute Leistung, wenn man die Gesamtsituation betrachtet. Wobei es natürlich Dummheit pur war, den planetaren Herrscher gleich am ersten Tag gegen dich aufzubringen."
"Damals hielt ich es für eine gute Taktik", murmelte Germaine.

"Entschuldigen Sie, Sir."
Germaine sah auf, die Traumbilder verschwanden. Vor ihm am Tisch stand ein junger Bursche. Mittelgroß, schwarzhaarig, ein Jungengesicht, leicht angeschlitzte Augen. Er lächelte schüchtern. "Verzeihung, aber sind Sie, Colonel Danton?"
Kurz taxierte Germaine den Mann nach offenen und versteckten Waffen. Aber außer der Seitenwaffe schien er keine bei sich zu haben. "Ja, der bin ich."
"Gut. Sie haben nämlich den Gehstock nicht dabei, und das hat mich verunsichert."
"Den Gehstock?"
"Ja, man hat mir gesagt, das wäre Ihr Markenzeichen."
Germaine lachte leise. "Auf Wayside V hat mir ein Attentäter das Knie zerschossen. Das ist aber sehr gut verheilt, und ich brauche keine Gehhilfe mehr", erklärte Danton. Schmerzen hatte er immer noch, und ab und an rheumatische Anfälle, aber das stand auf einem anderen Blatt. Er faltete die Hände ineinander. "Und mit wem habe ich die Ehre?"
"Verzeihung, ich bin unhöflich." Ungefragt nahm der junge Bursche Platz. "Sir, ich bin Oberwachtmeister Eliden Kush, Stationssicherheit." Abwehrend hob er die Hände. "Nein, Sir, Ihre Leute haben nichts angestellt, keine Sorge. Darum bin ich nicht hier."
"Aha. Also was ist Ihr Anliegen?"
"Wow. Straight to the point. Ich wollte Sie fragen, ob Sie rekrutieren, Sir."
"Rekrutieren?"
"Rekrutieren. Sehen Sie, ich lebe auf dieser Station schon mein halbes Leben, und ich habe in dieser Zeit nie einen Planeten gesehen. Und es hat sich eine Menge Urlaub angehäuft, sodass ich ein halbes Jahr Fehlzeit haben darf. Also dachte ich mir: Warum nicht einen Kontrakt bei einer berühmten Söldnereinheit wie den Chevaliers? Ich meine, die militärische Erfahrung wäre nützlich für mich. Sehr nützlich. Dann kommen wir hier vielleicht nicht wieder in diese Verlegenheit wie neulich mit den Clannern."
"Ah, so. Und was ist der eigentliche Grund für Ihren Versuch, bei mir anzuheuern?", fragte Danton mit einem stillen Lächeln.
"Sie." "Ich?" "Nein. Sie. Eine Frau." Verlegen sah Eliden zur Seite. "Das schönste Mädchen, das mir je untergekommen ist."
Germaine zog die Stirn kraus. Da konnten bei den Chevaliers einige in Frage kommen. "Hat Ihr Mädchentraum einen Namen?"
"Natürlich hat sie einen Namen", erwiderte der junge Mann heftig. Er seufzte. "Nur leider weiß ich den noch nicht. Ich habe sie auch erst einmal gesehen, als Sie an Bord gekommen sind."
Gut, das schränkte die Wahl der Kandidatinnen erheblich ein. "Eine Blonde?"
"Ja, eine Blonde."
Das reduzierte die Wahl auf Jara und Kiki. "Die in Frage kommenden Frauen stehen im Rang eines Captains. Lehnen Sie sich da nicht etwas weit aus dem Fenster?"
"Ist ein militärischer Rang in der Liebe nicht egal?", erwiderte er trocken.
Germaine Danton lachte leise. Das war ein guter Konter. "Okay, da haben Sie Recht, Mr. Kush. Und warum sollten Sie es nicht wenigstens versuchen dürfen? Aber ich sollte Sie warnen, das eine der beiden Blondinen mit ihrer..."
"Sir, bei allem Respekt, aber ich habe mich Hals über Kopf verliebt, und genauso will ich auch an die Situation heran gehen. Unvoreingenommen. Uninformiert. Selbst wenn es nichts wird aus meiner großen Liebe, so habe ich doch die Chance, sie kennen zu lernen. Das ist besser als nichts, besser als es nie probiert zu haben."
"Sie gefallen mir, junger Mann." Germaine grinste. "Also gut, was haben Sie denn den Chevaliers zu bieten?"
"Ich habe eine volle Infanterie-Ausbildung nach lyranischem Vorbild. Ich führe hier an Bord einen fünfköpfigen Einsatztrupp, habe aber auch in Vertretung meines Vorgesetzten einen Zug angeführt. Nicht, dass wir hier viele Einsätze hätten, zugegeben. Außerdem bin ich recht gut auf den Mechsimulatoren von Fury Station. Das kann man sicher nicht mit einem echten Mech vergleichen. Aber es wäre..."
"Ein Anfang. Wir würden nicht mit Mechsimulatoren trainieren, wenn sie zu weit von der Realität entfernt wären." Germaine dachte nach. "Ich kann Sie nicht als Infanteristen anheuern. Nicht, bevor ich nicht ein paar Verluste hatte, so übel wie das klingt. Die Truppe hat sich gerade erst gefasst. Da jetzt mit einer Störung rein zu gehen würde einen Vertrauensbruch bedeuten."
"Oh. Verstehe, Sir. Und wie sieht es mit der Küche aus? In der Verwaltung bin ich auch ganz gut."
"Lassen Sie mich doch erst mal ausreden, bevor Sie die Flinte ins Korn werfen." Danton räusperte sich. "Ich will mir Ihre Leistungen auf dem Simulator mal ansehen. Und wenn mir gefällt, was ich sehe, könnte ich mir vorstellen, dass Sie in einer meiner Kompanien als Mechkriegeranwärter und Läufer unterkommen. Ich habe da einen jungen Captain, der könnte jemand mit Verwaltungserfahrung gebrauchen, der ihn auf diesem Gebiet entlastet."
"Wirklich? Sir, das ist phantastisch!"
"Wenn mir gefällt, was ich sehe", schränkte Danton ein.
"Natürlich! Wollen wir gleich zu den Simulatoren gehen? Oh, wie unhöflich von mir! Sicher sind Sie verabredet oder beschäftigt!"
Germaine Danton erhob sich. "Nein, nein, ich hatte eh gerade nichts zu tun, und dieses Gefühl behagt mir überhaupt nicht. Wir können sofort los." Er streckte das rechte Knie durch, bis das seit neuestem so vertraute Knacken erklang. "Na, dann zeigen Sie mir mal, was Sie drauf haben."
Eliden Kush sprang begeistert auf. "Danke, Sir! Ich werde Sie nicht enttäuschen! Hier entlang, Sir!"
Danton musste schmunzeln. Und er überlegte ernsthaft, den jungen Burschen in jedem Fall mitzunehmen, einfach der Abwechslung wegen. Frischer Wind war bei den Chevaliers immer eine gute Idee gewesen. Ihm tat er ja auch gut. Er folgte dem aufgekratzten jungen Mann.

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Colonel


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Stationärer Orbit um die Raumstation Fury
Landungsschiff DORNKAAT
16. September 3066, 12:00 Uhr

„Hm… das ist gut.“
Voller Genuss schloss Dawn die Augen und versuchte, das umwerfende Gefühl zu bewahren, bevor es verschwand.
Selten hatte sie etwas derart sündiges probiert. Sie lehnte sich zurück und riskierte einen Blick auf Jara, die beinahe ebenso ekstatisch schien.
„Ich kann nicht glauben, dass so etwas Fantastisches auf einem Landungsschiff passieren kann.“
Jara grinste. „Dein erstes Mal?“
Die rothaarige Mechkriegerin nickte und führte sich ein weiteres Stück Pfannkuchen in den Mund. „Mein erstes Mal auf einem Schiff“, gestand sie, nachdem sie den Bissen heruntergeschluckt hatte.
„Stimmt schon. So gutes Essen gibt es erstaunlich selten. Man müsste untersuchen, ob es einen Grund dafür gibt, warum Militärköche so selten Pfannkuchen machen.“
„Hattest du schon mal welche im Weltall?“
Jara nickte. „Ist aber lange her.“
„Wann war das letzte Mal?“
„Am 18. Mai 3050.“
Dawn rechnete kurz. „Wow. Da warst du gerade vier und du kannst dich daran noch erinnern?“
„Als wäre es gestern gewesen.“ Jara lächelte, aber ihre Augen nahmen das Lächeln nicht auf. Eigentlich hatte sie auch gar keinen Grund, fröhlich zu sein. Diese Pfannkuchen damals… das war ihre einzige Erinnerung an ihre Mutter. Sandra Fokker hatte diese Pfannkuchen für ihre jüngste Tochter gebacken. Zwei Stunden, bevor ihr Mechcockpit von einer Autokanone regelrecht durchlöchert wurde. Ihre Mutter hatte keine Chance gehabt.
Jara wollte die Clans dafür hassen, sie wollte ihre alte Einheit dafür hassen, sie wollte irgendwen dafür hassen. Aber sie hatte irgendwann verstanden, dass niemand die Schuld daran trug.
Ihre Mutter war Söldnerin gewesen. Sie hatte das Risiko gekannt.
Genau wie ihr Vater Richard und ihre Schwester Cassandra.
Jara hatte die Gefechts-ROMs wieder und wieder angesehen und irgendwann war ihr klar geworden, dass alle drei, Vater, Mutter, Schwester, den Preis gezahlt hatten, den auch sie irgendwann würde zahlen müssen.
Und wofür? Für Geld? Dafür, das zu tun, was sie wirklich gut konnten?
Wofür macht sie das eigentlich alles?
„Jara?“
Dawns Stimme holte sie in die Wirklichkeit zurück.
„Ist alles okay?“
„Hm? Ja, natürlich.“
„Wenn du deine Pfannkuchen nicht essen willst, kann ich sie dann haben?“
Jara sah hinab auf ihren Teller und das langsam kalt werdende Essen, überlegte kurz und schob es dann ihrer Freundin zu.
„Klar, ich bin fertig“, murmelte sie, stand auf und ließ eine nachdenkliche und besorgte Dawn zurück.

Natürlich war nicht alles okay. Wie aber sollte sie Dawn erklären, was in ihr vorging?
Sie konnte es nicht. Sie brauchte Zeit für sich selbst, musste runterkommen. Aber wie?
Jara war enttäuscht von sich selbst, als sie auf ihrem Bett lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und Löcher in die Luft starrte. Sie wusste nichts mit sich anzufangen, sie wusste nicht, wie sie mit sich selbst umgehen sollte.
Die letzten Wochen und Monate hatte sie sich recht erfolgreich darin geübt, ihre Zeit komplett zu verplanen. Es hatte eigentlich keine Phasen gegeben, wo sie zur Ruhe und zum Nachdenken kam und entgegen der stetigen Litaneien von Germaine, Dawn und den anderen Chevaliers war es ihr damit relativ gut gegangen.
Nun aber hatte der Befehl, kürzer zu treten, ein Loch in ihren Tagesplan gerissen. Und dazu die Pfannkuchen, die alte Erinnerungen wieder aufwarfen.
In diesem Moment wechselte das Radio, das im Hintergrund leise den Sender von Fury Station abspielte, zu einem Song, den Jara lange nicht mehr gehört hatte.
Genau genommen seit über zwei Jahren. Seit sie bei den Chevaliers angeheuert hatte.
Das Lied, eine Rockballade, war der Lieblingssong ihres Vaters gewesen.
Ein reiner Zufall, aber die zweite Erinnerung an ihre Eltern traf sie wie ein Tritt in den Magen.
Es war Scham. Ein schlechtes Gewissen, wurde ihr klar. Sie hatten sich nur auf sich selbst konzentriert. Nicht einmal den Todestag ihrer Eltern oder ihrer Schwester hatte sie begangen. Als würde sie ihre Familie vergessen wollen.
Und wann hatte sie Thomas das letzte Mal geschrieben?
Überhaupt: Was war aus ihrer Vergangenheit geworden? Aus der Zeit, bevor ihr Kommando ihre zivile, ihre private Seite ausgelöscht hatte.
Als sie darüber nachdachte, schien es ihr, als würde sie an eine Fremde denken. Hatte sie sich wirklich so stark verändert?
Zögerlich stand sie auf und aktivierte ihren privaten Datenspeicher. Mit zitternden Händen rief sie ihre Fotoalben auf und begann zu stöbern.
Alte Bilder von ihr und Dawn aus der Zeit, als sie beide bei den Chevaliers angefangen hatten. Unbeschwerte Zeiten in niedrigeren Dienstgraden. Sie beiden vor einem Kino. War das Outreach gewesen? Dann zusammen mit Markus van Roose in einer Kneipe. Sie wirkten alle drei so gelöst, so glücklich.
Dann Bilder von der Cavalry. Sie und ihr erster Mech. Sie und Sheila. Sie und Thomas. Sie und Cassandra.
Sie atmete tief durch. Eigentlich war sie immer ein Familienmensch gewesen. Sie hatte zu ihrem Vater und ihren Geschwistern so ein enges Verhältnis gehabt. Und nun? Ließ sie diese Menschen und ihre Andenken im Stich?
Ein Bild aus ihrem Tanzkurs. Sie konnte sich nicht einmal mehr an den Namen ihres Tanzpartners erinnern.
Ihre offizielle Bestätigung als Mechkriegerin. Das Strahlen auf ihrem Gesicht und die zufriedenen Gesichter ihrer Familie. Wann war diese Begeisterung verschwunden? Wann war aus der lebenslustigen, neugierigen und herzhaften Jara diese abgebrühte, sarkastische und berechnende Söldnerin geworden? Bei den Clans? Mit der Lanze? Der Kompanie?
Ein Bild von ihr beim Windsurfen. Sie hatte dieses Hobby bei jeder Gelegenheit ausgeübt. Wann war sie das letzte Mal an einem Strand gewesen, ohne im Dienst zu sein? Wann hatte sie überhaupt das letzte Mal Urlaub gemacht oder sich eine Auszeit genommen?
Es ging weiter zurück. Fotos, Fotos, Fotos und alle zeigten ein Mädchen, das eine Fremde war. Als sie bei den Aufnahmen mit ihrer Mutter angekommen war, weinte Jara. Sie weinte über ein verlorenes Leben, über die ganzen Dinge, die sie ausgelassen und aufgegeben hatte.
Ihr wurde klar, dass sie nur noch für ihren Posten, ihren Rang und die Einheit lebte.
Resignierend schaltete sie den Datenspeicher aus. Jara versuchte, das emotionale Chaos, das in ihr tobte, zurückzudrängen und die ganze Trauer, Wut, Enttäuschung und Bitterkeit runterzuschlucken, aber es gelang ihr nicht.
Minutenlang saß sie einfach da, die Hände zu Fäusten geballt, und starrte auf den schwarzen Bildschirm, während die Bilder immer noch vor ihrem inneren Auge vorbeizogen.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
Mit einem sehr undamenhaften Fluch sprang sie auf und fegte mit ihrem Arm ihren improvisierten Schreibtisch leer. Scheppernd flogen der Datenspeicher und die anderen unnützen Dinge durch ihr Quartier.
Jara griff nach dem nächsten, was sie erreichen konnte, einem Paar Kampfstiefel und schleuderte auch sie gegen eine nahe Wand.
Es folgten zwei Taktikhandbücher, ein Schminkset und diverser Kleinkram, bis ihr schließlich die Wurfgeschosse ausgingen.
Immer noch nicht beruhigt ging sie dazu über, mit den bloßen Fäusten gegen die Bordwand zu schlagen. Wieder und wieder, bis die Haut über ihren Fingerknöcheln aufplatzte und das Blut und der Schmerz sie zur Ruhe brachten.
Jara stand da und besah sich das Chaos, das sie veranstaltet hatte, während ihr Atem sich langsam wieder beruhigte. Bei dem Versuch, sich die letzten Tränen aus dem Gesicht zu wischen, vermischten diese sich mit dem Blut von ihren Händen.
Ihr Blick fiel in den Spiegel, der aus ihrem Schminkset gefallen war und sie sah eine abgehetzte Person, Blut, Schweiß und Tränen in einem Gesicht, das von einer aufgelösten Frisur eingerahmt war.
Sie holte tief Luft und atmete dann seufzend aus. Vermutlich war jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit dem Father zu sprechen.


Stationärer Orbit um die Raumstation Fury
Landungsschiff DORNKAAT
16. September 3066, 18:00 Uhr

„Wow. Wenn du etwas machst, machst du es auch richtig, oder?“
Dawn betrachtete, halb erschrocken, halb anerkennend, das Chaos in Jaras Kabine.
„Willst du drüber sprechen?“
Jara schüttelte den Kopf. „Hab ich gerade. Mit dem Father.“
„Und?“
„Oh, ziemlich genau das, was ich erwartet habe. Ich bin überarbeitet, muss mir mehr Freiräume gönnen und so weiter. Nichts, was ich nicht schon wüsste.“
„Also nicht sehr hilfreich?“
„Ganz im Gegenteil.“ Jara, die damit begonnen hatte, aufzuräumen, sah zu ihrer Freundin auf. „Ich bin ja auch nicht zu ihm, um die Ursachen zu finden. Die kenne ich. Ich bin zu ihm, um zu fragen, was ich tun kann, um was zu ändern.“
„Oh“, machte Dawn. „Das klingt ziemlich sinnvoll. Und was hat er dir gesagt?“
„Schau mal auf die obere Pritsche!“, gab Jara kryptisch zurück.
Die rothaarige Frau folgte der Aufforderung und zog sich an dem Bettgestell empor. Neugierig musterte sie die schlichte Box, die sie fand. Nein, keine Box, mehr ein Koffer, korrigierte sie sich.
„Was ist es?“
„Na, schau doch rein!“
Dawn staunte nicht schlecht, als sie den Deckel anhob.
„Eine Gitarre? Sollst du die gegen die Wand schlagen, um dich abzureagieren?“
„Das wäre auch eine Idee“, lachte Jara. „Aber die eigentliche Idee war, damit Musik zu machen. Eine halbe Stunde am Tag. Ein Hobby, eine Ablenkung, einfach eine Abwechslung zum ganzen Dienst.“
„Du kannst spielen?“
„Ich weiß nicht. Ich konnte das mal. Ist aber lange her.“
„Na wenn dir der Father schon eine Gitarre schenkt, dann solltest du sie auch ausprobieren.“
„Er hatte sich sowieso im Frühjahr eine neue gekauft.“
„Trotzdem: Versuch es doch mal.“
„Später. Ich will dich jetzt nicht damit quälen.“
Dawn nahm die Gitarre vorsichtig aus dem Koffer und stieg vom Bett herunter. „Nein, Jara. Jetzt. Und ich möchte es hören.“
Jara seufzte und griff nach dem Instrument. „Auf deine Verantwortung und auch nur, weil ich dir keinen Wunsch ausschlagen kann.“
Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, atmete tief durch und versuchte sich an die Dinge zu erinnern, die sie früher gelernt hatte.
Dann begann sie, unter Dawns neugierigen Blicken, zu spielen.

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Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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(Folgender Text ist eine Kooperation zwischen Thorsten Kerensky und mir)

Raumstation Fury
Landungsschiff ROSEMARIE
17. September 3066, 10:00 Uhr

„Ich soll WAS?“
Jara stand, die Arme in die Hüften gestemmt, vor Germaines Schreibtisch und ihre Miene machte deutlich, dass sie die Idee entweder für totalen Blödsinn, zumindest aber für überflüssig hielt.
Der Adlige hingegen wirkte erstaunlich ruhig und entspannt. Scheinbar hatte er Freizeit genug, um die Zeit auf dieser runtergekommenen Raumstation zu genießen.
„Es ist doch nicht so schwer zu verstehen, Jara. Und auch keine riesige Aufgabe. Du sollst lediglich unseren neuen Skipper ein wenig auf das vorbereiten, was uns erwarten könnte. Du hast mit Captain Brenstein hervorragende Arbeit bei der Analyse der Parder-Piraten geleistet und nun musst du nur die Ergebnisse vorstellen.“
„Germaine, bitte!“ Jaras Blick wurde flehend. „Ich hab schon so genug zu tun. Dazu kommt der Strafdienst, den Copycat meiner Kompanie aufgebrummt hat. Und jetzt soll ich noch Babysitter für den Zivilisten spielen?“
„Den Strafdienst hast du dir selbst zuzuschreiben“, kommentierte der Colonel und verschwieg den Umstand, dass er so stolz auf die Initiative der zweiten Kompanie gewesen war, dass er Copelands Disziplinarmaßnahme schon im Vorfeld deutlich entschärft hatte.
„Außerdem hast du so viel gerade gar nicht zu tun. Deine Lanzenführer machen ihre Arbeit ja gerade sehr gut und nehmen dir eine Menge ab.“
„Wer sagt denn sowas?“
„Dein letzter Dienstbericht“, schmunzelte Germaine.
Jara, die erkannte, dass sie mit dem Rücken an der Wand stand, gab auf. „Die liest tatsächlich jemand?“, seufzte sie. „Ich sollte in Zukunft aufpassen, was ich schreibe. Also gut, was genau soll ich tun?“
„Schnapp dir Nelissens und mach ihm klar, was im schlimmsten Fall auf uns zukommt. Nicht dass er die Panik bekommt, sobald die ersten Kugeln fliegen. Oh… und mach es so vorsichtig und einfühlsam wie möglich. Wenn ich ihm schlaflose Nächte bereiten wollte, könnte ich auch Brenstein oder Metellus auf ihn ansetzen. Ich baue darauf, dass du das… diplomatischer löst.“
„Diplomatisch? Ich?“ Jara dachte für einen Augenblick darüber nach, wie die anderen beiden Kompanieführer die Informationen servieren würden und zuckte dann mit den Schultern. „Na gut. Wann? Wo? Wie?“
Danton grinste. „Du bist Captain und Kompanieführerin, Jara. Ich brauch dir nicht alles vorkauen. Dir fällt schon was ein.“
Übersetzt: Er hatte auch keine Ahnung, wie man solche Sachen einem Menschen schonend beibrachte, noch dazu einem, der alles verabscheute, was mit dem Militär zu tun hatte. Vermutlich gerade sogar sich selber.
Jara besann sich auf ihr Motto: Ich kämpfe, wo ich hingestellt werde. Sie nahm die Herausforderung an. „Okay, ich habe verstanden. Morgen Abend hab ich den Skipper so weit, dass er eine Chance hat, beim ersten Feindkontakt nicht abzuhauen.“
„Wunderbar. Ich wusste, ich kann auf deine Hilfsbereitschaft zählen.“
„Jaaa“, machte Jara und rollte mit den Augen. „Ist das dann alles? Ich hab nämlich gerade noch mehr zeitraubende Aufgaben von meinem Chef aufgedrückt bekommen und muss jetzt mal arbeiten.“
„Warum werden bloß alle Offiziere zu solchen Zynikern?“, murmelte Germaine.
„Bitte?“
„Nichts, nichts. Das wäre alles“, beeilte er sich zu sagen.
Dann, als Jara schon an der Tür war, fiel ihm aber doch noch etwas ein. „Ach ja, Jara…“
„Ja?“
„Ich hab dir noch einen Soldaten zugeteilt. Mechkriegeranwärter Kush, ein… Lokaler. Er ist bis auf weiteres Private First Class und kann dir bei deinem Schreibkram helfen.“
„Kush? Das ist aber nicht der Naivling, der dir seit neuestem hinterherdackelt,oder?“
„Du hast davon gehört?“
Jara grinste gequält. „Germaine, bitte. In einer Einheit, wo man nicht einmal duschen kann, ohne fotografiert zu werden und wo für Bilder von… intimen Frauen Prämien ausgeschrieben werden, kann so etwas doch nicht geheim bleiben.“
Der Colonel erbleichte. „Davon weißt du auch?“
Jara zuckte mit den Schultern: „Ich bin Offizier. Mir fällt immer was ein.“
„Weißt du auch, wer dahintersteckt?“
„Da du in letzter Zeit niemanden auf der Krankenstation besuchen musstest… nein. Aber ich halte Augen und Ohren offen. Und wenn ich rausfinde, wer das war, wird es ungemütlich.“
„Wir sind eine Söldnereinheit, Jara. Du wirst so etwas nicht verhindern können.“
Die Mechkriegerin verzog das Gesicht. „Schwache Antwort. Du würdest anders denken, wenn die Fotos von Miko wären. Außerdem haben Späße ihre Grenzen, Germaine. Gerade dann, wenn sie die Disziplin untergraben.“
„Und was willst du unternehmen?“
„Was willst DU unternehmen?“, gab Jara zurück. „Es ist deine Einheit. Ich werde abwarten. Und wenn ich etwas mitbekomme, tue ich das, was ich am besten kann und was auch am besten funktioniert: Ich werde aktiv.“
Sie ließ offen, was sie damit meinte. Für einen Moment schien es, als wollte sie noch etwas sagen, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich melde mich ab“, verabschiedete sich trocken und schloss die Tür hinter sich.


Unbekanntes Sternsystem
Fury Station
17. September 3066, 11:21 Uhr


„Also ehrlich Matias, ich kapier einfach nicht, wie du dieses widerliche Zeug essen kannst.“ Tim Vries zog ein angewidertes Gesicht während Nelissens sich den nächsten Bissen seines Kaiman-Steaks in den Mund schob.
„Naja, gar nicht mal so schlecht“, erwiderte Matias mit vollem Mund. Er schaute an die Decke des kleinen Imbiss-Ladens, an dem Matias und Tim ihr Frühstück/Mittagessen zu sich nahmen, und kaute überdeutlich auf dem Stück Fleisch in seinem Mund.
„Okay, es ist nicht gerade ein schönes paniertes Schnitzel, aber mit dieser Sauce dazu kommt es dem schon recht nah, auch wenn der Nachgeschmack schon etwas ungewöhnlich ist ... Sicher, dass du deins nicht mehr essen willst?“, fragte er seinen ersten Offizier mit halbvollem Mund.
„Nein, danke, der erste Bissen hat gereicht und ich halte mich lieber an die Pasta, das kenn‘ ich wenigstens.“ Vries nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche Bier vor sich.
"Und da bezeichnest du mich als Weichei“, bemerkte Matias mit leichtem Schmunzeln.
„Nach diesem Essen fiele mir ein anderes Wort ein, aber ich erinnere mich stets daran, wer mir den Gehaltsscheck unterschreibt.“
„Wie ungemein aufmerksam von dir, alter Mann. Da fühle ich mich gleich viel wichtiger“, entgegnete der jüngere Lyraner lachend.
Er war gerade mit seinem Essen fertig und überlegte ernsthaft sich auch Vries Kaiman-Steak zu schnappen, als er plötzlich eine weibliche Stimme hinter sich hörte.
„Kapitän Nelissens?“
Matias wischte sich bedächtig die Mundwinkel mit einer Serviette ab, das gab ihm einen kleinen Moment Tim Vries Reaktion auf den Neuankömmling zu erhaschen. Allen Anschein schien sein erster Offizier von dieser Unbekannten recht angetan zu sein, wenn er richtig deutete.
Bitte lass‘ sie wirklich keine der hässlichen Sorte sein, bat er in Gedanken.
„Ja, der bin ich“, gab Matias nun zu Antwort während er sich langsam umdrehte um sich selbst ein Bild von seiner Gesprächspartnerin zu machen.
Die Blondine, die auf ihn mit einem etwas mürrischen Gesichtsausdruck herabsah, machte selbst in dieser Tarnfleck-Uniform keinen schlechten Eindruck. Auf eine gewisse Art und Weise wirkte sie ein wenig unschuldig auf ihn. Im nächsten Moment sah er an ihrer Schulter kurz das Abzeichen der Chevaliers aufblitzen und Matias bekam plötzlich eine böse Vorahnung.
Okay, was will dieser Danton schon wieder von mir? Und wieso zum Geier sind die echten Sahneschnitten bei so einem Krüppel wie ihm? Ist ja echt zum Heulen. Seine Vorahnung sollte sich bestätigen.
„Ich bin Captain Jara Fokker“, stellte sich die junge Frau vor. „Colonel Danton möchte, dass ich Sie über unseren kommenden Einsatz instruiere und Sie mit weiteren Informationen…füttere.“ Ihr Blick huschte kurz zu Nelissens Essen.
„Aha“, war zunächst Matias einzige Antwort, während er sich kurz mit einem vielsagenden Blick zu Tim Vries drehte. Zur Hölle mit diesem verdammten Danton. Nelissens setzte seine Flasche Bier kurz an und nahm einen Schluck.
„Hören Sie…Captain“, begann Matias langsam. Er hatte nicht vor, die hübsche Blondine schon jetzt abzukanzeln. Gib dir wenigstens bei der da ein wenig Mühe, Matti.
„Ich habe wenig Zeit, daher weiß ich nicht, ob das so ohne Weiteres möglich ist“, log er sie an.
Doch die junge Söldnerin schien diese Antwort nicht zu gefallen.
„Nun ja, die Befehle des Colonels waren in diesem Punkt eindeutig, Kapitän Nelissens. Darum schlage ich vor, wir verschwenden so wenig Zeit wie nötig. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich die Besprechung an Bord ihres Schiffes abhalten. Ein kleiner Besprechungsraum und ein Holoprojektor wären dazu notwendig.
Matias setzte zu einer Antwort an, als sich unerwartet Vries einmischte.
„Ich denke, die Kantine dürfte sich für so etwas herrichten lassen, Captain. Mit dem Holoprojektor müsste ich mich umschauen, aber ich glaube so etwas organisieren zu können.“
Matias wäre fast der Unterkiefer heruntergeklappt, aber er wollte sich nicht vor dieser Fokker die Blöße geben, von einem seiner Mitarbeiter überrumpelt worden zu sein.
„Geht nicht, Vries.“ Matias schüttelte entschieden den Kopf. „Sie müssen noch die Prüfung am Flugdeck überwachen und ich habe noch einige andere Aufstellungen vorzunehmen. Schon vergessen?“
Vries dagegen verschränkte lässig die Arme vor der Brust.
„Das mit dem Flugdeck kann auch Markenson übernehmen, dann sieht er auch mal etwas anderes als den Maschinenraum. Und um die Aufstellung kann ich mich dann kümmern.“ Tim hatte eine neutral freundliche Miene aufgelegt, aber Matias konnte das belustigte Aufblitzen in den Augen überdeutlich erkennen.
Du verfluchter Bastard, herrschte er den alten Freund seines Vaters in Gedanken an. Dass du mir so in den Rücken fällst…
Doch es änderte nichts an der Tatsache, dass Matias die Gegenargumente ausgingen und er sich geschlagen geben musste. Er wandte sich wieder der Söldnerin zu.
„Also schön … Captain Fokker. Scheint so, als würden Sie doch noch Ihre Chance kriegen. Geben Sie uns zwei Stunden, dann sollte mein erster Offizier die Kantine für Sie entsprechend hergerichtet haben. So, Vries, das hast du jetzt davon, dass Maul soweit aufzureissen.
„Wie lange haben Sie für dieses Briefing angesetzt“, wollte er noch von ihr wissen.
„Nun ja, fürs Erste ein oder zwei Stunden. Das meiste ist Informationsmaterial, mit dem Sie sich vertraut machen sollten. Laut dem Rotationsplan für die Schiffe werden die Dornkaat, auf der ich zurzeit untergebracht bin, und ihr Schiff heute und morgen an der Station angedockt sein. Danach würde ich noch mich noch einmal morgen mit Ihnen zusammensetzen.“ Aus einem ihm nicht näher erdenklichen Grund hatte Nelissens das Gefühl, dass die Blondine darüber auch nicht gerade glücklich war.
Sie verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken, ehe sie auf dem Absatz wendete die beiden Raumfahrer am Tisch zurückließ.
Kaum war die junge Söldnerin aus der unmittelbaren Hörweite verschwunden, als Matias auch schon mit wutverzerrter Fratze sich Tim Vries widmete.
„Kannst du mir mal verraten, was dieser Bockmist soll?“ herrschte er den Älteren an. „Wegen deiner Prahlerei kann ich mich jetzt mit dieser Söldnerin befassen! Und spar dir dein dämliches Grinsen, Vries, oder ich verpass dir eine!“
„Nun mal ganz langsam, Skipper“, setzte Vries zu einer Antwort an.
„Ich weiß ja nicht, wie dieser Danton an solche Mädels herankommt, aber es dürfte dir ja wohl nicht mal schaden, mit so einer ins Gespräch zu kommen. Und im Gegensatz zu Sleijpnirsdottir könnte unsere junge Hauptfrau da schon eher deine Kragenweite sein.“ Vries zwinkerte verschwörerisch.
Als Matias zu einer Antwort ansetzen wollte, hob der ältere Lyraner abwehrend beide Hände.
„Komm schon Matti, gib dir mal einen Ruck.“
Vries sah Matias eindringlich an. „Und ausserdem: Die Informationen könnten wichtig sein für das Kommende. Du solltest ihr zumindest ein wenig zuhören. Könnte nämlich unser aller Haut retten.“
Nun gut, an dem Argument war etwas dran, das musste selbst Nelissens zugeben, wenn auch nur ungern.
„Diese Fokker ist ‚ne Söldnerin, genau wie Sleijpnirsdottir. Glaubst du ernsthaft, die wäre so anders?“, wollte Matias wissen. Vries jedoch grinste ihn selbstzufrieden an.
„Das musst du schon selbst herausfinden. Und bitte, lass mal die diplomatische Abrissbirne zu Hause. Das erhöht nämlich meine Chance ein nettes Dankeschön dafür auf meinem nächsten Gehaltscheck zu sehen.“
„Ich werd' einen Teufel tun, alter Mann“, erwiderte der Skipper der Devon’s Pride halb amüsiert.


Raumstation Fury
Landungsschiff DEVON’S PRIDE
17. September 3066, 14:30 Uhr

„Natürlich gibt es Standards für solche Situationen. Aber wie ich bereits versucht habe, zu erklären, können wir nicht davon ausgehen, dass die Nebelparder auch so vorgehen. Erstens sind Standardprozeduren vorhersehbar und zweitens handelt es sich um eine Piratentruppe, die mit allen Mitteln ums Überleben kämpft.“
Jara hatte sich in der letzten Stunde wirklich Mühe gegeben, freundlich zu bleiben. Sie hatte Nelissens Sarkasmus, an sich abprallen lassen und ihre Ausführungen betont einfach gehalten, aber langsam bekam sie das Gefühl, dass er sie nicht verstehen wollte.
„Für die DEVON’S PRIDE besteht aber keine Gefahr“, fuhr sie fort. „Unseren Berechnungen nach haben wir die Luftüberlegenheit und so verzweifelt sind die Parder nicht, dass sie anfangen, Landungsschiffe anzugreifen. Der kritische Punkt ist tatsächlich der Combat Drop.“
„Combat Drop war dieses Manöver, bei dem ich direkt über übellaunige und unberechenbare Claner fliege und dabei das Tempo soweit drossel, dass ich ihnen die Elementare auf den Kopf werfen kann, oder?“
Jara seufzte leise. „So in etwa.“
„Und dabei soll keine Gefahr für mein Schiff bestehen?“
„Sie fliegen für eine kämpfende Truppe, Kapitän. Da besteht immer eine gewisse Gefahr. Es ist im Krieg durchaus üblich, dass man aufeinander schießt.“
„Aber genau das ist das Problem mit Soldaten!“, beschwerte Nelissens sich.
Jara konnte ihm ansehen, dass ihm das nur herausgerutscht war, dass er schneller gesprochen hatte, als er überlegt hatte. Aber genau deswegen war sie davon überzeugt, dass sie gerade auf das eigentliche Problem gestoßen war.
„Warum arbeiten sie eigentlich für Soldaten, wenn sie uns so verachten?“
„Es ist ja nicht so, dass ich das wollte. Mir blieb nur keine andere Wahl. Ein Landungsschiff verursacht enorme Kosten und meine Crew will etwas zu essen haben. Aber ich bezweifel, dass sie davon etwas verstehen.“
Jaras Augen funkelten zornig. „Sie sehen die Welt sehr einseitig, Kapitän. Glauben sie wirklich, dass ich Soldat bin, weil ich Krieg und Kampf geil finde?“
„Ich weiß nicht. Warum sind sie Soldat? Niemand zwingt sie.“
Die Mechkriegerin lachte bitter. „Denken sie, ich habe eine Wahl? Ich habe nichts anderes gelernt. Ich kann nur Soldat und ich glaube, ich mache meinen Job gut. Und manchmal kann ich Menschen beschützen und mein Leben dafür riskieren, dass die Zivilisten ihres behalten dürfen.
Ich habe fast meine gesamte Familie verloren. Alle Soldaten, alle im Kampf gefallen. Und jedes Menschenleben, das ich auslösche, verfolgt mich. Denken sie nicht, dass alle Soldaten gewissenlose Mörder sind. Und setzen sie sich vor allem nicht auf solch ein hohes Ross, bloß weil sie die Chance hatten, einen Beruf zu lernen, bei dem sie nicht auf Menschen schießen müssen.“
Sie war sich der Tatsache bewusst, dass sie aufhören sollte zu reden, aber es brach einfach aus ihr heraus.
„Es ist ja nicht so, dass ich begeistert nach der Verantwortung geschrien habe, die ich trage. Aber irgendjemand muss es tun. Ich habe gegen die Clans gekämpft, ich habe Terroristen davon abgehalten, ganze Planeten unter ihr Joch zu zwingen, ich habe Menschen Hoffnung gegeben. Wenn der Preis dafür ist, dass ich töte oder getötet werde, dann bin ich bereit, diesen Preis zu zahlen. Damit Menschen wie sie die Sicherheit und Ruhe haben, die sie brauchen, um sich über Kalkulationen, zivilen Handel oder die Grausamkeit des Krieges Gedanken zu machen.
Sie können mir glauben: Wenn ich irgendetwas anderes gelernt hätte und in dem, was ich tue, nicht so verdammt gut wäre, würde ich sofort aufhören und Zivilistin werden. Aber ich bin nun mal Soldat. Die Welt ist furchtbar ungerecht. Und sie werden von Soldaten bezahlt, also sollten sie zumindest die Grundlagen kennen und sich darauf einstellen, dass die Front kein Ponyhof ist.“
Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens begann Nelissens langsam und überbetont in die Hände zu klatschen.
„Wow“, kommentierte er. „Was für eine Lehrbuch-Rede.“
Jara zuckte mit den Schultern: „Ich habe Pflicht und Ehre nicht mal am Rande erwähnt“, gab sie bissig zurück. „Ihr Hass, Kapitän, wird aber niemandem helfen. Mir nicht, ihnen nicht, ihrem Schiff und ihrer Crew auch nicht. Ich schlage vor, wir machen jetzt hier weiter.“

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Sein erster Eindruck hatte nicht getrogen. Der Junge hatte etwas. Es war nicht weiter schwierig, in diesen entschärften Simulatoren auf der Station, die für Arcade-Zwecke umprogrammiert worden waren, einen simulierten Mech zu steuern. Aber es gab Mittel und Wege, um auch hier das Talent eines potentiellen Piloten festzustellen. Die Trefferquote stimmte. Die Mechbeherrschung war verheißungsvoll. Und am Besten hatte Germaine gefallen, das der junge Eliden Kush mit mehr Bedacht und Vorsicht vorging, um seine Gegner zu finden, als man für einen SimBoy erwarten sollte. Im Gefecht selbst jedoch war Kush konsequent, entschieden und reaktionsschnell. All das hatte Germaine dazu bewegt, einen Härtetest zu veranstalten und selbst in den Sim zu klettern.
Duell Dunkelfalke gegen einen Daishi Primär der Clans. Unnötig zu erwähnen, dass Germaine den DKF 2D2 gewählt hatte, den 3050er Update - und natürlich das Gelände. Immerhin, das Gefecht dauerte über zwei Stunden, und hätte Germaine nicht sorgfältig darauf geachtet, dass der Daishi von Kush nicht sprungfähig war, wäre es ein rechtes Selbstmordkommando gewesen. So aber war das Gelände für einen Springer sehr zum Vorteil gewesen; die legendären Canyons von Mallory's World, in denen Prinz Ian Davion sein Leben verloren hatte.
Germaine war es gelungen, trotz schwerer Panzerungsverluste und dem Verlust des rechten Arms - nebenbei, von Panzerung zu reden war eigentlich schon lächerlich - den Daishi durch das zermürbende, zeitaufwändige Gefecht zur Überhitzung und zur Notabschaltung zu zwingen.
Als sie aus den Simulatoren kletterten, schüttelte Danton in bester Ausbildertheatralik den Kopf. "Da hatten Sie schon fünfundvierzig Tonnen Vorteil und Clantech unter dem Arsch. Und Sie haben verloren wegen was? Überhitzung. Eliden, Sie müssen definitiv mehr Geduld erlernen."
Kush, vom Gefecht entnervt und am Rande seiner Kräfte, zitterte vernehmlich. "Verstehe, Sir. Tut mir Leid, dass ich nicht Ihren Anforderungen entspreche."
Danton verzichtete darauf hinzuweisen, dass er seine linke Hand noch immer nicht richtig benutzen konnte, was noch ein Vorteil für Kush gewesen war. Die Nachteile wollte er besser nicht aufzählen, nämlich einen Mechkrieger mit über zehn Jahren Felderfahrung und Laufzeit auf acht verschiedenenn schweren und mittelschweren Modellen, einer ellenlangen Abschussliste und der klassischen Sandhurst-Ausbildung, nur um das noch mal zu erwähnen. Dann noch das für einen Springer vorteilhafte Gelände gegen einen Nichtspringer... Alles in allem unfair, und Germaine war trotzdem näher an der Zerstörung gewesen als der junge Eliden.
"Nun, wir werden daran arbeiten. Und ich habe genau den richtigen Lehrer für Sie, Eliden. Müssen Sie sich bei Ihrem Vorgesetzten abmelden, oder können Sie gleich mitkommen?"
"Den Versuch war es wert. Danke für die Chance, Sir", murmelte Kush mit hängendem Kopf. Plötzlich ruckte besagter Kopf hoch. "Was?"
"Ich habe gefragt, ob Sie sich abmelden müssen."
"Sie nehmen mich?", rief der Mann erstaunt.
"Ja, ich nehme Sie. Sie haben Potential, und meine Pilotendecke ist dünn, hauchdünn. Ich sollte dankbar dafür sein, dass ich Sie getroffen habe." Danton schaute auf sein Chronometer. "In einer halben Stunde dockt die ROSEMARIE ab, um ihren Platz mit der BOREAS zu tauschen. Wollen wir uns in fünfundzwanzig Minuten am Anleger treffen? Es gibt einiges an Formalitäten zu erledigen."
"Ja-jawohl, Sir!" Der junge Mann kletterte aus der Simkapsel und lief davon, nur um sich wieder umzudrehen und Danton beide Hände zugleich zu schütteln. "Sie werden es nicht bereuen! Ich werde mir Mühe geben und ein guter Chevalier werden! Ich... Bis gleich, Sir!"
Kush riss sich los und rannte erneut davon.

"Hast du es jetzt schon so nötig, dass du der Fury Station die Leute abwirbst?", klang Coles spöttische Stimme hinter ihm auf. Der freie Prospektor grinste wie ein Honigkuchenpferd und klopfte Germaine schwer auf die Schulter. "Oder pickst du hier die Rosinen raus?"
"Etwas irgendwo dazwischen, Loren." Danton sah den Prospektor ernst an. "Hat sich was ergeben?"
"Wegen dem kleinen Stunt, den dein Mädchen abgezogen hat? Nun, anscheinend halten die Burschen die Klappe. Sie haben neue Einrichtung bestellt. Die zweite Mechkompanie der Chevaliers hat sie wohl geshreddert. Offizielle Angabe ist Altersermüdungen. Sie sind recht bekannt auf der Station und werden gerade so noch geduldet. Es scheint, dass sie nicht unbedingt auffallen und intensiver zu den Schäden befragt werden wollen. Da hast du wohl Glück gehabt, genau wie dein blondes Wunder. Aber ein Kampfmesser wurde von ihnen als gestohlen gemeldet."
Danton grinste schief. "Ich werde die frohe Kunde bei Gelegenheit überbringen. Bis dahin, würdest du das hier für mich weiterleiten?" Er schob einen Umschlag über den Tisch in Richtung des Prospektors.
Cole nahm ihn an und drückte vorsichtig. "Geld?"
"Ein kleiner Bonus für meine unbekannten Freunde, die es geschafft haben, Jaras Juggernauts zu einer Einheit zusammen zu schweißen."
"Wie viele C-Noten sind das denn? Nein, antworte nicht, ich will es gar nicht wissen. Na, die werden sich aber freuen."
"Und hoffentlich nicht auf den Gedanken kommen, sich auf dumme Art zu rächen. Wenn ich nämlich gezwungen bin zu kommen, kommen sie nicht mit ein wenig Prügel davon."
"Okay, ich nehme mich der Sache an. Bleibt alles bei unserem Terminplan? In elf Wochen hat die Station eine Verarbeitungsflaute, und dann würde ich hier gerne ein paar Tonnen Germanium und Tantal verarbeiten lassen."
"Es ändert sich nichts am Fahrplan", versprach Danton. Er wischte sich den Schweiß mit einem bereit liegenden Handtuch ab. "Und es ändert sich auch nichts an dem Plan, ein paar Clannern in den Arsch zu treten. Hast du eigentlich Neuigkeiten, die Phantomsichtungen eines Kriegsschiffs betreffend?"
"Ja, es soll ein McKenna sein, und dreimal so stark bewaffnet sein wie die Standard-Ausführung. Zudem führt es zwei Galaxien Elite-Soldaten der Parder an Bord, hat mindestens acht Festungsklasse-Landungsschiffe angedockt und elf Geschwader Luft/Raumjäger. Germaine, wach auf. Ein Kampfschiff braucht einen angemessenen Hafen für Wartung und Versorgung, sonst hast du entweder einen zahnlosen Tiger, oder eine sehr leichte Beute. Und ich traue dir zu, ein angeschlagenes Kampfschiff als Beute zu kassieren. Das sieht dir vollkommen ähnlich."
"Na, danke", erwiderte Danton spöttisch. "Du meinst also, dass in dieser Region kein Kampfschiff der Nebelparder operiert."
"Ich sage, es kann eines hier sein. Aber es kann sich nicht auf unsichere Versorgungslage verfassen und muss sich zudem sehr bedeckt halten, um nicht den Sternenbund auf den Plan zu rufen. Es kann sich nur dort sehen lassen oder dort zuschlagen, wo es alle Zeugen besiegen kann. Und diese Region hier ist weit von Diana entfernt. Es gibt keine geheimen Clanswerften, die zudem auch noch ausreichend mit Nachschub und Personal versorgt sind, um auch nur eine Korvette zu betreiben. Da gibt es noch immer die Möglichkeit, dass hier draußen angemessene Anlagen des ComStar-Explorercorps nicht ganz im Sinne von ComStar genutzt werden. Aber ich kenne keine entsprechende Einrichtung neben Fury Station in dieser Region. Wenn es in unserer Umgebung ein kampfbereites Kriegsschiff der Parder gibt, dann hat es sein Operationsfenster bald erreicht und wird die Region verlassen, so oder so. Anders ausgedrückt: Mach dir erst Sorgen drum, wenn du es in der Ortung hast."
"Ah, Pragmatismus. Den liebe ich so an dir."
"Heißt das, du kommst heute Abend zur Pokerrunde wieder auf die Station?"
"Um nichts in der Welt werde ich mir das nehmen lassen. Hast du auch meinen letzten Auftrag erledigt?"
Wieder wurde ein Umschlag über den Tisch geschoben, den diesmal Germaine an sich nahm. "Futter für deinen Piraten. Könnte sein, dass dir die Daten nicht gefallen. Andererseits, du bist Romantiker. Vielleicht gefällt es dir ja doch. Mach da draus, was du willst, Germaine Danton. Aber wähle eine Variante, die euch beiden das Leben lässt."
"Nanu, hast du Sympathien für Jack Ryan-Jones?"
"Für einen anständigen, ruchlosen Halunken habe ich immer Sympathien", erwiderte Cole augenzwinkernd. "Immerhin bin ich Unternehmer." Ernster fügte er an: "Und der gute Jack ist zudem einer der zurechnungsfähigen Vertreter seiner Zunft. Jemand, mit dem man reden kann, ohne um sein Leben zu fürchten. Wenn ich da an seinen alten Herrn denke - ein Bastard sondergleichen, den man am Besten in einer Sonne entsorgen sollte. Hm, vielleicht hat man das schon gemacht. Ich bin da nicht so auf dem Laufenden."
"Das sind ja tolle Informationen. Jedenfalls danke hierfür." Danton klopfte auf den Umschlag und steckte ihn ein.
"Und was hast du jetzt vor?", hakte Cole nach.
"Etwas gegen die Ruhe tun. Ruhe bekommt einem Soldaten nicht besonders. Hektik ist besser. Die verhindert, das er zuviel grübelt."
"Und wen gedenkst du aufzuscheuchen, mein lieber Germaine?", fragte Cole grinsend.
"Ach, eigentlich alle. Aber vor allem Jara. Ich finde, es ist an der Zeit, ihrer Last noch ein wenig mehr Gewicht hinzu zu fügen."
"Du machst mich neugierig. Was hat du vor?"
Danton lächelte dünnlippig. "Alles zu seiner Zeit, Loren. Alles zu seiner Zeit."

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Fury Station bot die Gelegenheiten, auf die Germaine gehofft hatte. Nach den Anspannungen, die der Raumflug und zuvor die Neuaufstellung der Chevaliers mit sich gebracht hatte, gab es nun die Ruhe, die Entspannung, die seine Leute dringend brauchten. Praktisch, dass sie nahezu zwei Wochen warten mussten, bis sie auch den letzten Rest an Informationen erhalten haben würden, welche die Prospektoren über die Parder gesammelt hatten. Das war eine gute Ausrede für diese extralange Pause, und Germaine sorgte dafür, dass jeder Chevalier seinen gerechten Anteil daran erhielt. Der doppelte Sold, den sie alle bezogen, machte es leicht, die Station "leerzufressen", wie Direktor Cunning mit einem lachenden und einem weinenden Auge festgestellt hatte. Noch allerdings waren die hydroponischen Gärten und die Kaimanfarmen in der Lage, den Ansturm der Chevaliers zu bewältigen. Und außer dem kleinen Zwischenfall mit Jaras Kompanie, den Germaine stillschweigend geduldet hatte - und der nachträglich auch von Cunning als "nie passiert" gewertet wurde, verbrachten sie eine ruhige Zeit an Bord. Allerdings begannen bereits die Importwaren bedenklich zu schrumpfen. Luxusartikel, die sonst ein Jahr reichten, drohten knapp zu werden. Mit anderen Worten: Die Station machte Bombengeschäfte mit der Anwesenheit der Chevaliers. Nur die Neuversorgung stellte sich als schwierig dar. Aber das waren Probleme, mit denen sich Germaine nicht weiter abgeben musste. Der Regimentsshop würde schon dafür sorgen, dass gewisse Luxusartikel für die Chevaliers nicht knapp wurden; allerdings eröffnete der erst, sobald die Mission begann und seine Leute Fury Station leer gekauft hatten. Warum auch nicht? Germaine erwartete weder das die Parderjagd leicht, noch verlustfrei ablaufen würde. Da konnten die Leute jeden Spaß gebrauchen, den sie sich noch gönnen konnten.
Das Gleiche galt auch für Germaine, und er gedachte, in dieser Woche noch die eine oder andere Pokerrunde anzusetzen, wenn Miko schon derart in ihren Dienstplan eingekeilt war, dass ihre gemeinsamen Zeiten beinahe schon rudimentär wirkten. Der Colonel war versucht, das durch einen klaren Befehl zu ändern, aber Mikos Ehrgeiz war geweckt, und sie hätte ihm eine solche Einflussnahme nie verziehen. Nicht bevor sie sich ihre wohlwollende Anerkennung vom Master Sergeant geholt hatte. Und das dürfte bei diesem Spieß noch eine ganze Weile dauern. Shepard war knallhart, verzieh keine Fehler und bestrafte Lernunwilligkeit. Aber genauso war er erstaunlicherweise schnell dafür bekannt geworden, dass er den Leuten durchaus die Mittel in die Hand gab, die sie brauchten, um seine Vorgaben umzusetzen. Das machte ihn ein klein wenig beliebt. Streng, aber gerecht, so etwas mochten Soldaten. Auch dass er absolut nichts für Schleimer übrig hatte, und dass es auf seiner Seite nur Platz für einen gab, ließ viele sein schroffe Art akzeptieren.

Germaine Danton sah auf die Uhr. Noch drei Stunden bis Dienstwechsel, und er hatte Muße, das zu tun, was er gerne auch mal nacharbeiten oder nachfeilen nannte. Er hatte Zeit und Gelegenheit, sich um etliche Kleinigkeiten zu kümmern, die entweder ohnehin in sein Aufgabengebiet fielen, oder die unbeachtet blieben, wenn er sich ihrer nicht annahm. "Jan, ich wäre dann jetzt soweit. Schick mir die erste rein."
"Jawohl, Sir", antwortete Sergeant Jensen. Die Tür glitt auf und gab den Blick auf seinen ersten Besucher frei, der mit der Eleganz eines Raubfischs in sein Büro an Bord der ROSEMARIE geschwebt kam. Die große blonde Frau salutierte vor ihm vorschriftsmäßig, dann zückte sie ihren Block und schrieb ein paar Worte. Sie drehte ihn zu Danton um. Dort stand: Melde mich wie befohlen, Colonel.
"Setzen Sie sich, Sergeant-Major Katrin Hawk", sagte Danton und deutete auf den fest verankerten Stuhl vor seinem Schreibtisch. Die junge Hubschrauberpilotin nickte bestätigend, schwebte zum Stuhl und schnallte sich fest.
"Kann ich Ihnen etwas anbieten, Sergeant-Major?"
Kitty schüttelte den Kopf. Erwartungsvoll sah sie ihn an.
"Gut. Der Grund, warum ich Sie habe kommen lassen, Sergeant-Major, ist folgender. Ich bin mit Ihnen im Moment unzufrieden."
Kitty errötete, und hastig begann sie zu schreiben.
Danton winkte ab. "Ich bin noch nicht fertig, Katrin. Sicherlich, alle vier Hubschrauberbesatzungen leisten gute Arbeit. Ihr Training zeigt gute Werte, aber was mir daran nicht gefällt, bist du, Kitty. Lass mich das erläutern." Germaine faltete die Hände unter dem Kinn ineinander. "Kitty, du bist der Boss von zwei Rotten Hubschraubern. Diese Hubschrauber werden und müssen eingesetzt werden. Und zwar nach ihren Fähigkeiten. Es ist zwar schön und gut, dass du die Neuen in deine Struktur integrierst, aber damit beschneidest du auch ihre Möglichkeiten. Und deine eigenen. Du und Assay fliegt bewaffnete Transporter. Unsere Neuen haben schlechter bewaffnete, aber flexible Kampfhubschrauber. Ich will, dass du sie mehr nach ihrer Gefechtsdoktrin einsetzt, mehr nach ihren Möglichkeiten. Eine schlecht benutzte Waffe ist eine unnütze Waffe."
Kitty senkte den Blick und begann zu schreiben. Das Resultat präsentierte sie Danton.
Der schüttelte den Kopf. "Nein, Kitty. Mit Geleitschutzaufgaben für deine Transporter ist es nicht getan. Du hast da Anti-Infanterie-Einheiten, Aufklärer. Fixiert an deine schwer bewaffneten Transporter machst du sie zu Zielscheiben, und das weißt du auch."
Wieder begann sie zu schreiben.
"Natürlich musst du dir dein Kommando über sie erst erarbeiten, sie kennen lernen und dann einsetzen. Wer wüsste das besser als der Kommandeur einer Verbundwaffeneinheit? Aber Kommandieren heißt eben nicht, ständig bei den Untergebenen zu sein. Im Gegenteil: Kommandieren heißt auch immer, Befehle geben zu können und einschätzen zu können, welcher Soldat dazu in der Lage ist, sie in deinem Sinne auszuführen. Kitty, ich wünsche mir keine längere Leine für deine Piloten. Ich wünsche mir, dass du sie einsetzt, wie sie am besten eingesetzt werden müssen, und dabei dennoch den Überblick behältst. Es kann durchaus sein, dass du hunderte Kilometer von ihnen getrennt bist, und ich will, dass du mit dieser Situation klar kommst, sie notfalls auch auf diese Distanz kommandierst."
Wieder neigte sie sich vor, um zu schreiben, aber dann schüttelte sie den Kopf und ließ es bleiben. Sie nickte entschlossen, als Zeichen, das sie verstanden hatte.
"Gut, das war dann alles. Richte deinem Lademeister bitte aus, dass er eine Soldstufe aufgestiegen ist. Für gut geleistete Arbeit. Und überlege, inwieweit er dir bei deine Kommandier-Aufgabe helfen kann. Immerhin ist er Sergeant und deinen Rekruten automatisch vorgesetzt. Und er kennt dich."
Kitty nickte erneut, zustimmend.
"Gut, das war alles, Sergeant-Major. Sie können wegtreten."
Sergeant Hawk löste den Gurt, salutierte korrekt und schwebte zum Schott zurück.

Germaine gönnte sich einen Moment Pause. "Jan, Kaffee."
"Sofort, Sir. Übrigens, Hightower ist jetzt hier."
"Soll einen Moment warten. Ich will erst meinen Kaffee."
"Verstanden, Sir."
Sergeant Jensen kam kurz darauf hereingeschwebt, in der Hand eine Null G-Trinkschale mit dem koffeinhaltigen Getränk. "Vorsicht, frisch aufgebrüht, Sir."
"Danke, Jan. Warten Sie eine Minute, wenn Sie wieder draußen sind, und schicken Sie Corporal Bramert dann rein."
"In Ordnung, Sir." Behende wie ein Fisch im Wasser dirigierte sich der Mann wieder durch das Schott.
Germaine atmete für den Moment sichtbar auf, die Trinkschale in Händen. Er versetzte die Flüssigkeit in Rotation gegen den Uhrzeigersinn, und das Saugröhrchen füllte sich. Er nahm einen vorsichtigen Schluck und verbrannte sich wie erwartet die Zunge. Wenn Jan sagte, der Kaffee sei heiß, dann war er richtig heiß. Germaine setzte das Gefäß sachlich korrekt ab und ließ es mit dem Uhrzeigersinn kreisen. Das leerte das Saugröhrchen und verhinderte, dass tückisch heiße Tropfen in seinem Büro herumtaumelten.
"Sir?", fragte Bramert steckte vorsichtig den Kopf durch die Luke.
"Ah, Anton, kommen Sie rein. Ich habe mich gerade vorschriftsmäßig verbrannt. Jetzt habe ich Zeit für Sie."
"Ja, Sir." Der Mechpilot schwebte herein und schnallte sich nach einem Wink Dantons auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch fest.
"Anton, wie bekommen Ihnen die Therapiesitzungen mit Father O'Hierlihy?"
"Gut, sehr gut, Sir. Ich... Entdecke ganz neue Facetten an mir."
"Der Father berichtete mir, seit der Schlacht um Wayside V hat sich der Schwerpunkt Ihrer Unterhaltungen verschoben. Positiv verschoben. Nein, er hat mir keine Details genannt, da unterliegt er der Schweigepflicht. Nur soviel wie ich als Kommandeur wissen muss. Dazu kommt, Anton, dass Sie mir auch anders vorkommen als vor der Schlacht."
Der Pilot versteifte sich auf seinem Sitz. "Sir, wenn ich das erläutern darf, ich..."
"Anton, ich kenne Schlachtgetümmel aus eigener Erfahrung, habe oft genug drin gesteckt, und mehr als einmal hatte ich auch eine Schlachtpsychose, bei der mir schon der Gedanke, nur in einen Mech zu steigen, Panikattacken bescherte, die mich glauben ließen, gleich zu ersticken und vor meinen Schöpfer zu treten."
"Das ist... unerwartet, Sir. Ich habe Sie immer..."
"Für einen Felsen in der Brandung gehalten?" Germaine grinste freudlos. "Wenn ich heute einen Hauch von Führungsqualitäten habe, Anton, dann vor allem deshalb, weil ich vieles selbst erlebt habe. Angst, Verzweiflung, brennender Hass, Verletzungen, Panik, ungezügelte Wut, Zorn auf unfähige Vorgesetzte und unfähige Untergebene... Hatte ich brennenden Hass schon? Es ist so, Anton, ich weiß wie sehr eine einzige Schlacht einen Menschen verändern kann. Zudem waren Sie in Gefangenschaft der Husaren, und Sie haben nicht besonders viel darüber berichtet, was Ihnen da... Angetan wurde. Doktor Fleischer schweigt zu Ihren Wunden, sofern sie nicht Ihre Einsatzbereitschaft behindern wie der Armbruch. Aber Sie sollen wissen, Sie sind jetzt einer meiner Männer, Anton, und ich will alles für Sie tun, was in meiner Macht steht. Wenn Sie wollen, erweitern wir die Therapiesitzungen mit dem Father. Wenn Sie mit jemand anderen reden möchten, meine Tür steht Ihnen jederzeit offen. Und wenn es Themen gibt, die Ihnen zu peinlich sind, um sie einem Mann gegenüber zu offenbaren, dann hat Major Harris bereits Bereitschaft signalisiert, sich alles anzuhören, und anschließend drüber zu schweigen."
"Ich... Verstehe, Sir. Und ich danke für diese Möglichkeiten. Aber ich denke nicht, dass ich noch mehr Dienste des Fathers brauche. Oder Major Harris oder Sie, Sir." Der Anflug eines Grinsens huschte über sein Gesicht.
"Anton, ich weiß, wir haben uns auch vor der Schlacht noch nicht lange gekannt, und auch wenn eine Mechtruppe immer die Elitetruppe einer Söldnereinheit ist, habe ich mich nicht in dem Maße um Sie kümmern können, wie Sie es vielleicht verdient haben. Auch nach der Schlacht gelang mir das nicht. Wenn ich also etwas versäumt habe, etwas übersehen habe, sprechen Sie mit mir, Anton. Lassen Sie uns gemeinsam eine Lösung finden."
"Sir, ich möchte nicht undankbar klingen, aber ich glaube, dass das unnötig ist. Ich bin mir meiner Defizite sehr wohl bewusst, und ich weiß auch, wodurch sie ausgelöst wurden. Die Hilflosigkeit in der Gefangenschaft hat mir nicht sehr gut getan. Aber im Nachhinein bedaure ich am Meisten, dass ich mich so gehen ließ und einen Infanterie-Lieutenant der Husaren schwer verletzt habe, nachdem ich bereits ein Gefangener war. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemanden, den ich gar nicht kannte, genug hassen könnte, um beim Versuch ihn zu verletzen mit meinem Leben zu spielen. In mir... In mir steckt eventuell ein Tier, Sir, ein Tier, das ich finden und bändigen will, damit es mich beim nächsten Mal nicht mit ins Verderben reißt. Ich... werde es finden, kontrollieren, beherrschen. Ich weiß nicht, ob ich es benutzen kann, oder ob ich das überhaupt sollte. Aber im Griff hätte ich es gerne, bevor diese Wut einmal über mich kommt, und ich etwas tue, was ich danach ewig bereue. Ich meine, jetzt glaube ich mich im Griff zu haben. Aber was ist wenn ich ausraste, und Unschuldige töte? Oder noch schlimmer, in so einen Rausch verfalle, dass ich... Dass ich..." Er schluckte trocken. "Es gibt Berichte sogar über Elitetruppen, die nach einem Sieg wie die Tiere über Frauen hergefallen sind, ungeachtet ihrer Gefechtsmeriten, ihrer Herkunft ihrer Erziehung. So will ich nicht werden, Sir. So will ich nicht enden. Und darum finde und bändige ich meine Bestie."
Danton sah den Corporal erstaunt an. Dann nickte er schließlich. "Das erklärt einiges, Anton. Das erklärt eigentlich alles. Gut, ich gebe Ihnen den Freiraum, den Sie brauchen. Aber, Anton, wenn Sie merken, dass Sie es alleine nicht schaffen, kommen Sie zu mir. Diese Tür ist für Sie jederzeit offen."
Bramert schnallte sich ab. Ein warmes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Danke, Sir. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Melde mich ab, Sir." Er salutierte, und verschwand anschließend wieder durch das Schott.

Danton widmete sich wieder seinem Kaffee, der dankenswerterweise kühler geworden war. Dabei widmete er sich einem Dutzend Berichte, die er noch gegenlesen musste.
"Sir? Colonel Copeland, Captain Fokker und Sergeant Tsuno sind jetzt da."
"Sollen rein kommen."
Das Schott öffnete sich, und die drei Chevaliers schwebten streng nach Rang herein. Copeland und Tsuno stießen sich ab und trieben hinter Germaines Schreibtisch, was den Eindruck erweckte, dass hier etwas lief, das die junge Offizierin zum Mittelpunkt hatte. "Bitte setzen Sie sich, Captain Fokker."
"Ja, Sir." Ein wenig unbehaglich nahm sie unter dem Blick von drei Augenpaaren Platz und schnallte sich an.
"Jara", sagte Danton, übergangslos persönlich werdend, "mir liegt hier eine Anzeige vor, nach dem jemand aus deiner Kompanie ein Bowiemesser entwendet haben soll. Weißt du etwas darüber?"
"Ein Bowiemesser? Darum geht es? Aber das haben diese Typen doch ohnehin gestohlen!"
"Jara", mahnte Danton. "Es wäre nett, wenn die Person aus deiner Kompanie, die dieses Messer im Eigentum hat, an die Stationssicherheit übergibt, die es anschließend an den Besitzer übergibt. Mir wurde zugesichert, dass die Sache damit erledigt ist."
Ärgerlich sah sie beiseite. "Deine Antwort, Jara?"
"Ist ja gut. Ja, ich sorge dafür, dass das Messer zurück gegeben wird."
"Danke, das wollte ich hören."
"Wenn es das gewesen ist, dann..."
"Nein, Jara, das war noch nicht alles. Es gibt da eine Sache, die... Deine Entscheidung braucht. Eine Sache, die dringend geklärt sein muss, und das sehr schnell. Ich habe es lange vor mich her geschoben, aber jetzt, wo wir so groß sind, wo ich zudem einen Adelstitel und Land besitze, sind alle Dinge komplizierter und brauchen mehr Vorbereitung. Mehr als früher."
"Wenn du damit sagen willst, dass ein größeres Kommando mehr Papierkram nach sich zieht, hast du in mir eine verständnisvolle Zuhörerin", versicherte sie.
"Es geht in diese Richtung, ja. Jara, was denkst du, wirst du in fünf oder zehn Jahren tun? Wenn wir davon ausgehen, dass du dieses Alter tatsächlich erreichen wirst, was wir alle hoffen?"
"Was ich in fünf oder zehn Jahren tun werde? Ich weiß nicht. Ich war nie sehr gut im voraus planen. Bisher dachte ich auch, das muss ich nicht. Ich bin gerade erst über die zwanzig gerutscht, Germaine. Aber ich denke, dass ich dann immer noch Kompaniechef bei den Chevaliers bin. Oder, falls sich die Personaldecke durch Kämpfe ausdünnt, stellvertretender Bataillonschef. Je nachdem wie groß die Chevaliers sind."
"Es beruhigt mich zu hören, dass du deine Zukunft bei den Chevaliers siehst. Ich weiß, wir waren uns in letzter Zeit nicht immer einig, und du hast mich oft genug kritisiert. Nicht immer konnte ich diese Kritik annehmen. Und auch ich habe dich kritisiert. Du konntest meine Kritik selbstverständlich nicht zurückweisen, was, wie ich zugebe, ein wenig unfair war."
"Ja, da ist was dran", lachte Miko neben ihm.
"Aber ich hoffe, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe, Jara."
Die Blondine hob spöttisch eine Augenbraue. "Nanu? Ein Antrag direkt unter Miko-chans Augen? Du weißt, ich habe gerade eine Beziehung, Germaine. Du musst schon eine Nummer ziehen und schauen, ob sie in die Brüche geht."
"Ich denke nicht, dass ich so lange warten kann. Und du weißt ganz genau, wie ich das mit der Liebe meine." Er atmete heftig aus. "Jara, ich habe mich in letzter Zeit eine Menge mit Copycat und den anderen Bataillonsführern unterhalten. Und wir haben festgestellt, dass wir zwar eine perfekte Kommandostruktur haben, aber keine Eigentumsstruktur. Oder anders ausgedrückt: Fast die Hälfte aller materiellen Werte in der Einheit gehören defacto mir, Jara, am Rest habe ich teilweise Anteil. Ich persönlich. Sollte ich sterben, oder sollte ich länger ausfallen, vielleicht für immer, übernimmt Copycat das Kommando. Aber er ist nur der Einheitskommandeur. Der Besitzer der Chevaliers wird dann Miko werden."
Überrascht riss Jara die Augen auf. "Was? Habt Ihr euch endlich getraut? Werdet Ihr jetzt heiraten? Da gratu..."
"Nein, Jara, ich habe sie als meine Erbin eingesetzt. Ob und wann wir heiraten, steht im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Wir müssen erst feststellen, ob ich eine angemessene Partie für sie bin. Und das meine ich nicht ironisch."
"Oh. Will ich Details wissen?"
"Nein." "Oh."
"Hier kommt Sergeant Tsuno noch einmal ins Spiel", meldete sich Copeland zu Wort. "Sicherheitshalber hat auch sie einen Erben bestimmt. Dieser Erbe wird im Falle der Möglichkeit, dass sowohl der Colonel als auch Sergeant-Major Tsuno auf Dauer oder für immer ausfallen, die Chevaliers besitzen, und ein gewissen Anrecht auf die Richtung haben, in die wir schreiten, über seinen Rang hinaus. Solange das militärische Kommando in der Struktur bleibt. Ich hoffe, Sie verstehen die Notwendigkeit dieser Maßnahme."
Jara lächelte dünn. "Selbstverständlich. Denken Sie, ich habe mein Offiziersdiplom für nichts gemacht?"
"Gut. Dann wird es Sie ja auch nicht besonders überraschen zu hören, dass Sergeant-Major Tsuno Sie als Ihre Erbin eintragen will."
Nun war Jara doch verblüfft. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder und setzte erneut an. Aber es wollte kein Ton heraus kommen.
Miko und Germaine hatten sich an den Händen ergriffen. "Wir haben das einige Zeit diskutiert, Jara", sagte Miko, "und Germaine hat gesagt, dass er dich am liebsten adoptieren würde. Doch da hatte ich etwas gegen, solange wir zwei nicht heiraten können. Dennoch, du weißt hoffentlich, dass ich dich auch sehr lieb habe. Du bist für mich nach Germaine der Chevalier, der mir am Nächsten ist, den ich liebe wie eine kleine Schwester. Germaine und ich sind uns einig. Ich will dich als meine Erbin, sollte mir etwas zustoßen."
"Das heißt aber auch, dass das Erbrecht neu geordnet wird, falls Colonel Danton oder Sergeant Tsuno Kinder in die Welt setzen. Oder zusammen", sagte Copeland mit leisem Spott in der Stimme. "Aber bis zu diesem Zeitpunkt sind Sie Vollerbin. Später, sollten Kinder da sein, erhalten Sie so oder so den Anteil einer Vollerbin. Es ist so oder so von Vorteil für Sie, Captain."
"I-ich weiß nicht, was ich sagen soll", stammelte Jara.
"Du hast da eigentlich kein Mitspracherecht, Jara. Du bist meine Erbin, und so habe ich es bei July hinterlegt."
"Wobei ich an dieser Stelle noch mal betone", sagte Copeland mit scharfem Tonfall in der Stimme, "dass damit keine Kommandogewalt verbunden ist, Captain. Nicht mehr als Sie ohnehin haben. Mitspracherecht als Eigentümerin, ja. Aber vielleicht haben Sie ja Glück, und es sterben genug von uns, und Sie werden ohnehin an die Spitze katapultiert."
"Gott bewahre uns!", rief sie entrüstet. "Meine Kompanie reicht mir die nächsten fünf bis zehn Jahre, glaube ich! Okay, das muss ich jetzt erstmal verdauen. Miko, Germaine, ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke, vielleicht?" Sie lächelte unsicher. "Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das ein gutes Geschenk wäre, wenn ich die Einheit hätte, und Ihr zwei wärt..." Sie schluckte unbewusst und trocken. "Danke für euer Vertrauen."
"Da gibt es noch einen Haken, Jara", begann Germaine und sah sie nachdenklich an. "Du musst ebenfalls einen Erben bestimmen. Für den Fall, dass du auch für längere Zeit oder für immer ausfällst."
"Was? Ich auch? Aber wen soll ich...? Okay, mein Problem, verstehe."
Germaine lachte laut. "Jan, bringen Sie doch bitte etwas Hartes für Captain Fokker. Sie muss einige schwere Brocken verdauen. Und wenn Sie schon dabei sind, bringen Sie gleich für alle was mit."
Jensen schwebte mit kleinen Trinkschalen und eine Flasche Weinbrand herein. "Schon dabei, Sir."
Er befüllte die Schalen und teilte sie penibel aus. Dann schwebte er mit einem geflüsterten "Gratuliere, Captain" wieder aus dem Raum.
"Er wusste es schon vorher?", fragte Jara indigniert.
"Kannst du etwas vor Dawn geheim halten?", konterte Germaine.
"Nein, natürlich nicht. Also dann, auf diese ungewöhnliche Entwicklung."
Sie hoben die Trinkschalen, um vom scharfen Schnaps zu nippen.
"Jara?" "Germaine?" "Vergiss darüber nicht, das Messer zurück zu geben."
Sie seufzte schwer. "Nein, Germaine."
Danton lachte erneut. Irgendwie war ihm jetzt sehr viel wohler ums Herz, seit diese Frage geklärt war. Und er war sich sicher, dass die Chevaliers im Falle eines Falles bei Jara in guten Händen sein würden. In sehr guten Händen.

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Sich um die eigene Achse drehend verzerrte der Musikspieler die herben Trompetenklänge zu einer leiernden Parodie. Zumal es bei den Chevaliers wohl nur wenige gab, die etwas mit klassischem Jazz anfangen konnten, wie er im achtundzwanzigsten Jahrhundert auf Castor erfunden wurde.
Tatsächlich hatte Shepard herausgefunden, dass Jazz wesentlich Älter war, doch hatten die Delletanten auf Terra noch in den Kinderschuhen gesteckt, was den Jazz betraf. Das war anerkannter Fakt; zumindest in Darnell Shepards eigenem, kleinem, privaten Universum.
Die Trompetenklänge wurden vom Geräusch eines elektrischen Haarschneider untermalt und gemeinsam schafften die beiden Geräte eine abstrakte Disharmonie, wie es nur in einem Mannschaftswaschraum eines Union-Landers möglich war.
Wie immer, wenn er länger durch das Weltall reiste und das brachte sein Beruf als Söldner nun einmal so mit sich, sah sich Shepard mehreren Zwängen ausgesetzt, von denen zwei ihm unangenehm waren. Zum einen war das Rauchen an Bord von Raumschiffen nicht wirklich gern gesehen und so war er von Zeit zu Zeit gezwungen auf Kautabak umzusteigen. Eine widerliche Angewohnheit aber immer noch besser als mit dem Rauchen aufzuhören, waren doch die letzten zwanzig Versuche immer sehr desaströs gescheitert.
Der andere Zwang war eine Rationierung der Wasservorräte, so dass er sich nicht jeden Morgen einer Nassrasur unterziehen konnte. Eine Art von Ritual, außerdem die einzige Möglichkeit zumindest den halben Tag mit einem glatt rasierten Gesicht rumzulaufen.
Daher gab er das bei Reisen gänzlich auf und ließ sich einen Vollbart wachsen, den er dann wie sein Haupthaar einmal die Woche kurz nachtrimmte. Bart und oben sechs Millimeter, Seiten und hinten drei.
Mit seinem Haarschnitt zufrieden steckte der Spieß der Chevaliers seinen Haarschneider halb in eine Plastiktüte und klopfte sie zweimal gegen das Waschbecken und verstaute dann sein gesamtes Equipment in seinem Kulturbeutel.
Du hast zu wenig Kultur, mein alter, passt alles in einen kleinen Beutel.
„Hoi, Sarge“, grüßte ihn ein Techniker, der durch den Waschraum in Richtung Toiletten schwebte, „muss ich das Gedudel noch lange ertragen?“
„Kräftiger drücken, dann bist Du schneller wieder raus.“ Kunstbanause.
Shepard klemmt sich seine Kulturtasche unter den Arm und stieß sich ab. Einen Salto in Zeitlupe schlagend fing er seinen Musikplayer ein und schaltete ihn aus.
„Danke, Sarge!“, erklang es aus der Mittleren Toilette.
Von der gegenüberliegenden Wand des Raums musterte sich Shepard kritisch im Spiegel. Irgendetwas stimmte hier doch nicht; Fokker!
Mit fließenden Bewegungen hangelte er sich zu den Toiletten und mit einem kräftigen Schlag klappte die mittlere Kabine auf. Es hatte schon was für sich, wenn die Schiffe mit denen man unterwegs war den einen oder anderen hundertjährigen Krieg erlebt hatten.
Der junge Techniker blickte ihn verdattert an. Er war in das Rohrgeäst der Vakuumtoilette eingeklemmt und hielt in der linken Hand eine Lose-Blatt-Sammlung mit nackten Frauen drauf.
„Hey, was soll das Sarge?“
„Nimm die verdammte Hand aus der Hose, wenn Du mit mir redest!“ Mit diesen Worten schnappte er sich die Blätter
„Kenn ich nich‘, Mrs. Mercenarie 3025, New Avalon Dream Girls, ach, willst Du mir hierzu was erzählen?“ Die ersten drei Blätter schwebten nun durch den Waschraum und Shepard hielt dem jungen Tech ein sehr freizügiges Bild von Captain Fokker vor die Nase.
„Ärgl…“
„Ja, das habe ich mir gedacht! Sobald sich der Skipper dazu entschließt, diese Kiste in Drehung zu versetzen und wir wieder so etwas wie Schwerkraft haben, meldest Du Dich in meinem Büro.“
„Aye, Sarge!“
Shepard schnaufte: „Und wenn Du hier keinen mehr abseilen willst, zieh die Hose wieder an und sammel Deine Tittenbilder wieder ein.“
„Aye, Sarge!“
Aye, Sarge, äffte Shepard ihn geistig nach, während er sich umdrehte und in Richtung Ausgang abstieß. Pornographie war ja eine Sache und wenn sie die Typen daran aufgeilten, wie zwei Schafe ficken, aber Aktbilder eines vorgesetzten Offiziers, dass ging eindeutig zu weit.


„Oh, Mann, da hat aber jemand miese Laune“, greinte Steinberger von seiner Koje hinunter, als Shepard in das Gemeinschaftsquartier hinein geschwebt kam.
„Das ist doch bei dem Dauerzustand“, antwortete Jack Ryan-Jones.
Hinten blickte Billy Knox aus seiner Koje, schüttelte kurz den Kopf und legte die Zeichnung, an der er aktuell arbeitete beiseite, nur um sofort eine neue Arbeit zu beginnen.
„Du brauchst gar nicht so bescheiden zu sein, Knox, die Zeichnung von Fokker wird richtig Scharf“, rief ihm Steinberger zu, der daraufhin einen bösen Blick erntete.
„Das ist ja interessant“, meinte Shepard und hangelte sich weiter zur Billy Knox Koje, welcher die eben weggeräumten Malutensilien wieder hervorholte.
Das eine war eine angefangene Bleistiftzeichnung von Fokker und das andere war eine Vorlage, wie Shepard sie eben konfisziert hatte.
Den Blick des Spießes richtig deutend riss er die Zeichnung aus dem Block, faltete beide Bilder und reichte sie ihm: „Du solltest lernen Deine Fresse zukünftig auf neutral zu stellen, Steinberger.“
Knox war sichtlich nicht begeistert Zeichnung und Vorlage abgeben zu müssen.
„Hey, kann ich den Ahnen, dass unser Spieß hier einen auf Major Paine macht?“
„SCHNAUZE!“, herrschte Shepard, „oder ich gebe Euch gleich Schmerzen! Wenn noch einer von Euch Pornographie von, mit oder über angehörige dieses Regimentes hat, darf er sie jetzt herausgeben!“
„Und was wenn nicht“, wollte Ryan-Jones wissen, „Spindkontrolle?“
„Oh, da denkt jemand mit“, gab sich der Spieß entzückt, „das Sergeant Ryan ist eine ausgezeichnete Idee, ich werde Sie da doch tatsächlich lobend in meinem Tagesbericht erwähnen müssen.“
Stöhnen und Buhrufe wurden im Quartier laut aber da wirklich niemand von einer Inspektion begeistert war wurden die Corpus-Dilicti freiwillig herausgerückt und Knox beichtete, dass die Quelle in der technischen Abteilung zu finden war.
Schließlich baute sich Shepard von Steinbergers Koje auf: „Und Sie haben nichts dazu beizutragen?“
„Nope.“
„Ach wirklich nicht, soll ich nachsehen? Und wenn ich bei Ihnen nachsehen muss, werde ich auch gleich bei allen anderen nachsehen!“
„Ehrlich“, beteuerte Steinberger, „ich gebe Ihnen mein Wort.“
Als er darauf Shepard nicht im Geringsten beeindruckt sah fuhr er fort: „Ich brauche keine Wichsvorlage, ICH komme selbst hier an genug Mädels ran. Was man von den restlichen Loosern hier und bei allem Respekt, Sarge, dass schließt Sie mit ein, nicht sagen kann.“
„Gut, ich will Ihnen glauben, Steinberger, was das Looser angeht“, er wunk den Lyraner mit zwei Fingern heran, „ich war Verheiratet, zweimal und ich habe Kinder in die Welt gesetzt. Ich weiß, welches Übel Frauen bedeuten und wie teuer es werden kann.“
Steinberger grinste überrascht: „Sie haben ja doch so etwas wie Humor, ich habe Humor bei unserem Sarge gefunden.“
„Was haben Sie denn“, wollte jetzt Stonefield wissen, „Jungs oder Mädchen oder beides?“
„Wahre Männer machen Mädchen.“
„Und wenn es einen Gott gibt“, meinte Jack, „kommen sie ganz nach ihren Müttern.“
„Du kennst doch seine Frauen gar nicht“, kommentierte Steinberger.


Etwas später, kurz nachdem der Skipper des Landers durch kurzes Feuern der Manöverdüsen in Rotation versetzt, so dass etwas Gravitation an Bord herrschte, standen Shepard und Major Metellus im Quartier der Techniker.
Vor den beiden Mechkriegern stand ziemlich großkotzig der der Kompanie zugeteilte Seniortech, die Hände in den Tasche und ein schiefes Grinsen aufgesetzt.
„Ich habe keine Ahnung, woher diese Aufnahmen kommen, Sir. Irgendwie habe ich die Bilder bei dem Werkzeug gefunden, dass ich von meinem Vorgänger geerbt habe. Eins habe ich behalten, dass welches Carlson zusammen mit meinen Tittenmagazinen als… naja, geliehen.“
„Und das sollen wir Ihnen abkaufen? Sieht für mich nach einem ziemlich aktuellem Foto aus“, bemerkte Metellus.
„Ach, echt jetzt?“ Aric Collins hob ein wenig spöttisch die Augenbrauen.
„Also Collins“, knurrte Shepard, „wir können das jetzt auf die softe Tour klären oder auf die harte.“
Der Seniortech schnaufte: „Oh, wirklich, zeig mir... zeigen Sie mir doch mal Ihre harte Tour, Shepard.“
Dieser blickte zu seinem Kompaniechef: „Darf ich, Sir?“
Metellus nickte: „Dann lassen Mr. Collins und ich Sie doch einfach mal allein, Sarge.“
Der Major deutete auf die Tür und wiederstrebend setzte sich der Seniortech in Bewegung.
Noch bevor die beiden den Raum verlassen hatten zückte Shepard seine Trillerpfeife und pfiff einmal lang und durchdringend: „SPINDINSPEKTION!“
Jetzt konnte sich der Techstab, der vor der Tür gewartet hatte nicht mehr halten und steckte bestürzt die Köpfe durch das Schott hinein.
Drinnen begann Shepard damit deren Quartier auseinander zu nehmen. Allein und mit aller Sorgfalt.
Innerhalb der nächsten zwei Stunden verwandelte sich die Unterkunft der Techs von einer Wohnstätte in ein Schlachtfeld, als ob ein Rudel Elementare hindurch gefegt wären.
Alles, was man nach den Vorschriften der Chevaliers und des Raumschiffes auf dem sie sich befanden als Verstoß gelten konnte wanderte auf den Tisch in der Mitte.
Und mit etwas kreativer Fantasie konnte dass eine ganze Menge sein.
Als er fertig war begann er vor den nun angetretenen Techs aufzuzählen:
„Konterbande“, er hob eine Flasche Vodka hoch, „noch mehr Konterbande“, eine weitere Flasche Schnaps zeigte er vor, „nach Frachtordnung 34 Strich 18 a, sind sämtliche Alkoholika in speziell dafür vorgesehenen Containern aufzubewahren und darf nur zu bestimmten, vom Skipper festgelegten Zeiten konsumiert werden.“
Shepard hob ein halbvergammeltes Sandwich hoch: „Dieses Herrschaften ist ein Verstoß gegen die Hygienevorschriften an Bord. Ich weiß ja nicht, wer hier unter die Pilzsammler gegangen ist, aber hat hier auch nur irgendjemand eine Ahnung, was es für ein Aufwand ist, so ein Schiff wieder vom Pilz- und Schimmelbefall zu reinigen? Nein, keiner?“
„Und dieses Buch“, Shepard hielt einen Geschichtsband über die Invasion von Kentares IV hoch, „ist im Kombinat verboten und sein Besitz, Erwerb oder Handel wie auch die kostenlose Weitergabe ist strickt unter Strafe gestellt. Wie Sie alle wissen ist unser Kommandeur Angehöriger des draconischen Schwertadels. Es möchte hier doch niemand seine linke Hand verlieren oder eine andere draconische Strafe erdulden?“
Dann kam er zu seinem Sahnehäubchen: „Dies hier Herrschaften, weiß irgendwer, was dieses ist?“
„Das ist einer meiner Putzlappen“, murrte einer der Techs.
„Nun, nach der Verordnung für den Umgang mit Schmiermitteln an Bord von Landungsschiffen ist dies“, Shepard sonnte sich quasi im Angesicht seiner eigenen Genialität, „unsachgemäße Lagerung von Altöl.“
„Bitte was?“
„Unsachgemäße Lagerung von Altöl“, der Spieß ließ sich das auf der Zunge zergehen.
„Sie nehmen hier unsere Schränke, unsere Betten, ja quasi unser gesamtes Quartier auseinander für ein paar Banalitäten?“, Aric Collins lief rot an, „Sind Sie noch ganz bei Trost?“
Shepard trat auf den etwas größeren und stämmigeren Collins zu: „Für jede dieser Banalitäten könnte man den Verantwortlichen einen Monatssold wegen fahrlässiger Gefährdung des Bordbetriebs einkassieren.“
Das leise Murren der Techs nahm jetzt zu.
„Und diese ganze Show kann ich hier gerne jeden zweiten Tag wiederholen, Seniortech.“
„Hey, wir sind doch keine Schwerkriminnelen, ist ja nicht so als ob irgendwer die kleine umgelegt hätte, das sind nur ein paar erotische Fotos“, beschwerte sich Collins.
Der Master Sergeant trat noch etwas näher an den Seniortech heran, so dass dieser fast zurückweichen musste: „Das ist Untergrabung der militärischen Autorität und Befehlskette! Das ist Insubordination der schlimmsten Sorte, Mister! DAS IST EIN KAPITALVERBRECHEN und kein Kavaliersdelikt!“
Collins schluckte: „Ich habe das Zeug von der Infanterie, für etwas Sonderbehandlung für die APCs und so, von diesem weiblichen Lieutenant, Medwedjew.“
Dieser tikonovischen Hammerwerferin, fuhr es Shepard durch den Kopf.
„Diese Amazone, Marke tikonovische Hammerwerferin“, als hätte der Seniortech seine Gedanken gelesen.
„VORschicht, Collins, Sie haben sich schon weit genug aus dem Fenster gelehnt“, knurrte der Master Sergeant, „immer schön die Herarchie im Hinterkopf behalten.“
„Gut“, schaltete sich jetzt Metellus zum ersten Mal ein, „Sie und Ihre Leute können hier wieder Ordnung schaffen. Über weitere Disziplinarmaßnahmen reden wir, wenn ich mit Lieutenant Medwedjew fertig bin und dem Colonel die Sache vorgetragen habe. Aber Sie können sicher sein Seniortech Collins, die Angelegenheit wird Konsequenzen nach sich ziehen.“
„Ja, Sir.“
„Gut, dann schaffen Sie hier Ordnung“, Metellus wandte sich ab, „Master Sergeant.“

Als Shepard und der Kompaniechef das Schott hinter sich geschlossen hatten schnaufte dieser: „Unsachgemäße Lagerung von Altöl? Hand abhacken?“
Der Sergeant zuckte mit keiner Wimper: „So kann man das tatsächlich auslegen und dieses Buch ist im Kombinat wirklich verboten. Und die Strafen, die schon für kleinste Vergehen verhängt werden, nun ja, der Name ist Programm. Was mich viel mehr wundert, ist dass niemand darauf hingewiesen hat, dass allein von Ryan-Jones Schnapsvorräten ein ganzes Negerdorf ein halbes Jahr lange besoffen sein kann.“
„Ich bin mir sicher, dass war gerade nicht politisch korrekt, Sergeant.“
Shepard zuckte mit den Schultern: „Und das von jemand, in dessen Heimat es Sklaverei gibt. In der Hegemonie gibt es doch noch Sklaven oder?“
„Kein Kommentar.“

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5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


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Raumstation Fury
Landungsschiff ROSEMARIE
18. September 3066, 09:00 Uhr

Als Jara das Büro von Germaine Danton, Graf von Wayside, Colonel, Kommandeur und Eigentümer der Chevaliers, usw. verließ, schwirrte ihr der Kopf. War sie wirklich gerade an dritter Stelle der Besitzreihenfolge gelandet? Wie hatte sie das nun schon wieder geschafft? Bei ihrem Glück würde sie schon bald Jara Fokker, Baroness von irgendwas, General-Lord-Feldmarschall, oberste Vorsitzende des Sternbundes, ilKhan und wer-weiß-was sonst sein.
Unnötig zu sagen, dass ihr der Gedanke nicht besonders gefiel. Was war aus den Zeiten geworden, als Soldaten in ihrem Alter auf ihr erstes Lanzenkommando hinarbeiteten oder gerade die Ausbildung abschlossen?
Sie kam nicht dazu, sich weiter im Sarkasmus zu suhlen, denn Copeland tauchte hinter ihr auf und schloss, überraschend elegant, schnell auf. „Captain, ein Wort?“
Jara griff nach einem Haltegriff und wandte sich zu Copycat um. „Natürlich, Sir!“
Copeland kam neben ihr an und musterte sie ernst. „Captain… einmal unter uns. So sehr ich mich auch freue, dass der Colonel seine Nachfolge regelt, und so wenig es mich angeht… ich sehe mich genötigt, Ihnen zu sagen, dass ich das für keine besonders kluge Idee gehalten habe.“
Jara schluckte, ließ die Worte einen Moment sacken und schüttelte dann, sehr zur Überraschung ihres Gegenübers, den Kopf. „Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu, Sir!“
„Verstehen Sie mich nicht falsch, bitte“, beeilte der Kommandeur der Mechtruppen zu erklären. „Es ist nicht, dass ich Sie für unfähig halte. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die zusätzliche Belastung auf… erfahreneren Schultern lastet.“
Die blonde Frau winkte ab. „Denken Sie, ich nicht? Juliette oder Metellus wären deutlich logischere Kandidaten gewesen. Und sie hätten den Rückhalt in der Truppe gehabt. Mich halten eh schon sehr viele für eine inkompetente Karriereoffizierin, die mehr Glück als Verstand hat.“
Sie grinste. „Nun schauen Sie nicht so betroffen, ich weiß, wie die Menschen hier ticken und ich habe mich damit arrangiert. Es ist nur so: Ich habe das vorhin ernst gemeint. Mein Ehrgeiz richtet sich darauf, meine Arbeit gut zu machen und nicht darauf, noch schneller und noch weiter aufzusteigen. Aber ich kämpfe dort, wo ich hingestellt werde. Und würde ich das Erbe ablehnen, würde ich Germaine und Miko das Herz brechen und das ist das letzte, was ich tun möchte.“
Seufzend fasste sie sich an die Stirn. „Copycat… ich kann doch gar nichts tun, außer zu hoffen, dass ich dieses Erbe nie antreten muss. Und dass mir, wenn es doch so weit kommt, die Chevaliers auch folgen.“
„Wow.“ Copeland schien beeindruckt. „Das fasst ziemlich gut zusammen, was ich Ihnen irgendwie schonend beibringen wollte. Es ist gut zu wissen, dass Sie sich das nicht zu Kopf steigen lassen.“
Jara deutete ein Schulterzucken an. „Das wäre in meiner Position nicht besonders hilfreich. Und es würde ganz nebenbei auch die ganzen Gerüchte nur bestätigen.“
„Menschenkenntnis, Selbsteinschätzung, vorausschauendes Handeln… und das bei Ihrem Lebenslauf und Ihrer Begabung. Wenn die Husaren wieder ausgegliedert werden, könnte ich einen Offizier wie Sie gebrauchen. Interesse?“
„Nein, danke. Aber ein sehr schmeichelhaftes Angebot. Auch wenn ich glaube, dass Sie mich hauptsächlich zur Dekoration brauchen.“
Copeland lachte. „Touché, Captain! Im Ernst, sie haben Potential. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es nötig ist, Sie langsam an größere Aufgaben heranzuführen. Und das ist mein eigentliches Anliegen.“
„Sir?“
„Die Chevaliers haben eine Größe erreicht, bei der es durchaus legitim ist, junge Offiziere mit Stabsarbeit zu betrauen. Major Harris hat alle Hände voll damit zu tun, die Personalverwaltung zu betreiben. Dazu kommen die Ressorts Sicherheit, Ausbildung, Material und Infrastruktur. Diese Arbeit wird mehr oder weniger unkoordiniert von Juliette, dem Colonel, mir und einigen anderen erledigt.“
„Oh nein, ich ahne nichts Gutes…“
„Wie man es nimmt. Ich würde mit Ihrer Erlaubnis dem Colonel gerne vorschlagen, Ihnen eines dieser Ressorts zu übergeben. Bei der Ausbildung haben Sie ja bereits unterstützt, von daher würde ich das als naheliegend ansehen. Das hat den Vorteil, dass Sie Ihrer Stimme mehr Gehör verschaffen können, auch gegenüber dem Colonel und mir und dass die Chevaliers sich daran gewöhnen, dass Sie mehr sind als eine Offizierin der Mechtruppe. Auf lange Sicht könnte Ihnen das auch den Captain erhalten oder vielleicht sogar einen Major bringen.“
„Sobald ich herausgefunden habe, was an meinem Gesicht sagt: ‚Ich habe zu wenig zu tun!‘, lass ich mich operieren, versprochen!“
Sie entnahm Copelands Grinsen, dass er auf die Überarbeitungsschiene nicht abfuhr und seufzte. „Na gut, Sir, Sie haben da sicher nicht ganz Unrecht. Nur eine Frage…“
„Raus damit!“
„Zu den Aufgaben des Sicherheitsoffiziers gehört nicht nur die Organisation vom Wachdienst, der Verschluss von Feuerwaffen, der Arbeitsschutz, und so weiter, sondern auch das Vorgehen gegen Disziplinlosigkeit, mangelnde Moral und ähnliches, oder?“
„In Hausarmeen auf jeden Fall. Ich denke nicht, dass etwas dagegen spricht, das auch bei den Chevaliers so zu handhaben.“
„Dann, Sir, würde ich gerne diesen Job machen.“
„Ihnen ist bewusst, dass Sie das mit einigen Leuten Probleme bereiten könnte?“
Jara dachte kurz darüber nach, wem sie alles auf die Füße treten würde.
Germaine natürlich, aber er hatte ihr die Sache erst eingebrockt.
Dem Spieß, der sich selber da sehr zuständig fühlte. Aber mit dem würde sie eventuell auch zusammenarbeiten können.
Und natürlich allen, die gerne Nacktfotos von Kameradinnen machten, ohne deren Wissen.
Sie grinste: „Mehr Arbeit und Pflichten wären sehr langweilig, wenn ich dabei nur ‚Ja und Amen‘ sagen bräuchte, oder? Ich verstehe es durchaus als Teil meines Dienstgrades und meiner Aufgaben, Leuten auf die Füße zu treten, wenn etwas falsch läuft. Niemand braucht Offiziere ohne Rückgrat.“
Anerkennung stand dem älteren Soldaten ins Gesicht geschrieben. „Wieso überrascht mich nicht, dass Sie das sagen? Sie sollten über mein Husaren-Angebot nachdenken. Ehrlich!“
„Das geht leider nicht, ich bin gerade in die Langzeitplanung meiner Einheit eingebunden worden“, gab Jara lachend zurück, wurde dann aber umgehend wieder ernst. „Sir, da wäre noch was…“
„Captain?“
„Ich weiß echt nicht, ob ich das alles schaffe und den Anforderungen gerecht werde. Ich… hab zu oft versucht, mich auf eigene Faust durchzuschlagen und bin damit mehr als einmal großartig auf der Fresse gelandet. Halten Sie mir den Rücken frei?“
„Es freut mich, dass Sie fragen. Es wird Zeit, dass Sie Ihre Einzelkämpfer-Attitüde ablegen. Natürlich tue ich, was ich kann, um Ihnen unter die Arme zu greifen. Ich habe nichts davon, wenn einer meiner Kompanieführer zusammenbricht. Was Sie auch tun, Sie können auf meiner Unterstützung bauen.“
„Gut!“ Ein verschlagenes Grinsen stahl sich auf das Gesicht der jungen Frau. „Ich hatte nämlich nie wirklich vor, dieses Messer zurückzugeben.“

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24.05.2011 20:05 Thorsten Kerensky ist offline E-Mail an Thorsten Kerensky senden Beiträge von Thorsten Kerensky suchen Nehmen Sie Thorsten Kerensky in Ihre Freundesliste auf
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